Bundesliga:Ancelottis Systemwandel zahlt sich aus

02.12.2016,  Fussball 1.Liga: Mainz -  Bayern München

Gut verrenkt ist schön getroffen: Arjen Robben bringt den FC Bayern per Flugkopfball mit 2:1 in Führung.

(Foto: Bernd Feil/M.i.S.)
  • Bayern-Trainer Carlo Ancelotti verabschiedet sich gegen Mainz 05 von seinem Lieblings-Spielsystem - mit Erfolg: Die Bayern gewinnen 3:1.
  • Lahm und Müller kommen dadurch besonders zum Zug, Robben macht die Aufstellung "Riesenspaß".
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Von Claudio Catuogno

Vier, zwei, drei, eins. Über diese Ziffernkombination hätten die Zuschauer in der Mainzer Arena jetzt eine Weile nachdenken können am Freitagabend. Vier, zwei, drei, eins - im Grunde stehen diese vier Zahlen nämlich für eine Revolution. Okay, gut: eher für ein kleines Revolutiönchen.

In seinem Buch "The Quiet Leadership - Wie man Menschen und Spiele gewinnt" erzählt der Trainer des FC Bayern viel von seinen Überzeugungen. Eine davon lautet, dass er im Laufe seiner Trainerkarriere schon viele taktische Systeme ausprobiert habe, und dass sich das 4-3-3 dabei als das beste erwiesen habe. 4-3-3, so ließ Ancelotti die Bayern-Elf bisher (mit nur leichten Variationen) in allen Spielen antreten. Und nun, am Freitagabend in Mainz: War da plötzlich ein 4-2-3-1. Mit Philipp Lahm neben Thiago im defensiven Mittelfeld statt als Linienentlangsprinter rechtsaußen. Mit Joshua Kimmich anstelle von Lahm rechts in der Viererkette. Mit einem in Sachen Elan und Effektivität nicht wiederzuerkennenden Thomas Müller zentral hinter der Spitze Robert Lewandowski.

Irgendwas musste Ancelotti nach den letzten Auftritten probieren

Ein kleiner Schritt für den Fußball, ein großer Schritt für Carlo Ancelotti. Und er zahlte sich aus: Die Bayern gewannen das Freitagabendspiel beim FSV Mainz 05 nicht nur 3:1 (2:1) - sie wirkten eine Halbzeit lang auch so, als seien ihnen jetzt wieder eine paar von den schönen Spielzügen eingefallen, mit denen sie in den vergangenen Jahren die Liga dominiert hatten.

"In der ersten Halbzeit haben wir so gespielt wie lange nicht mehr", sagte Robben nach der Partie. "Die letzten Wochen haben uns ein bisschen die Überraschungen gefehlt. Das war heute gut. Eigentlich hätten wir schon in der ersten Hälfte mehr Tore erzielen müssen." Trainer Ancelotti lobte: "Thomas Müller ist ein sehr intelligenter Spieler und deshalb auch flexibel einsetzbar." Müller durfte also trotz anhaltender Torflaute lächelnd sagen: "Das hat Spaß gemacht heute."

Irgendwas hat Ancelotti ja probieren müssen nach den zuletzt nicht sehr überzeugenden Auftritten. Und für die Mannschaft, das muss man auch sagen, war die Umstellung kein großes Ding. Sie hat sich unter Pep Guardiola drei Jahre lang mit sämtlichen Ziffernkombinationen im Zahlenraum bis elf vertraut machen können. Oft in einem einzigen Spiel.

Dass Ancelottis Systemwandel trotzdem schon bald hinter das Geschehen auf dem Rasen zurücktrat, lag daran, dass dort gerade in den Anfangsminuten so viel passierte.

Die Wende beginnt mit einem Tackling von Lahm

Die 4. Minute: Yunus Malli spielt einen hübschen Pass zwischen den Bayern-Linien hindurch, Javier Martínez lässt sich austricksen, Jhon Córdoba läuft alleine auf Manuel Neuer zu, Hummels setzt noch eine Grätsche, vergebens - 1:0 für Mainz. Sollte dieses Spiel all die Fragen und Zweifel, die sich rund um die Bayern in den letzten Wochen angesammelt hatten, nach nur vier Minuten auf die Spitze treiben?

Dass die Partie dann rasch eine andere Geschichte erzählte, lag aber bereits wieder am System. Die prompte Wende begann mit einem Tackling von Lahm an Malli - eine riskante und grenzwertige Präzisionsgrätsche zentral (!) vor dem eigenen Strafraum, die den Ausgleich einleitete: Über Müller und Arjen Robben kam der Ball zu Lewandowski - 1:1 (8.). Und das 2:1 für die Bayern ließ auch nicht lange auf sich warten, diesmal schlug Müller eine starke Flanke auf Robben, der vollendete mit dem Kopf (21.). Der Mainzer Trainer Martin Schmidt hatte vor dem Spiel noch vermutet, man werde sich vor allem der "individuellen Qualität" der Bayern entgegenstellen müssen, in Sachsen System erwartete er hingegen "keine Überraschungen". Da hat er sich getäuscht.

Lahm will nur so lange spielen, wie es ihm Spaß macht

Und auch, wenn die Partie in der zweiten Hälfte stark abflachte (Robben kritisch: "Da müssen wir eigentlich weitermachen. Da hat Tempo und Bewegung gefehlt") - man darf gespannt sein, was dieser Abend in Mainz für die weitere Bayern-Saison bedeutet. "Riesenspaß" mache es in dieser Formation, sagte Arjen Robben nach dem Abpfiff - er warb sehr engagiert dafür, das System jetzt so beizubehalten. Schon am Dienstagabend geht es um das Selbstverständnis der Münchner als europäischer Spitzenklub, wenn Atlético Madrid zum Champions-League-Gipfel in der Arena vorbeischaut. Die Spanier stehen schon als Gruppensieger fest, die Bayern sind sicher Zweiter, ein Sieg täte wohl trotzdem gut.

Und mehr als eine Randnotiz ist auch dies: Lahm spielt gerne im Zentrum.

Philipp Lahm war ja tagelang im Zentrum der Debatten gestanden: Beendet er Ende der Saison seine aktive Karriere und wird dann Sportdirektor, wie der Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge das offenbar will? Oder bringt der gerade ins Präsidentenamt zurückgekehrte Uli Hoeneß noch alles durcheinander, wie es zuletzt ein paar nicht sehr koordinierte Äußerungen vermuten ließen? Vor lauter Hoeneß-Rummenigge-Widerspruch ist ein bisschen in den Hintergrund getreten, was Lahm selbst will. Nämlich: nur so lange spielen wie es ihm Spaß macht.

Spaß macht ihm: Mittelfeld. Und: gewinnen. Am besten: klar gewinnen. Weil Robert Lewandowski in der Nachspielzeit mit einem herrlichen Freistoß in den Winkel noch das 3:1 erzielte, hatte nicht nur Lahm einen schönen Abend.

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