Fußball-Bundesliga:Perfektes Trio für Liga zwei

Auf den hintersten Rängen der Liga befinden sich 1899 Hoffenheim, Greuther Fürth und der FC Augsburg. Auch ohne Meinungsforschungsinstitute lässt sich behaupten, dass die meisten deutschen Fans dieses Trio für die ideale Besetzung des Tabellenendes halten.

Ein Kommentar von Philipp Selldorf

Nach Erkenntnissen des Meinungsforschungsinstituts Tim Wiese haben die meisten Deutschen keine gute Meinung von 1899 Hoffenheim: "95 Prozent freuen sich doch, wenn ich oder Hoffenheim Tore kriegen", hat Wiese neulich ermittelt, um daraus abzuleiten, Deutschland sei "ein Neiderland". Experten haben jedoch Zweifel an der Studie. Sie halten die Berechnung von 95 Prozent für eine Beschönigung. Außerdem fragen sie: Worauf sollten all die Deutschen neidisch sein, wenn sie Tim Wiese und Hoffenheim sehen?

In der vergangenen Woche hat der Verein aus dem sogenannten Kraichgau wieder eine Menge Publicityarbeit geleistet, um als authentisches Mitglied des großen Bundesligatheaters wahrgenommen zu werden. Der Torwart Wiese mit der exzentrischen Indianerfrisur hat gehöhnt, es interessiere ihn "einen Scheißdreck", dass ihn die Profifußballer-Kollegen in einer Umfrage zum Absteiger des Jahres gewählt hatten. Abwehrchef Marvin Compper wurde in aller Öffentlichkeit degradiert - und Manager Andreas Müller hat versucht, auf der Pressekonferenz eine Wutrede zu halten.

Überzeugende Wirkung ging aus den ehrbaren Anstrengungen nicht hervor. Müllers Empörung wirkte ebenso unbeholfen wie sein Motivationsappell von den "Ärschen in der Hose". Wiese hat am Samstag wieder ziemlich närrisch ausgesehen, und Compper darf zur Belohnung für die ihm vorgeworfene Verweigerung, am Abstiegskampf teilzunehmen, in die herrliche Stadt Florenz umziehen.

Betrachtet man die Sache freundlicher, haben die Hoffenheimer zumindest den Trost, dass sie nicht ganz allein gegen jene 95 Prozent stehen, die ihnen jedes Gegentor gönnen. Auf den hintersten Rängen der Liga befindet sich die TSG in Gesellschaft der Spielvereinigung aus Fürth und des FC Augsburg. Auch ohne Meinungsforschungsinstitute lässt sich behaupten, dass die meisten deutschen Fans dieses Trio für die ideale Besetzung des Tabellenendes halten.

Während Hoffenheim das Stigma des Retortenklubs trägt, werden Fürth und Augsburg wegen ihrer naturgemäß bescheidenen Herkunft für entbehrlich gehalten. Die einen haben viel Geld, verteilen es reichlich und sind daher unbeliebt, die anderen haben kaum Geld, tragen wenig zu den Umsatzrekorden der Liga bei und werden daher als unattraktiv angesehen. Soziologisch betrachtet gelten die einen als Emporkömmlinge, die anderen als Kleinbürger. Gemeinsam haben sie, dass ein Gros des Publikums lieber die alten Familien aus Berlin, Köln oder Kaiserslautern sehen möchte.

So viel Ablehnung mag ungerecht und borniert sein, sie ist aber auch eine Chance für die Betroffenen. Im Grunde ist Wiese auf der richtigen Fährte: 95 Prozent sind gegen uns? Denen zeigen wir's!

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