Bundesliga-Absteiger:Zum Abschied rumpelt's bei Hannover 96

Martin Kind

Hat den Putschversuch überstanden: Hannovers Vereinsboss Martin Kind.

(Foto: dpa)
  • Hannover 96 arbeitet das Desaster dieser Bundesliga-Saison auf: Alleinherrscher Kind übersteht einen Putschversuch der Fans.
  • Mit der Personalie Mirko Slomka könnte er diese aber erneut gegen sich aufbringen.

Von Jörg Marwedel und Carsten Eberts, Hannover

Es gab vor nicht allzu langer Zeit eine gute Phase, in der die Fans von Hannover 96 das Gefühl hatten, ihr Klub sei inzwischen der "große HSV" und nicht mehr der kleine im Schatten des Hamburger SV aus der Millionenstadt. Während die einst hochdekorierten Hanseaten um den Verbleib in der Bundesliga kämpften, sammelte der Hannoversche Sportverein von 1896 in der Europa League Lorbeeren. Jetzt aber ist wieder alles wie früher: Seit dem Wochenende ist amtlich, dass Hannover nach 14 Jahren in der höchsten Klasse mal wieder in die zweite Liga absteigt.

Am Dienstagabend musste 96-Präsident Martin Kind bei der Vereinsversammlung vor die Mitglieder treten und das Desaster erklären. Der Unternehmer will ja in einem Jahr die 50+1-Regel, die Mehrheitsinvestoren in deutschen Fußballklubs eigentlich ausschließt, bei 96 außer Kraft setzen - mit einer Ausnahmegenehmigung der Liga, weil er dann seit 20 Jahren Vereinschef sein wird.

Bei der Mitgliederversammlung am Dienstag hätte es für ihn schlimmer kommen können: Während beim Hamburger HSV vor zwei Jahren 9702 aufgeheizte Mitglieder ins Stadion marschierten, um die Ausgliederung der Profiabteilung zu beschließen, kamen in die Glashalle des Congress Centrums gerade mal 779 Wahlberechtigte, um den neuen Aufsichtsrat zu küren. Doch der von manchen erwartete Putsch gegen den bei 96 fast alles bestimmenden Kind blieb aus.

Opposition scheitert knapp

Die Interessengemeinschaft Pro Verein Hannover 1896 hatte vier Vertreter ins Rennen geschickt, um die Mehrheit im fünfköpfigen Rat zu übernehmen. Von den fünf Kind-Anhängern - inklusive des Aufsichtsratschefs Valentin Schmidt - wurden jedoch drei wiedergewählt. Zwei Kandidaten der IG, die Kinds Einfluss bremsen möchten und für eine Beibehaltung der 50+1-Regel sind, kamen immerhin durch: Sebastian Kramer und Ralf Nestler. Dem dritten Anwärter fehlten 24 Stimmen. Die Opposition ist also weiter in der Minderheit, der Aufstand gegen Kind knapp gescheitert.

So konnte der Klubchef in seiner Rede ein Bild entwerfen, das so gar nicht zu einem Absteiger passt. Der Abstieg tue zwar weh und sei unnötig gewesen, erklärte der seit 1997 amtierende Präsident, "aber er darf nicht zur Depressionen führen". Ziel sei der sofortige Wiederaufstieg. Nur selten wurde Kind, der an diesem Donnerstag 72 Jahre alt wird, von höhnischem Gelächter unterbrochen.

Kind referierte von einer "mehr als zufriedenstellenden wirtschaftlichen Entwicklung" des Vereins und berichtete, dass 98 Prozent der Sponsoren auch in der zweiten Liga bleiben werden. Zudem habe es keine einzige Logen-Kündigung gegeben. Der Umsatz werde sich zwar mehr als halbieren, aber "wir können den Abstieg wirtschaftlich verkraften".

Kommt Mirko Slomka zurück?

Die Zahlen sehen in etwa so aus: Der Etat wird von fast 80 Millionen Euro auf etwa 40 Millionen sinken, womit 96 ein Krösus in Liga zwei wäre. Etliche Spieler werden gehen, Nationaltorwart Ron-Robert Zieler verkündete bereits seinen bevorstehenden Abschied mit Hilfe einer Ausstiegsklausel ("Ich will nicht rumeiern, sondern ehrlich sein"). Dennoch will 96 ein Gerüst bewahren, vor allem Spielmacher Hiroshi Kiyotake soll trotz anderer Angebote mit einigen Zugeständnissen gehalten werden. Wenn Sport-Geschäftsführer Martin Bader das gelingt, hätte er erstmals wieder Pluspunkte bei Kind gesammelt, der Bader wegen dessen missglückter Wintereinkäufe (Almeida, Szalai) intern maßgeblich für den Abstieg verantwortlich macht.

Kinds Unzufriedenheit mit Bader erinnert an dessen Vorgänger Dirk Dufner, der trotz seines bevorstehenden Abschieds im vergangenen Sommer noch den Kader für die Abstiegssaison geplant hatte. Auch diesmal scheint Kind der Mut zu fehlen, den bis 2018 gültigen Vertrag Baders zu kündigen, obwohl er dessen Arbeit offenbar missbilligt. Damit der Geschäftsführer mit dem ebenfalls aus Nürnberg geholten Sportlichen Leiter Christian Möckel nicht noch einmal bei Transfers danebengreift, besteht Kind aber auf der Einstellung eines Sportdirektors - eine Idee, die Bader ziemlich überflüssig findet.

Die Fans lieben Daniel Stendel

Auch bei der Trainerwahl wird Bader womöglich wenig mitreden dürfen. Fast alles spricht dafür, dass der Boss sich entschieden hat, den ehemaligen Europa-League-Coach Mirko Slomka zurückzuholen. Ein Vorhaben, das bei vielen Fans, vorsichtig gesagt, nur bedingt auf Zustimmung stößt. Die Anhänger sind derzeit vernarrt in Aushilfstrainer Daniel Stendel. Der ist als früherer 96-Profi und Nachwuchstrainer eine Art Eigengewächs und konnte dem Team immerhin wieder so viel Energie zuführen, dass es sich nach der kläglichen Thomas-Schaaf-Phase einigermaßen würdevoll aus der Liga verabschiedet. Doch auf die Fans hat Kind noch nie gehört.

Wer ihn weghaben will, müsste wohl klagen. Es gibt zum Beispiel eine Passage im Grundlagenvertrag zwischen der Hannover 96 Sales & Service GmbH & Co. KGaA (also der Investorenseite mit Geschäftsführer Kind) und des Hannover 96 e.V. mit dem Präsidenten Kind. Im Aufsichtsrat sind je zwei Vertreter aus beiden Parteien, aber zwei Stimmen reichen nicht, um den Geschäftsführer der GmbH, also Kind, zu kündigen. Solange bei 96 noch die 50+1-Regel gilt, könnte das anfechtbar sein.

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