Bundesliga: 1. FC Köln:"Ich will mich nicht manipulieren lassen"

Trainer Frank Schaefer über seine 21 Jahre beim 1. FC Köln, das Drei-Punkte-Programm für Stürmer Lukas Podolski, Manipulationen durch Berater - und die Einheit am Rosenmontag.

Philipp Selldorf

SZ: Herr Schaefer, zum Anfang ein kleines Quiz: Wie hieß der deutsche Bundeskanzler, als Sie ihr erstes Traineramt beim 1. FC Köln übernahmen? Hieß er A Konrad Adenauer, B Helmut Schmidt, C Helmut Kohl oder D Angela Merkel?

1899 Hoffenheim - 1. FC Köln

Ist seit 21 Jahren beim 1. FC Köln: Trainer Frank Schäfer.

(Foto: dpa)

Frank Schaefer: Das war wohl Helmut Kohl. Adenauer - so alt sehe ich hoffentlich nicht aus. Merkel: Da war ich Jugendtrainer in Leverkusen. Und Schmidt? Die Wende war 1982, und in dem Jahr habe ich angefangen. Also Kohl.

SZ: Die Wende war im September '82.

Schaefer: Okay, dann also Schmidt. Ich weiß es genau, für Daten habe ich eine Art fotografisches Gedächtnis: Anfang August habe ich meine ersten Trainingseinheiten beim FC geleitet.

SZ: Damals waren Sie 18 Jahre alt. Wie hat es angefangen?

Schaefer: Ich hatte beim 1. FC Köln sämtliche Stationen in den Jugendteams durchlaufen, mit sehr viel Ehrgeiz und Engagement. Aber ich war Torwart und hatte nie eine Chance, Profi zu werden, weil ich zu klein war. Meine Begeisterung war trotzdem groß, und bis in die U19 hatte ich es immerhin geschafft. Dann kam jedoch eine komplizierte Verletzung, ein Kahnbeinbruch, und Christoph Daum, der damals mein Trainer und Jugendchef beim FC war, hat mir das Training der B 3 übertragen.

SZ: Die B 3 war die dritte B-Jugend-Mannschaft?

Schaefer: Ja. Das war schon ein besonderes Entree. Diese Mannschaft hatte ihre Daseins-Berechtigung eigentlich nur dadurch, dass die Spieler samstags im Stadion die Balljungen waren. Sportlich hatten die ein stiefmütterliches Dasein, und als ich dann angefangen habe mit Ernährungsplänen und allem Drum und Dran, haben die ganz erstaunt geguckt. Aber irgendwann haben die Feuer gefangen - und ich habe gemerkt, dass man über diese Schiene viel erreichen kann.

SZ: Ein frühes Aha-Erlebnis?

Schaefer: Schon. Am Anfang haben die gemotzt. Das waren sie nicht gewohnt, und ich auch nicht. Ich kam ja aus dem Leistungsbereich, ich hatte immer in den ersten Mannschaften gespielt. Wenn dann ein Spieler zu mir kam und gesagt hat, dass er am Samstag nicht spielen kann, weil die Oma Geburtstag hat, dann habe ich gedacht, der will mich verarschen. Aber irgendwann haben sie mich verstanden und wir haben eine gute Saison gespielt. Und dann kam der Verein auf mich zu und hat mich zu den jüngeren Mannschaften geschickt. E-Jugend, D-Jugend, C-Jugend - alle Etagen.

SZ: War das bereits ein Beruf, der Ihren Unterhalt finanzierte?

Schaefer: Mein erstes Gehalt waren 70 Mark. Pro Monat. Aber ich weiß noch genau: Der erste Scheck kam nicht. Da bin ich zu Daum gegangen und habe ihm gesagt: "Es ist mir fast unangenehm zu sagen - aber ich hab mein Geld noch nicht bekommen." Bei der nächsten Abrechnung wurden dann 140 Mark überwiesen. Ansonsten war die Konstellation einfach günstig: Ich war Kölner, konnte bei den Eltern wohnen und bekam von ihnen unheimlich viel Unterstützung. Ich habe Sport studiert, aber eigentlich war ich fast jeden Tag am Geißbockheim. Morgens um neun Uhr war ich da, abends um neun bin ich gegangen. Ich habe das gemacht und gelebt wie ein Hauptamtler. Und nach dem Gewinn der deutschen B-Jugendmeisterschaft - übrigens der letzte Titel, den der 1. FC Köln gewonnen hat -, hat mir der Verein ermöglicht, den Schein als Fußballlehrer zu machen.

SZ: Wann war das?

Schaefer: 1990. Christoph Daum saß beim Finale auf der Tribüne - obwohl er gerade beim FC entlassen worden war. Jedenfalls: Danach wurde ich hauptamtlich angestellt.

"Ich will meine Werte verwirklichen"

SZ: Sie verdienen also seit 21 Jahren Ihr Geld als Fußballtrainer. Und jetzt sind Sie hier der Chef der Profis, "der richtige Mann am richtigen Ort", wie der neue Sportdirektor Volker Finke befand. Hat er recht?

Schaefer: Ich denke schon. Dazu muss ich sagen, dass ich mit Zvonimir Soldo und speziell Michael Henke sehr gut zusammengearbeitet habe. Und es war sehr wichtig, dass nach Soldo/Henke jemand kommt, der die Mannschaft gut kennt, der den Klub kennt und nicht bei null anfängt. Man hat gesehen: Wir hatten in den ersten Wochen, in denen es Rückschläge gab, einen Bonus.

SZ: Leute, die Sie besser kennen, sagen: "Auf diese Chance hat Frank Schaefer jahrelang gewartet."

Schaefer: Das kann man nicht so sagen. Ich lasse Entwicklungen auf mich zukommen, das ist ein Grundsatz von mir. Ich manipuliere sie nicht. Für mich ist wichtig, dass ich authentisch sein kann, dass ich keine Rolle spielen muss, ich will meine Werte verwirklichen. Und ich hatte auch als Trainer der U 23 des 1.FCKöln einen der 75 besten Trainerjobs in Deutschland.

SZ: Jetzt haben Sie einen der 18 besten Trainerjobs und werden für Ihre Arbeit ständig von berühmten Kollegen gelobt. Von Männern wie Ralf Rangnick, Jupp Heynckes oder Robin Dutt, und nun auch vom Bundestrainer Joachim Löw. Wie halten Sie das aus? Da fehlt ja nur noch Franz Beckenbauer.

Schaefer: Der kennt mich nicht. Ja, wie empfinde ich das? Ich bin da vorsichtig. Ich unterscheide zwischen den Leuten, die mich kennen und die Situation hier einschätzen können, und denen, die mich eben nicht kennen. Und in Köln muss man sowieso sehr vorsichtig sein: Hier wird schnell Personenkult betrieben. Ich bin eher ein Teamplayer, mir ist die interne Wirkung wichtiger als die öffentliche.

SZ: Aber Sie wollen nicht leugnen, dass Sie etwas bewegt haben.

Schaefer: Klar, 24 Punkte aus 15 Spielen sind kein Zufall. Die Mannschaft hat gezeigt, dass sie unter Druck reagieren, und dass sie gut Fußball spielen kann. Wir hatten hier ja auch schon Endzeitstimmung, nach dem 0:4 gegen Gladbach zum Beispiel, und dem Pokal-Aus gegen Duisburg. Aber es wäre wirklich der größte Fehler, wenn wir jetzt glauben würden, dass wir den Abstiegskampf bestanden hätten.

SZ: Wenn man über den 1. FC Köln spricht, muss man über Lukas Podolski sprechen. Wir erleben ja gerade die Fusion der beiden Podolski-Modelle: Er hat sein sportliches Doppelleben aufgegeben, im Klub spielt er mittlerweile so gut wie in der Nationalelf. Haben Sie ihm das vermittelt?

Schaefer: Ich glaube schon, dass wir daran einen großen Anteil haben. Dafür ist der Unterschied zwischen vorher und nachher einfach zu krass. Das muss man einfach sagen - er ist ja richtig explodiert in den letzten vier Monaten. Aber man muss es auch erklären. Es gibt da drei Punkte: Erst mal ist es so, dass Lukas ein sehr sensibler Spieler ist, er ist nicht so, wie er öffentlich wahrgenommen wird. Er ist sehr sensibel und stellt für jeden Trainer eine große Herausforderung dar, weil er stark von Stimmungen lebt. Und er ist ein Spieler, der den Trainer sehr viel Energie kostet - er ist es aber zu 1000 Prozent wert, dass man diese Energie für ihn einsetzt.

SZ: Das ist der erste Punkt.

Schaefer: Der zweite Punkt ist der, dass es für ihn nicht einfach war im ersten Jahr seiner Rückkehr. Er musste feststellen, dass es da eine große Diskrepanz gab zwischen dem, was er erwartet hatte und dem, was er vorgefunden hat. Er fühlte sich unwohl. Das war sichtbar.

SZ: Und der dritte Punkt?

Schaefer: Da muss ich über Taktik reden. Als ich eingestiegen bin, habe ich gesagt - und das gilt auch weiterhin: Die größte Herausforderung dieses Kaders ist die Balance zwischen Defensive und Offensive. Konkret: Wie baust du Poldi und Nova (Milivoje Novakovic; Anm. d. Red.) ein? Soldo hat entschieden: Beide zusammen in der zentralen Position geht nicht. Seine Antwort darauf war, dass Lukas entweder im linken Mittelfeld spielt. Oder in der Spitze - und damit war Nova draußen.

"Dann haue ich dazwischen"

SZ: Als Sie Ende Oktober kamen, war Novakovic draußen. Sie haben ihn sofort wieder eingesetzt. Ein Grundsatzbeschluss?

Schaefer: Mir war klar, dass es nur diesen Weg geben konnte. Mit den beiden als Tandemspitze, mit Nova als Neuner und Lukas als Neuneinhalber. Es ging einfach darum, diese Individualisten in eine Ordnung und ins Kollektiv einzufügen. Taktisch bleibt das zwar ein Ringen: Ich weiß um die Gefahren, und ich weiß, dass sich die Gefahren noch oft genug zeigen werden. Aber ich weiß auch, dass wir mehr Gewinn durch diese Konstellation haben. Lukas hat zehn Saisontore, Nova neun, sie waren zusammen an 28 Toren beteiligt. Da ist die Aussicht auf Gewinn größer als das Risiko. Und für Lukas ist es ein guter Schritt in der Entwicklung, dass seine Leistung im Verein nun auch mit der in der Nationalmannschaft übereinstimmt.

SZ: Fühlen Sie sich einer bestimmten Trainerschule zugehörig?

Schaefer: Es gibt kein Trainervorbild oder so etwas, mir geht es um die Spielidee. Mein Credo ist: Wer gut verteidigt, greift auch gut an. Mannschaften wie Dortmund, Mainz oder die Nationalmannschaft machen das vor. Es geht darum, Aggressivität und Aktivität in die Grundhaltung aufzunehmen. Wenn du lethargisch verteidigst, wirst du auch lethargisch angreifen.

SZ: Gerade weil der Stil, den Sie dem FC vermittelt haben, den modernen Mustern von Kollegen wie Jürgen Klopp, Thomas Tuchel oder Joachim Löw entspricht, fragen sich viele in Köln, warum der Klub Sie nicht längst mit einem Vertrag für die nächste Saison ausgestattet hat. Also: Warum?

Schaefer: Wir haben hier ein ganz spezielles Verhältnis und eine ganz spezielle Vertrauenssituation. Wir wollen hier Schritt für Schritt gehen. Es geht darum, den Abstieg zu verhindern, das ist meine Mission, darauf bin ich fixiert - und wenn wir das geschafft haben, dann können wir uns zusammensetzen. Damit kann ich sehr gut leben. Ich brauche für mich nicht mehr Sicherheit, als zu wissen, dass wir gleich ein gutes Training haben werden. So bin ich gestrickt.

SZ: Haben Sie einen Agenten, der Ihre Sache vertritt?

Schaefer: Nein.

SZ: Sie verdienen weniger Geld als alle anderen Bundesligatrainer. Wollen Sie nicht Ferrari fahren?

Schaefer: Ich weiß, worauf Sie hinauswollen. Und ich weiß auch, dass es eine neue Trainergeneration gibt, die von Agenten gesteuert und geführt wird. Für mich ist das nichts. Ich will mich nicht manipulieren lassen, ich brauche keine Berater, die mir irgendwas erzählen. Aber wenn ich das Gefühl haben sollte, dass die Haltung, die ich habe, irgendwie ausgenutzt wird - dann haue ich dazwischen.

SZ: Es ist höchste Karnevalszeit in Köln. Welchen Einfluss hat das auf Ihre Arbeit?

Schaefer: Aus Trainersicht einen störenden. Du musst dich mit Themen beschäftigen, die uninteressant sind. Wer geht wo wann hin? Wird an Rosenmontag trainiert? Ich bin zwar Kölner und feiere auch gern Karneval, aber für mich wäre es das größte Fest, wenn wir am 14. Mai den Klassenerhalt erreicht haben sollten. Dann fallen Weiberfastnacht und Rosenmontag auf einen Tag.

SZ: Und wenn die Mannschaft am Freitag in Dortmund punkten, vielleicht gewinnen sollte - verzichten Sie dann aufs Training an Rosenmontag?

Schaefer: Man soll als Trainer nicht zu früh irgendwelche Aussagen machen. Die Emotion und die Stimmungslage, damit muss man arbeiten. Aber wir haben auch nächsten Freitag wieder ein Spiel. Gehen Sie davon aus, dass wir an Rosenmontag auf jeden Fall trainieren werden.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: