Bremen und Hamburg:Auftritt der Musse-guck-Trainer

Werder Bremen erstes Training unter Skripnik

Darf sich beweisen: Viktor Skripnik.

(Foto: dpa)

Erst Joe Zinnbauer beim HSV, jetzt Viktor Skripnik bei Werder Bremen: Die Klubs holen verstärkt Trainer aus dem eigenen Unterbau. Ein Trend, der im doppelten Sinne mit Thomas Tuchel zu tun hat.

Ein Kommentar von Christof Kneer

Hätte man sich das vorstellen können: Huub Stevens in Grün? In dem Bild, das man von Huub Stevens hat, ist er unbedingt blau, auch wenn er laut Wikipedia, kicker-Sonderheft sowie eigener Aussage auch schon an nicht blauen Bundesliga-Standorten tätig war. An Stuttgart kann man sich noch erinnern, da hat der ewige Schalker im weiß-roten Trainingsanzug eine unrettbar verloren geglaubte Elf gerettet. Er hätte, vom Grün abgesehen, also gut gepasst zu den unrettbar verloren geglaubten Bremern. In Bremen ist gerade der Trainer Robin Dutt gescheitert beim Versuch, aus einem Team etwas herauszuholen, was nicht drinsteckt.

Huub Stevens hätte es vermutlich gemacht, wie man aus seinem Hallo-Bundesliga-ich-bin-übrigens-wieder-bereit-Interview schließen darf, das er kürzlich zielsicher gegeben hat. Die Bremer aber haben sich für einen Mann entschieden, den man sich gut in Grün vorstellen kann. Viktor Skripnik ist sogar eine historische Werder-Figur, er war etwas, was es in Bremen nicht mehr gibt; er war ein guter Linksverteidiger, und mit Blick auf seine Nachfolger (Menschen namens van Damme, Nery, Womé, Abdennour) wird er in der Rückschau täglich besser.

Skripniks Biografie erlaubt es den Bremer Verantwortlichen, vom "Werder-Weg" zu sprechen, den sie jetzt einschlagen, aber wer mit einem schnellen Blick die Liga scannt, wird bald feststellen, dass die Bremer ihren Skripnik längst nicht exklusiv haben. Der alte Rivale aus Hamburg hatte vor Wochen dieselbe Idee, dort haben sie einen Menschen namens Joe Zinnbauer zum Chef gemacht, der anders als Skripnik zwar niemals Linksverteidiger war, aber wie Skripnik die hauseigene U23 in der vierten Liga trainierte.

Aber auch die Hamburger waren nur jenem Trend gefolgt, den Thomas Tuchel schon vor Jahren in Mainz begründet hat: jenen, dass es unter Umständen lohnender sein kann, im Untergrund zu suchen als dem nächsten Labbadia, Fink oder Slomka den nächsten, teuren Dreijahresvertrag aufzudrängen.

Zurzeit ist es allerdings ein doppelter Tuchel-Aspekt, der so manchen Klub zur preiswerteren internen Lösungen inspiriert. Der Original-Tuchel ist auf dem Markt, und kein Klub möchte sich vorwerfen lassen, die Chance auf diesen Trainer verschenkt zu haben. So sind Zinnbauer oder Skripnik auch Schaun-mer-mal-Trainer oder Musse-guck-Trainer, wie der ewige Bremer Ailton wahrscheinlich sagen würde: Funktioniert's mit ihnen, lassen sich die Klubs gerne für ihre Findigkeit loben; funktioniert's nicht, kann man im Frühjahr ja mal vorsichtig den Tuchel fragen. Und sollte der keine Lust auf Abstiegskampf haben, kann man immer noch warten, ob Huub Stevens wieder ein Interview gibt.

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