Bundesliga: 21. Spieltag:Der Dortmunder Sofa-Sieg

Anstatt den Dortmunder Stolperer gegen Schalke zu nutzen, patzen die Verfolger. Leverkusen unterliegt in Nürnberg, Bayern blamiert sich in Köln - und verliert trotz eines 2:0-Vorsprungs und einer zweifelhaften Schiedsrichter-Entscheidung.

Johannes Aumüller

In München ist es seit einer berühmten Äußerung von Karl-Heinz Rummenigge etwas wagemutig, Fußball und Mathematik miteinander zu verknüpfen. Doch derzeit ist das durchaus erlaubt, denn erstens ist Trainer Louis van Gaal ein Verfechter des geometrisch exakt austarierten Spiels. Und zweitens ist zweckoptimistische Herumrechnerei die einzige verbliebene Möglichkeit, doch noch an die Meisterschaft zu glauben, obwohl Borussia Dortmund scheinbar uneinholbar davongezogen ist.

1. FC Köln - Bayern München

Bayern-Torwart Thomas Kraft kassierte drei Gegentreffer.

(Foto: dpa)

Nach dem BVB-Remis gegen Schalke sowie vor dem eigenen Spiel in Köln ging das so: Ein Sieg gegen Köln würde bedeuten, nach dem 21. Spieltag noch zwölf Punkte Rückstand zu haben, was wiederum bedeuten würde, an den vergangenen drei Spieltagen vier Zähler gutgemacht zu haben, was wiederum hochgerechnet bedeuten würde ... Aber so rechneten nicht nur die Münchner, sondern auch die zweitplatzierten Leverkusener. Ein Sieg gegen Nürnberg, und der Abstand würde auf neun Zähler schrumpfen - ging da vielleicht doch noch was?

Nach dem Spieltag ist klar: Diese Fußball-Mathematik für Fortgeschrittene ist endgültig beendet. Denn sowohl der FC Bayern (2:3 in Köln) als auch Bayer Leverkusen (0:1 in Nürnberg) verloren ihre Spiele. Borussia Dortmund, das anfangs wie der mögliche Verlierer des Spieltags aussah und vom Sofa aus um ein Abschmelzen des Vorsprungs hatte bangen müssen, baute seinen Abstand in der Tabelle weiter aus - und Bayern ist mit 15 Zählern Rückstand nur noch Fünfter. "Die in Dortmund müssen sich langsam totlachen", sagte Vorstandschef Rummenigge angesichts der gescheiterten Aufholjagd.

Louis van Gaal ("Wenn man die erste Halbzeit so souverän spielt wie wir, ist es unglaublich, dass wir wieder, und zwar schon zum vierten oder fünften Mal, ein Spiel weggeben") musste auf Arjen Robben und zunächst auch auf Franck Ribéry verzichten - und das war seiner Mannschaft deutlich anzumerken.

Sie agierte in der Anfangsphase fahrig und blieb äußerst harmlos, ließ allerdings auch keine Torchancen des Gegners zu. Zudem hatten die Bayern nach knappen 20 Minuten Glück, dass sie überhaupt zu elft weiterspielen konnten. Denn als ein langer Ball aus der Kölner Hälfte in Richtung Bayern-Tor flog, foulte Innenverteidiger Holger Badstuber seinen Gegenspieler Milivoje Novakovic zwar nicht schwer, aber eindeutig als letzter Mann - und bekam dafür nur Gelb.

Zwei Chancen, zwei Tore

Während die Kölner Spieler und Anhänger sich noch über diese Entscheidung ärgerten, nutzten die Bayern die kurze Verwirrung. Eine Vorarbeit von Thomas Müller brachte Mario Gomez die erste Münchner Tormöglichkeit des Spiels - und der Nationalspieler schloss mit seinem 16. Saisontreffer ab (22.).

Besser wurde das Bayern-Spiel auch nach dem Führungstor nicht, doch anders als in so vielen anderen Partien präsentierten sich die Münchner an diesem Nachmittag äußerst effektiv: Aus halbrechter Position zog Hamit Altintop ab - und der Ball flog, durchaus haltbar für Torwart Michael Rensing, ins Netz (43.). Kurz darauf hatte Mario Gomez nach toller Einzelleistung sogar noch die Chance zum 3:0, doch er vergab.

Der Auftritt war nicht glanzvoll, aber zunächst dennoch souverän - und unterschied sich somit massiv vom Spiel des Rivalen Bayer Leverkusen. Denn die Werkself kam in einer ziemlich hart und ziemlich nervös geführten Partie überhaupt nicht in Schwung. Chancen erblickte in der ersten Hälfte nur derjenige, der Bälle, die fünf Meter über oder neben das Tor fliegen, als Chance betrachtet.

Das änderte sich nach dem Seitenwechsel etwas, doch das war für Leverkusen eine schlechte Nachricht. Denn die Chancen erarbeitete sich nicht der favorisierte Tabellenzweite, sondern der kämpferisch überzeugende 1. FC Nürnberg.

Zunächst versuchte es Julian Schieber mit einem Schlenzer (53.), dann kam Mittelfeldspieler Almog Cohen aus 15 Meter vor René Adler frei zum Schuss (58.) - und als die Leverkusener ihrem Gegner die dritte Chance binnen kürzester Zeit gestatteten, war es um das 0:0 geschehen. Michael Ballack verlor das Kopfballduell gegen Jens Hegeler, und Christian Eigler wuchtete den Ball aus rund 20 Metern ins Netz (61.).

Das war ein Zwischenergebnis, das auch den Bayern gut gefallen konnte, denn damit wäre der Sprung auf den zweiten Tabellenplatz möglich gewesen. Doch noch ehe sich die Münchner mit diesem Gedanken näher beschäftigen konnten, waren sie plötzlich wieder in der eigenen Partie gefordert. Denn die bis dahin so schwachen Kölner steigerten sich gehörig - und diese Leistungssteigerung reichte aus, dass die Bayern wie schon gegen Stuttgart oder Wolfsburg trotz eines Vorsprungs nicht mehr souverän spielten.

Nach 55 Minuten erspähte FCK-Linksverteidiger Christian Eichner eine Lücke im Abwehrverbund des FC Bayern und passte genau zu Christian Clemens, der FCB-Torwart Thomas Kraft umkurvte und zum 1:2 einschob (55.). Und rund zehn Minuten später nutzte Angreifer Novakovic ein ziemliches Durcheinander in der Bayern-Abwehr, um zum 2:2-Ausgleich einzuköpfen.

Auch Ribéry bringt nichts zustande

Wie kann so etwas nur passieren?, schien sich der grimmig blickende van Gaal zu fragen - und sah noch eine letzte Chance: die Einwechslung von Franck Ribéry. Doch der Franzose brachte kaum etwas zustande, stattdessen schockte Köln die Bayern erneut. Wieder verhielt sich die Münchner Abwehr dilettantisch, Novakovic nutzte die Verwirrung und traf zum 3:2. Aus dem sicher geglaubten Sieg war nicht nur ein Unentschieden, sondern sogar eine Niederlage geworden - da half das engagierte Aufbäumen in der Schlussphase ebenso wenig wie das engagierte Aufbäumen der Leverkusener in Nürnberg.

Bayern verlor, Bayer verlor: Wahrscheinlich hatte Karl-Heinz Rummenigge doch recht - und ist Mathematik im Fußball einfach nicht so hilfreich.

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