Bundesliga: Abstiegskampf:Erlösung durch Mike Hanke

Zwei späte Tore in Mönchengladbach führen zu hemmungslosem Jubel im Borussia-Park, in Frankfurt schlägt der Fan-Frust dagegen um in Gewalt. Die Trainer Christoph Daum und Felix Magath stehen mit ihren Mannschaften aus Frankfurt und Wolfsburg vor dem Abstieg.

Sebastian Gierke

Borussia Mönchengladbach führt seine wundersame Aufholjagd in der Fußball-Bundesliga fort. Am vorletzten Spieltag der Saison siegte die Mannschaft vom Niederrhein zu Hause gegen den SC Freiburg 2:0 und steht damit zum ersten Mal seit Monaten nicht mehr auf einem direkten Abstiegsplatz. Dort finden sich nun der bereits abgestiegene FC St. Pauli und die Frankfurter Eintracht wieder. Frankfurt verlor zu Hause nach einer desolaten Leistung mit 0:2, und auch der VfL Wolfsburg verpasste einen vorentscheidenden Schritt Richtung Klassenerhalt beim 1:2 zu Hause gegen Kaiserslautern.

Eintracht Frankfurt - 1. FC Koeln

Der Frust schlägt um in Gewalt: Frankfurter Fans stürmen nach der Niederlage gegen Köln den Rasen.

(Foto: dapd)

Bremen, Stuttgart und Köln haben sich damit endgültig gerettet. Für Frankfurt (in Dortmund), Gladbach (in Hamburg) und Wolfsburg (in Hoffenheim) geht es am kommenden Samstag nun um alles.

In Frankfurt kann Christoph Daum die Auflösungserscheinungen einfach nicht stoppen, in jetzt sechs Spielen unter dem Trainer gab es noch nicht einen Sieg.

"Das ist eine bittere Stunde für Eintracht Frankfurt. Wir befinden uns jetzt natürlich in einer äußerst schwierigen Situation, aber wir noch eine Resthoffnung, die sensationelle Wende zu schaffe," erklärte angeschlagen der Frankfurter Vorstandsboss Heribert Bruchhagen. Bei Christoph Daum klang sogar schon Resignation durch, als er sagte: "Vielleicht ist einfach im Moment nicht mehr drin."

Dabei hatte Daum alles versucht in dieser Woche: Er verschanzte sich mit seiner Mannschaft in einer stillgelegten US-Kaserne in der Eifel, führte viele Gespräche, verbot den Kontakt zu Freunden. Zwischendurch ging es zum Go-Kart-Fahren. Fahrt aufnehmen. Es hat nichts genützt.

Auf den Rängen in Frankfurt schlug die Frustration in Gewalt um. Nach der Niederlage kam es zu massiven Ausschreitungen. Rund 150 Fans stürmten den Rasen der WM-Arena. Die Polizei setzte Pfefferspray und Schlagstöcke ein. Die Profis der Eintracht und die feiernden Kölner flüchteten in die Kabine. Hunderte Polizisten bezogen vor dem Block der Frankfurter Ultras Position. "Präsident Peter Fischer hat die Situation durch Gespräche mit den Ultras gerade noch gerettet. Sonst wäre das hier alles eskaliert", sagte Vizepräsident Axel Hellmann.

Ausgerechnet Lakic

Der VfL Wolfsburg wähnte sich nach dem 1:0 vor einer Woche in Bremen schon auf der sicheren Seite. Noch sicherer wähnten sich die Niedersachsen, nachdem Mario Mandzukic nach wenigen Minuten das 1:0 gegen Kaiserslautern erzielte. Doch die Mannschaft von Felix Magath hatte ihrem Trainer vielleicht nicht zugehört, denn dass Kaiserslautern und vor allem Christian Tiffert gute Standardsituationen schießen kann, hätte sich eigentlich bis nach Wolfsburg herumsprechen müssen.

Borussia M'gladbach v SC Freiburg - Bundesliga

Der Retter in Gladbach? Mike Hanke nach dem 1:0 gegen Freiburg.

(Foto: Bongarts/Getty Images)

Tiffert schlug zwei ruhende Bälle in den Strafraum, Srdjan Lakic (ausgerechnet Lakic, der für die kommende Saison in Wolfsburg unterschrieben hat) und Martin Amedick drehten das Ergebnis. Nun stand es zur Pause 2:1 für Kaiserslautern.

Und Borussia Mönchengladbach? Der Vize-Präsident, Rainer Bonhof wurde in der Woche vom Papst empfangen - und musste sich deshalb vor dem Spiel fragen lassen, ob er mit Benedikt XVI. über die ziemlich unheilige Situation in Gladbach gesprochen habe. Bonhof verzog keine Miene, als er die Frage verneinte. Scheinbar erschien sie ihm gar nicht so unsinnig. Gladbach, das ist für viele auch Religionsersatz, doch nach zwei Siegen gegen Hannover und Dortmund war auch ohne Beistand von oben die Zuversicht im Spiel deutlich zu spüren, die Gladbach einen 2:0 Sieg gegen Freiburg und den Sprung auf den Relegationsplatz bescherte. Der überraschende Vorstoß von Stefan Effenberg, der Sportlicher Leiter in Gladbach werden will, brachte jedenfalls keine Unruhe in die Mannschaft.

Christoph Daum hatte vor dem Spiel gegen Köln gesagt, wenn er so einen wie Effenberg in der Mannschaft hätte, dann würde er sich zurücklehnen und sagen: "Stefan machs". Doch Daum hat keinen wie Effenberg. Er hat vielmehr große Personalsorgen in der Defensive.

Diese versuchte er durch die Flucht nach vorne vergessen zu machen, bot mit Theofanis Gekas, Martin Fenin, Marcel Heller und Caio dos Santos vier gelernte Stürmer auf. Doch die Verunsicherung konnte auch die offensive Ausrichtung nicht vertreiben. Zwar übernahmen die Frankfurter schnell die Kontrolle über das Spiel, konnten allerdings in der Halbzeit keinen der vier Stürmer auch nur einmal aussichtsreich in Position bringen. Köln dagegen, das noch einen Punkte brauchte zur Rettung, spielte befreit auf. Nach 23 Minuten schlug dann Eintracht-Verteidiger Sebastian Jung ein Luftloch, Milivoje Novakovic schnappte sich den Ball und alle Frankfurter schienen damit beschäftigt, sich an Daum'sche Motivationsreden zum Thema Zweikampf zu erinnern. Novakovic flankte währenddessen auf den Kopf des völlig freistehend Adil Chihi, der unbedrängt einköpfen durfte. Da dachte Christoph Daum vielleicht daran, die stillgelegte Kaserne in der kommenden Woche gegen eine im vollen Schleifer-Betrieb zu tauschen.

Kurz vor der Pause beförderte dann tatsächlich Theofanis Gekas den Ball ins Tor. Das so wichtige Erfolgserlebnis für den Torjäger der Bundesliga, der nach einer sensationellen Hinrunde mit 14 Treffern in der Rückrunde bislang nur zweimal getroffen hatte? Nein, Gekas bleibt der unglücklichste Stürmer der Bundesliga. Schiedsrichter Felix Brych entschied auf Abseits. Eine umstrittene Entscheidung.

Postenschuss aus der eigenen Hälfte

In Gladbach bot sich den Fans ein ähnliches Bild: Ihre Mannschaft wollte, kämpfte, immer den drohenden Abstieg vor Augen, doch gegen locker aufspielende Freiburger, für die es nur noch um die Torjägerkanone für Papiss Demba Cissè ging, gelang ihnen kaum ein gefährlicher Angriff. Immerhin verhinderte Marc-André ter Stegen in der zwölfte Minute, dass Cissé Mario Gomez von den Bayern noch einmal unter Druck setzte. Doch es dauerte bis zur 44. Minute, bis Gladbach selbst gefährlich wurde und dann eher zufällig. Dante schlug aus der eigenen Hälfte einen Ball nach vorne, ein total verunglückter Pass eigentlich. Doch der Freiburger Torhüter verrechnete sich auf lächerliche Art und Weise, der Ball hüfte über ihn hinweg - und tropfte gegen den Pfosten.

In der zweiten Hälfte zogen die Gladbacher das Tempo dann an, Mohamadou Idrissou rutschte in der 61. Minute nur Zentimeter an einer Flanke vorbei. Und als in der 65. Minute der Freiburger Innenverteidiger Toprak mit Gelb-Rot vom Platz musste, feierten die Fans in Gladbach schon, als wäre der Klassenerhalt sicher. Doch die Mannschaft stellte ihre Geduld auf eine harte Probe. Es dauerte bis zur 80. Minute, dann erst nutze Mike -"Ich bin noch nie abgestiegen" - Hanke einen groben Fehler von Schuster, erzielte mit einem schönen Schuss von der Strafraumgrenze das 1:0. Die Spannung im Borussia-Park entlud sich in hemmungslosem Geschrei und Jubel. Und nur Sekunden später spielte Hanke Marco Reus perfekt frei, der konnte alleine auf das Freiburger Tor zulaufen, schob den Ball nervenstark ins Tor.

In Frankfurt versuchte sich Christoph Daum derweil an den Gedanken zu gewöhnen, den Abstieg am letzten Spieltag der Saison nicht mehr aus eigener Kraft abwenden zu können. Denn auch in der zweiten Halbzeit war kein Aufbäumen bei seiner Mannschaft zu erkennen, sie fügte sich, völlig verunsichert, in die Niederlage. Einer der vielen Kölner Konter hatte in der Nachspielzeit sogar noch einen Elfmeter zur Folge. Lukas Podolski beendete das desolate Frankfurter Fußballschauspiel mit seinem Treffer zum 2:0.

In Wolfsburg hingegen geschah nichts mehr, der VfL rannte ideenlos an und verlor gegen Kaiserslautern 1:2.

Gladbach überholte damit Frankfurt in der Tabelle, liegt mit 35 Punkten (Tordifferenz -17) auf dem Relegationsplatz 16, Frankfurt muss mit einem Punkt Rückstand (Tordifferenz -15) am letzten Spieltag Dortmund die Meisterparty verderben und auf Hilfe vom Hamburger SV hoffen, der Gladbach empfängt. Selbst die punktgleichen Wolfsburger (Tordifferenz -5) kann Gladbach noch überholen, Felix Magath muss mit seiner Mannschaft nach Hoffenheim.

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