Süddeutsche Zeitung

Bundesliga, 9. Spieltag:Entschieden unentschieden

Lesezeit: 3 min

Das B-Team des FC Bayern erkämpft sich beim Hamburger SV ein 0:0, das die Münchner unterschiedlich bewerten. In einer ausgeglichenen Partie hätte die van Gaal-Elf am Ende sogar als Verlierer vom Platz gehen können.

Andreas Burkert

Angst und Schrecken verbreitete der FC Bayern noch einmal kurz vor Schluss, zumindest die jugendlichen Balljungen in der Hamburger Arena schauten eingeschüchtert auf Ivica Olic. Der Münchner Stürmer trug eine Gesichtsmaske, als wolle er für das aktuelle Halloween-Geschäft des Vereins werben. Der Kroate hat halt gerade einen Nasenbeinbruch hinter sich, erstmals stand er wieder im dünnen Kader von Trainer Louis van Gaal, der mit dieser späten Einwechslung ein paar Sekunden gewinnen wollte. Olic musste dann jedoch nicht mehr eingreifen, am Ende hielt das 0:0 im Kampfspiel beim HSV.

Ob die personell angeschlagenen Gäste mit diesem verdienten Punkt gut oder nicht so gut leben können, war am Ende eine spannende Frage. "Ich hatte das Gefühl, dass mehr drin war in diesem Spiel", sagte Trainer Louis van Gaal, "der HSV war in den letzten 15 Minuten körperlich kaputt." Philipp Lahm hatte "eine ordentliche Leistung" gesehen und eine "etwas defensivere Taktik als sonst, die eigentlich auch gut aufgegangen ist". Andererseits vermisste er "bessere Konter im letzten Drittel des Spielfelds". So waren die Bayern in ihrem Urteil am Ende entschieden unentschieden. "Denn wir hätten natürlich auch noch verlieren können", meinte van Gaal und bezog sich auf den Pfostenschuss des HSV-Spielers Jonathan Pitroipa kurz vor Schluss.

Vor dem Spiel hatte der Bayern-Trainer geradezu Ungeheuerliches ausgesprochen. Zum einen verkündete der eigentlich prinzipientreue Sportlehrer, künftig zähle wegen des Punktestands nicht mehr die B-Note, sondern nur noch das Resultat. Zum anderen orakelte van Gaal, es sei durchaus "möglich, dass wir verlieren". Die Option einer Niederlage vorab einzubeziehen in den Lauf der Welt, hat das jemals ein Bayern-Trainer gewagt?

Weltmeister im Ballbesitz

Was auch immer der Trainer mit dieser Strategie des Duckens und Kleinredens im Sinne hatte - seine Spieler hielten sich anfangs tadellos an die Maßgabe. Die Bayern sind ja amtierende Weltmeister in der Kategorie Ballbesitz, aber zunächst tarnten sie sich als graumäusige B-Elf eines Rekordmeisters, die dem Gegner mittels fahriger Spieleröffnung die Initiative überließ. Was die Gäste wirklich im Sinn hatten, erkannten die Hamburger dann aber sicher rasch, denn Müller und Gomez besaßen bei den ersten Tempogegenstößen erstklassige Schusschancen. Müller scheiterte jedoch mit seinem Versuch aus vollem Lauf an Rost (15.) und Gomez nach Müllers Querpass am Talent seines linken Fußes (19.).

Der heftig angefeuerte HSV kam dagegen trotz leichten Übergewichts kaum mit seinem Kombinationsspiel in Strafraumnähe. Einem Schuss von Guerrero (13.) ging ein Querschläger voraus und dem ersten Einsatz von Butt eine Einzelleistung des Volkstribun van Nistelrooy (21.). Erst nach einer halben Stunde wankte das Münchner Abwehrgerüst um den sehr aufmerksamen Aushilfs-Verteidiger Timoschtschuk bedenklich, als der Feinmechaniker Zé Roberto Richtung Strafraum dribbelte und Pitroipa mitnahm. Dessen Hereingabe entschärfte Pranjic in höchster Not vor dem Tor.

Pranjic bereitete van Gaal in diesen Minuten dennoch Sorgen, wegen Trikotzupfens beim flinken Pitroipa sah er früh Gelb, so dass sich bereits Braafheid warmlief - offenbar, um einem möglichen Platzverweis zuvorzukommen. Van Gaals Engpass ist ja schon groß genug, und bei Olic stand sogar die zeitige Rückkehr an, als Gomez nach einem Schubser von Mathijsen im hohen Bogen ins Aus segelte und übel auf dem Rücken landete.

Doch Gomez konnte weitermachen, wie auch Pranjic, dafür gab HSV-Schlussmann Rost das Signal zur vorzeitigen Kapitulation: Nach einem Zusammenprall mit Schweinsteiger hatte er es noch ein Weilchen versucht, doch kurz vor der Pause schlich er vom Feld und machte dem neuen Rivalen Drobny Platz. "Ein gerissenes Band", fürchtete HSV-Trainer Armin Veh noch am Abend. In den Gliedern steckte Rost da neben dem Schmerz der Schreck, den die Bayern mit ihrer besten Chance verbreitet hatten: Nach einem Konter über Altintop und Müller spielte Kroos nicht mehr raus zum Initiator Altintop, sondern zog aus 18 Metern ab. Aber der junge Nationalspieler, vorige Saison in Leverkusen immerhin zehnmal erfolgreich, verpasste freistehend sein erstes Saisontor (41.).

Dürftige Vorstöße über die Außen

In der zweiten Hälfte gaben die Münchner dann mehr und mehr ihre Zurückhaltung auf, vor allem Schweinsteiger riss nun im Zentrum das Spiel an sich. Dürftig gestalteten sich jedoch die Vorstöße über die Außen, zu selten drangen Altintop, Lahm oder Müller bis zur Grundlinie vor. Und ihre Halbfeldflanken verarbeitete die einsame Spitze Gomez schlecht bis gar nicht; wie er wirkten alle Bayern im Abschluss zögerlich.

HSV-Coach Veh reagierte auf den ebenfalls wenig zupackenden Vortrag seiner Männer und ersetzte Guerrero durch Petric. Die beste Schusschance eröffnete sich jedoch van Nistelrooy, doch nachdem Lahm und auch Timoschtschuk ausgespielt waren, entwickelte der Ukrainer erstaunliche Widerstandskräfte - mit einer Grätsche blockte Timoschtschuk den Ball und verhinderte das mögliche 0:1 (63.). Die Führung hatte nach einem Doppelpass mit Petric auch Trochowski auf dem Fuß, doch Butt parierte bravourös (75.). Geschlagen schien der Torwart dann nach Petric' Steilpass auf Pitroipa, der Badstuber davon lief und den Ball am Bayern-Keeper vorbeischob. Das Leder sprang an den Pfosten, Bayern atmete auf - die Ungeheuerlichkeit einer Niederlage blieb ihnen an diesem Abend erspart.

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Quelle:
SZ vom 23.10.2010
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