Bundesliga-Abstiegskampf:Wie sechs Klubs das Glück erzwingen wollen

FC Augsburg v Hannover 96 - Bundesliga

Wegweise: Lars Stindl, Kapitän von Hannover 96, nach einem Tor in Augsburg.

(Foto: Bongarts/Getty Images)

Was jetzt noch Hoffnung macht im Abstiegskampf? Hannover 96 zieht es in die Einsamkeit, Paderborn lädt Schornsteinfeger ein. Und beim HSV schnappt sich der Trainer das Uwe-Seeler-Zimmer.

Von Carsten Eberts

Warum die Bundesliga-Uhr des Hamburger SV nicht Fünf vor Zwölf anzeigt? Wissen wir auch nicht. Der altehrwürdige Bundesliga-Chronometer des Klubs wird am Samstag 51 Jahre, 272 Tage und ein paar Stündchen, Minütchen und Sekündchen anzeigen - doch nach dem Schlusspfiff? Was passiert um 17.17, 17.18 oder 17.19 Uhr, je nach Nachspielzeit? Bleibt die Uhr stehen, wenn der HSV wirklich absteigt? Nein, hat der Klub in dieser Woche trotzig bekannt gegeben. Bis 23 Uhr werde die Digitaluhr in jedem Fall weiterlaufen, ehe sie wie immer in den nächtlichen Energiesparmodus fällt. Wird sie abgestellt, dann heimlich und leise. Und garantiert nicht vor großem Publikum.

Beim SC Paderborn haben sie keine Bundesliga-Uhr. Trotzdem wird es hier am Samstag etwas zu sehen geben auf den Rängen. Düster wird es, wenn nicht sogar schwarz: Schornsteinfeger aus dem ganzen Landkreis sind zum Endspiel gegen den VfB Stuttgart ins Stadion geladen und sollen versuchen, in Arbeitsmontur exakt das zu tun, was ihnen im Volksglauben nachgesagt wird: Glück bringen. Das kann der Tabellenletzte gut gebrauchen. Und vielleicht hat ja einer von ihnen Zeit, die jährliche Wartung der Heizung in der Benteler-Arena gleich mitzuerledigen.

Wenn sie beim SC Freiburg richtig Humor hätten... herrlich wäre das. "Lustlos-Bayern-Besieger" könnten sie sich auf T-Shirts drucken lassen, oder: "Wettbewerbsverzerrungsprofiteure". Doch das hätte Trainer Christian Streich niemals genehmigt. Es war keine sonderlich humorige Woche im Breisgau, zu deren Finale sich Streich all jene Konkurrenten zur Brust genommen, die sich nach dem Freiburger Sieg gegen den FC Bayern gemeldet und die Münchner für das mutmaßliche Abschenken der drei Punkte kritisiert hatten. "Eine Anmaßung", knurrte Streich: "In Extremsituationen kommen die Charaktere heraus." Nur gut, dass die Freiburger mit einigen dieser charakterlosen Blindgänger bald nicht in einer Liga spielen müssen. Weil sie abgestiegen sind, und Freiburg weiter in der ersten Liga spielt. Oder eben umgekehrt.

Auch bei Hertha BSC hat der Trainer etwas gesagt. Die Worte von Pal Dardai legen nahe, dass er es mit Realitätsverweigerung versucht. Angesprochen auf den Relegationsplatz, auf den die Hertha noch abrutschen kann, erklärte Dardai: "Jetzt darüber zu reden, ist blöd." Stimmt, klar. Bloß nicht jetzt. Lieber in zwei, drei Tagen, wenn die Hertha auf genau diesem Relegationsplatz steht und sich fragt, wie es in aller Welt nur dazu kommen konnte.

Den Kickern von Hannover 96 war es zu laut in dieser Woche. Wohin also, wenn einem der Kopf schwirrt vor lauter Abstiegsszenarien? Na klar, ins Kloster. Die Örtlichkeit, an der die Spieler die vergangenen Tage zubrachten, trägt den schönen Namen "Hotel Klosterpforte" im ostwestfälischen Harsewinkel-Marienfeld nahe Gütersloh. Untrubeliger geht es nicht. Und was macht man da so, abends im "Hotel Klosterpforte" im ostwestfälischen Harsewinkel-Marienfeld nahe Gütersloh? "Vielleicht eine Lesestunde machen, aus einem Buch vorlesen", erklärte Trainer Michael Frontzeck. Wir empfehlen das schöne Kinderbuch: "Nur Mut, kleiner Bär".

Beim VfB Stuttgart brauchen sie keinen Mut. Hier setzt Trainer Huub Stevens auf die konventionellste Methode des Abstiegskampfs überhaupt: Betriebsspionage. Wenn die nur geklappt hätte. "Sechs Spione" habe er nach Paderborn geschickt, klagte Stevens in launiger Runde: "Die sind an die Tür gekommen und mussten wieder herumdrehen. Pech gehabt, tja." Vielleicht doch eine Lesestunde?

Nochmal kurz zum Hamburger SV. Die Konkurrenz zieht ins Kloster - dafür reicht es beim HSV nicht ganz. Frisches Geld gibt es hier bekanntlich nur, wenn Mäzen Klaus-Michael Kühne die Privatschatulle aufmacht. Mehr als ein Drei-Sterne-Hotel in Malente in Ostholstein war also nicht drin. Macht nix, Trainer Bruno Labbadia fand die Zeit im "Uwe-Seeler-Fußballpark" nach eigener Bekundung "klasse". Wir wissen auch warum: In der Herberge gibt es ein "Uwe-Seeler-Zimmer". Und das hat Labbadia nicht etwa jenem Spieler zugewiesen, der den Zuspruch im Abstiegskampf besonders nötig hatte. Nein, das Zimmer hat sich Labbadia selbst geschnappt.

Und ein letztes Mal nach Niedersachsen. "Bayern hat eine Piss-Mannschaft", hat Dieter Schatzschneider in dieser Woche gesagt. Man könnte diese Worte einem poltrigen Stammtischbesucher zuschreiben. Etwas derb, aber nicht weiter ernst zu nehmen. Blöd nur, dass Schatzschneider, 57, als Scout auf der Gehaltsliste von Hannover 96 steht, zudem noch ein Vertrauter von Klubboss Martin Kind ist. Der Verein hat sich also lieber schnell entschuldigt, als einen nachhaltigen Krach mit dem Rekordmeister zu riskieren. Das sind natürlich die Debatten, die jeder braucht, in der Woche vor dem großen Abstiegsfinale. Gut, dass die Mannschaft im ostwestfälischen Harsewinkel-Marienfeld nahe Gütersloh im Kloster weilte.

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