Bundesliga, 11. Spieltag:Uli Hoeneß braucht das Fernglas

Außer Sichtweite: Nach dem 4:0 in Hannover hat Borussia Dortmund schon zwölf Punkte Vorsprung auf den FC Bayern. Werder Bremen geht 0:6 beim VfB Stuttgart unter, Leverkusen besiegt Kaiserslautern 3:1.

Borussia Dortmund ist bekanntlich sehr heimstark. Mittlerweile aber ist Borussia Dortmund zusätzlich sehr auswärtsstark. Das 4:0 (1:0) bei Hannover 96 bedeutet den sechsten Auswärtssieg der Borussia in Serie. Seit diesem starken Auftritt ist klar: Der Meistertitel geht in diesem Jahr nur über Dortmund. In Abwandlung eines älteren Spruchs von Bayern-Präsident Uli Hoeneß lässt sich sagen: Der BVB ist in der Tabelle nur noch mit dem Fernglas zu sehen. "Die Leistung war sehr gut", räumte Keeper Roman Weidenfeller hinterher ein, wehrte die Favoritenrolle aber noch ab: "Wir spielen eine ganz tolle Saison, aber nicht mehr und nicht weniger."

Shinji Kagawa, Nuri Sahin, Marcel Schmelzer

Spielerisch, leichtfüßig, schön anzusehen: Shinji Kagawa (Mitte) und Nuri Sahin (links) feiern den Führungstreffer in Hannover.

(Foto: AP)

Die Dortmunder begannen, als wollten sie nicht nur ihren Punktevorsprung ausbauen, sondern auch in der Tordifferenz uneinholbar enteilen. Dass sie als Auswärtsmannschaft antraten, war in keiner Sekunde zu sehen; das Team agierte selbstbewusst und druckvoll. Bereits nach zwei Minuten spielte Nuri Sahin den agilen Kevin Großkreutz frei, der stand jedoch einige Zentimeter im Abseits. Aber wie Sahin das wieder gemacht hatte: umsichtig, schnell, technisch überragend. Seine Entwicklung zum Spielmacher ist rundum beeindruckend.

Es erschien dann auch ganz selbstverständlich, dass er es war, der die Führung einleitete. Scharf passte Sahin zu Shinji Kagawa an den Strafraum, es war ein Quarterback-Pass, wie man ihn im American Football sieht, hart, schneidend, millimetergenau. Kagawa lief mit dem Ball an der Strafraumgrenze entlang, und als er lange genug gelaufen war, schoss er mit dem linken Fuß flach ins rechte Eck. Es lief die elfte Minute, und die Zuschauer in der Arena hatten nun allen Grund, das Schlimmste zu befürchten. Dortmund war eine Klasse besser.

In den folgenden 20 Minuten vergaben Lucas Barrios, Kagawa, Lukasz Piszczek gute Möglichkeiten, immer wieder war es Sahin, der seine Mitspieler einsetzte. Dann begannen die Hannoveraner vorsichtig, mitzuspielen. Moritz Stoppelkamp schoss nach einer halben Stunde aus 17 Metern rechts am Tor vorbei, zehn Minuten später schoss Didier Ya Konan aus 16 Metern über das Tor, nach dem er Mats Hummels hatte stehenlassen. Diese Szenen gaben den Hannoveranern Auftrieb. Aus der Pause kamen sie als verändertes Team. Nicht nur personell - Stürmer Mikael Forssel war für Mohammed Abdellaoue gekommen -, sondern auch, was Einstellung und Spielfreude anging. Es war nun eine ausgeglichene Partie. Nach einer knappen Stunde war 96-Trainer Mirko Slomka gezwungen, noch mehr zu wagen, für den verletzten Stoppelkamp wechselte er DaMarcus Beasley ein, einen Stürmer. Hannover wollte jetzt alles, und dass es am Ende nichts und noch weniger wurde, lag an zwei Szenen.

Die erste zeigte mal wieder, was für ein exzellenter Torjäger Lucas Barrios ist. Nach einer Flanke gelang es ihm, den Fuß zwischen zwei Hannoveraner Abwehrspielern an den Ball zu bringen. Im Grunde war da kein Platz, im Grunde war alles unter Kontrolle, aber mit dieser schnellen, kleinen Bewegung erzielte Barrios den zweiten Dortmunder Treffer in der 71. Minute.

Endgültig verloren hatte Hannover nach der zweiten entscheidenden Szene: Karim Haggui trat in der 77. Minute im Strafraum gegen den am Boden liegenden Jakub Blaszczykowski nach. Haggui sah Rot, und dass Sahin den fälligen Elfmeter vergab gegen Torwart Fromlowitz, war den 96ern auch kein Trost. "Das war völlig unnötig, der Ball war schon lange weg. Die rote Karte und der Strafstoß waren die richtige Entscheidung", zürnte Slomka.

Wenige Minuten später erzielte der eingewechselte Robert Lewandowski das 0:3 (81.). Er hatte die Kombination, die zum Tor führte, selbst mit einem Hackentrick eingeleitet, und es spricht für die große Qualität des Dortmunder Kaders, dass für einen solchen Spieler kein Platz in der Anfangsformation ist. Dazu passt, dass es ein weiterer Auswechselspieler war, der den Schlusspunkt setzte: Blaszczykowski jagte den Ball am Ende eines Konters zum 4:0 ins Netz (90.+1).

Desolate Bremer

So orientierungslos hat man Werder Bremen schon lange nicht mehr gesehen: Der VfB Stuttgart hat sich mit einem Kantersieg aus der Abstiegszone befreit und Bremen die höchste Pleite seit 23 Jahren zugefügt. Die Mannschaft von Trainer Jens Keller bezwang die defensiv völlig indisponierten Norddeutschen dank einer starken Offensivleistung und Toren von Ciprian Marica (10.), Cacau (31., 45.), Christian Gentner (68.), Georg Niedermeier (73.) und Arthur Boka (86.) mit 6:0 (3:0). Eine derartiges Debakel kassierte Bremen zuletzt 21. März 1987 daheim mit dem 1:7 gegen Borussia Mönchengladbach.

"Wir haben alles umgesetzt, was der Trainer uns gesagt hat, und alle Torchancen reingemacht. Kampfgeist, Wille und Leidenschaft waren der Schlüssel", sagte der Stuttgarter Timo Gebhart. Während die befreit agierenden Schwaben nach dem dritten Sieg im elften Saisonspiel mit jetzt zehn Punkten als 14. den Anschluss ans untere Mittelfeld fanden, stagnieren die Bremer mit weiter 14 Zählern im Graubereich der Liga.

Werder kassierte die vierte Pflichtspiel-Pleite in Folge und hat mit 27 Gegentreffern die zweitschlechteste Abwehr. Werder-Kapitän Torsten Frings hatte den zwischenzeitlichen Ausgleich zum 1:1 auf dem Fuß, scheiterte aber per Foulelfmeter an VfB-Torwart Sven Ulreich (24.). Auch Cacau scheiterte mit einem Foulelfmeter am starken Bremer Nationaltorhüter Tim Wiese (61.).

Vor 39.500 Zuschauern auf der Baustelle Mercedes-Benz-Arena entwickelte sich zwischen den stark ersatzgeschwächten Mannschaften - Stuttgart fehlten sieben, Werder sechs Profis - ein sehr unterhaltsames Spiel. Der VfB hatte deutliche Vorteile, weil der überragende Gebhart über rechts mit dem unglücklichen Mikael Silvestre machte, was er wollte. Werder hatte zwar auch seine Chancen, meist bei Standards. Insgesamt war es jedoch allein dem zurückgekehrten Torhüter Wiese zu verdanken, dass das Spiel nicht schon früher entschieden war. "Wenn man es dem Gegner so leicht macht, kann man keine Spiele gewinnen. Wir müssen aufstehen und endlich zeigen, was wir können", sagte Werder-Manager Klaus Allofs.

Schon das 1:0 war sehenswert: Gebhardt zog mit schnellem Antritt von der rechten Mittelfeldseite nach innen, ließ vier Bremer stehen, und passte zu Marica, der aus 14 Metern von halbrechts vollendete. Nur fünf Minuten später verhinderte Wiese gegen Marica das mögliche 0:2. Nach einer Traum-Kombination über Gebhart und Marica kam der Ball zu Cacau, der aus etwa neun Metern zum 3:0 einschoss. In der zweiten Hälfte nahm das Bremer Unheil seinen Lauf.

Sam trifft doppelt

Bayer Leverkusen hat seinen Bundesliga-Heimkomplex abgelegt und nach einer perfekten Woche den Sprung auf einen Champions-League-Platz geschafft. Die Elf von Trainer Jupp Heynckes besiegte nicht zuletzt dank einer starken Vorstellung des Ex-Lauteres Sidney Sam den 1. FC Kaiserslautern 3:1 (1:1) und rückte nach dem dritten Pflichtspiel-Erfolg in neun Tagen auf den dritten Tabellenplatz vor.

Für die Leverkusener war es ein fast schon seltenes Erfolgserlebnis in der BayArena, nachdem es in den letzten acht Bundesliga-Heimspielen nur zwei Siege gegeben hatte. Der FCK befindet sich dagegen nach der fünften Auswärts-Niederlage in Folge weiter im Tabellenkeller. Vor 29.794 Zuschauern brachte Florian Dick die Pfälzer mit einem fulminanten 25-Meter-Schuss in Führung (15.), doch ausgerechnet der Ex-Lauterer Sidney Sam schaffte noch vor der Pause den Ausgleich (38.).

Im zweiten Durchgang schoss der eingewechselte Patrick Helmes (68.) Bayer in Führung, ehe erneut Sam in der 84. Minute mit einem unglaublichen Schuss aus 25 Metern den Erfolg perfekt machte. "Mein zweites Tor war natürlich ein Traumtor. Ich bin auf einem guten Weg", sagte Sam. Drei Tage nach dem mühevollen 1:0 gegen Aris Saloniki präsentierten sich die Leverkusener wie ausgewechselt. Agressiv in den Zweikämpfen und mit viel Laufbereitschaft setzte Bayer den FCK von Beginn an unter Druck. Die Schwachstelle blieb aber die Hintermannschaft, die bei den schnell vorgetragenen Kontern der Pfälzer alles andere als sicher stand.

Nach der Leverkusener Drangphase kam der FCK nach einer Viertelstunde erstmals vor das Bayer-Tor, und daraus resultierte auch der glückliche Führungstreffer. Nach einem abgeblockten Freistoß von Alexander Bugera setzte Dick den Ball mit einem fulminanten Schuss aus gut 25 Metern in die Maschen. Dick war im Vergleich zum 3:0 gegen Borussia Mönchengladbach in der Vorwoche für Oliver Kirch ins Team gerückt.

Die Leverkusener zeigten sich vom Rückstand aber nur wenig geschockt und erspielten sich eine Reihe von guten Möglichkeiten. Zweimal Sam (20. und 23.), der zu Saisonbeginn für 2,2 Millionen Euro vom Betzenberg an den Rhein gewechselt war, sowie Arturo Vidal (34.) und Manuel Friedrich (35.) vergaben beste Möglichkeiten, ehe schließlich doch Sam mit einem Schuss von der Strafraumgrenze traf.

Auch in der zweiten Halbzeit war Bayer die tonangebende Mannschaft und kam durch Tranquillo Barnetta (55. und 58.) zu weiteren Torchancen. In der 68. Minute war es dann aber doch passiert. Nach Flanke von Renato Augusto brauchte Helmes den Ball nur noch über die Linie zu drücken. Erwin Hoffer hatte zehn Minuten vor dem Abpfiff noch eine hervorragende Möglichkeit, er scheiterte aber an Nationaltorwart Adler. Dann machte Sam, der den Ball aus 24 Metern in den Torwinkel schoss, für Bayer gegen seinen Ex-Klub aber alles klar. Lauterns Trainer Marco Kurz kritisierte: "Die Leistung hat nicht annähernd gereicht, um hier einen Punkt mitzunehmen. Wir haben hochverdient verloren."

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