Süddeutsche Zeitung

Bundesliga: 1. FC Köln:Soldo packt die Koffer

Nach sechs Spielen ohne Sieg trennt sich der 1. FC Köln von seinem Trainer Zvonimir Soldo und vertraut im DFB-Pokal gegen 1860 München auf U23-Coach Schaefer. Zunächst hatte es um die Entlassung noch große Verwirrung gegeben.

Jörg Marwedel

Der Mann, der schon über 1444 Fußballspiele im Fernsehen berichtet hat und vermutlich bei über hundert Trainerentlassungen Spalier stand, konnte in der Halbzeit der Partie von Hannover 96 und dem 1. FC Köln offenbar frohe Kunde für den Kölner Coach Zvonimir Soldo überbringen. Nein, sagte da der Rentner Rolf Töpperwien, der seinem Hobby inzwischen als Hörfunkreporter beim Norddeutschen Rundfunk nachgeht, Soldo habe auch nach der sechsten Niederlage im neunten Spiel nichts zu befürchten. Das habe ihm, der in der Liga ja jeden kennt und deshalb auch schon Wolfgang Overath gesprochen hatte, der FC-Präsident versichert.

Das Vertrauen Töpperwiens in den großen Regisseur der sechziger und siebziger Jahre war etwas voreilig. Am Sonntagnachmittag entließ der 1.FC Köln nach längerer Krisensitzung seinen Trainer - als Folge des 1:2 in Hannover. Es ist bereits die zweite Trennung in dieser Liga-Spielzeit nach Christian Gross, der unlängst den VfB Stuttgart verließ. Soldo hatte das Amt im Sommer 2009 von Christoph Daum übernommen. Nun hieß es in einer Erklärung: "Vorstand und Geschäftsführung des 1. FC Köln haben die Entscheidung gemeinsam nach einer eingehenden Analyse getroffen." Frank Schaefer, U23-Trainer des Klubs, übernimmt die Leitung des Trainings und wird das Team im Pokalspiel am Dienstag gegen 1860 München betreuen.

Es war schon auffällig, wie allein der Trainer nach der Partie in Hannover plötzlich war. Overath, der gemeinsam mit dem Team im ICE nach Hannover gefahren war und im Hotel noch eine Motivationsrede gehalten hatte ("Jeder muss für den anderen da sein"), war längst auf der Rückreise. Manager Michael Meier, der erst gar nicht mehr herauskommen wollte aus der Kabine, meinte gequält: "Heute ist es besser, zu schweigen."

Soldo ganz allein

Auch Lukas Podolski, der kürzlich in einem Interview ein fehlendes Konzept von Klubführung und Trainer angesprochen hatte, wollte sich nicht äußern: "Nee, nee, es gibt genug andere, die dazu etwas sagen sollen", meinte der Nationalspieler. Er ahnte wohl, was kommt. Und der bisherige Stammtorwart Faryd Mondragon hatte, nachdem ihm Soldo erklärte, er werde auch in Hannover nur auf der Bank sitzen, es vorgezogen, auf diese Schmach zu verzichten. Er fühlte sich unwohl und fuhr gar nicht erst mit.

Selbst der Präsidenten-Darsteller Overath klang später nicht mehr so, wie er es am Donnerstag in einer Erklärung des Vorstands ("Es gibt positive Signale. Wir müssen versuchen, gemeinsam da raus zu kommen") noch behauptet hatte. Am Samstagabend sagte er schon: "Es ist sehr enttäuschend. Wir werden uns jetzt Gedanken machen und eine Nacht darüber schlafen." Vielleicht hatten ihn neben den gerade mal fünf Punkten doch die weiteren Plakate der Fans ("Soldo raus und Meier auch"), die einhergingen mit Gesängen wie: "Ihr macht den FC kaputt", nachdenklich gemacht.

Am nächsten Morgen aber leitete Soldo noch das Training. Der Flurfunk hingegen sendete schon Zeichen, Overath werde am Nachmittag die Trennung von Soldo mitteilen. Und auch Soldo war längst darauf eingestellt. Am Mittag sagte er, in diesem Geschäft müsse man auf alles vorbereitet sein: "Als Trainer muss dein Koffer immer gepackt sein."

Immer auf gepackten Koffern

Es gibt nicht wenige in Köln, die allein eine Ablösung des 42-jährigen Kroaten nicht für ausreichend halten. Und wenn sie auch das Idol Overath weitgehend ausnehmen, der Manager Meier hat inzwischen einen ähnlich guten Leumund wie zuletzt in Dortmund, wo er Schulden in Rekordhöhe hinterließ.

Die Kölner Führungslosigkeit lässt sich nicht nur am Schuldenstand und dem Konzept, das in erster Linie darin besteht, Podolski heimgeholt zu haben, beschreiben. Über Podolskis Interview hat sich der Vorstand zwar aufgeregt, gesprochen wurde mit ihm aber nicht. Mit Mondragon, der sich in einer FC-Pressekonferenz darüber beklagte, dass er beim FC so "hinterhältig wie Jesus" behandelt worden sei, sprach danach offenbar nur Soldo. Der Trainer wiederum schien auch nicht mehr zu wissen, was er in der angespannten Lage tun solle. Erst trainierte er vergangene Woche das Angriffspiel mit zwei Spitzen (Podolski und Milivoje Novakovic), um dann den zuletzt ausgebooteten Torjäger Novakovic doch erst nach der Pause einzusetzen.

Da war fast schon alles wieder gegen den FC gelaufen. Auch, weil man es nicht schaffte, erstklassige Außenverteidiger zu verpflichten. Diesmal gab links der langsame Brasilianer Andrezinho dem Hannoveraner Konstantin Rausch so viel Raum, dass dieser gefährliche Flanken in Serie schlagen konnte. Im Grunde müsste der 1. FC Köln von oben bis unten saniert werden.

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Quelle:
SZ vom 25.10.2010/jbe
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