Buchkritik zu Philipp Lahms Biographie:Viel Lärm um ein leises Werk

Die Passagen aus Philipp Lahms Biographie "Der feine Unterschied" haben für Streit mit sämtlichen ehemaligen Trainern gesorgt. Dabei ist es weniger ein Skandalbuch als Lahms persönlicher Leitfaden für eine Vorzeigekarriere. Es gab schon weit überflüssigere Sportlerbücher.

Holger Gertz

Wer nach dem beachtlichen Getöse das Buch des Fußballspielers Philipp Lahm in der Hoffnung liest, mit weiteren sogenannten Schmähungen versorgt zu werden, dürfte enttäuscht sein. Das Werk mit dem Titel Der feine Unterschied ist keine Abrechnung, es enthält wenig Enthüllendes. Es ist eigentlich ein leises Buch.

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Philipp Lahms Biographie Der feine Unterschied hat sogar einen gewissen Nutzwert.

(Foto: Christof Stache/AFP)

Für den Vorabdruck in der Bild-Zeitung sind alle Spurenelemente zusammengekratzt worden, die sich irgendwie skandalisieren lassen. Das hat funktioniert, wie man sieht: Der leicht entflammbare Rudi Völler ist sofort entflammt, obwohl im Buch - wenn man ehrlich ist - auch nicht viel mehr drinsteht als das, was zu Völlers Teamchef-Zeiten schon an den Ergebnissen der Nationalmannschaft abzulesen war: Man ließ es damals schon mal etwas lockerer angehen.

Das angebliche Skandalbuch - aufgezeichnet hat das Ganze übrigens der Journalist Christian Seiler - ist eine Art Autobiographie des Fußballers Lahm. Weil Lahm natürlich weiß, dass die x-te Biographie eines Jungmenschen allein nichts Besonderes ist, hat er sie mit einem gewissen Nutzwert veredelt: "Wie man heute Spitzenfußballer wird" lautet der Untertitel.

Das Buch kann also auch gelesen werden als Fibel, als Leitfaden für angehende Profifußballer. Lahm, dem ja dauernd bescheinigt wird, eine Bilderbuchkarriere hingelegt zu haben, gibt Talenten, die es machen wollen wie er, einige Ratschläge.

Während er in dem Buch in Wahrheit nur selten Trainer kritisiert - das Bashing findet allenfalls am Rande statt -, kritisiert er sehr entschieden das Geschäft als solches. "Deine Probleme löst du besser außerhalb der Mannschaft, mit Menschen, denen du vertraust."

Er nennt die Profis "moderne Gladiatoren", er schreibt: "Die Männer auf dem Feld sollen ihre Leistung bringen, den Gegner fertig machen und dann siegreich nach Hause gehen." Exakt das ist es, was die Fans von ihren Idolen erwarten, und es gehört zu den Verdiensten des Buches, dass der Fußball nicht billig romantisiert wird wie in den zusammengestoppelten Texten älterer Fußballer.

Lahm wappnet sich gegen das Absaufen

Die gesammelten Erinnerungen Uwe Seelers trugen den Titel: Danke Fußball. So gesehen ist natürlich das Buch von Lahm - erschienen beim renommierten Kunstmann-Verlag - ein Schritt in die richtige Richtung.

Der inzwischen verheiratete Lahm erzählt, wie man mit dem Gerücht lebt, schwul zu sein, was man gegen das Gerede tun kann und was eben nicht. Er schreibt über sein Verhältnis zu den Medien: "Wenn du dich ganz verweigerst, wird Öffentlichkeit gegen deinen Willen stattfinden."

Es klingt alles ziemlich abgeklärt und unromantisch, Lahm ist ein verbindlicher Mann, in Wahrheit ist er ein Profi. Nur so kann man es schaffen. Lahm ist geschmeidig, er kennt den Zeitpunkt, wann er mit der SZ oder dem Spiegel reden muss, aber auch die Boulevardmedien sind nicht sein Gegner.

Er ist einer der Prominenten, die für Bild auf Plakaten in der Stadt werben, er hat sich damit nicht nur Freunde gemacht. Aber, Lahm schreibt in dem Buch, dass man absäuft, wenn man sich nicht wappnet gegen die Albträume eines Traumlebens, wie er es führt.

Es hat überflüssigere Fußballer-Bücher gegeben, viele waren schlicht nicht lesbar, weil es niemandem etwas bringt, wenn er erfährt, wie ein Dauerpubertierender wie Stefan Effenberg die Welt sieht. Lahm liefert in seinem Buch einen kleinen Beitrag zum großen Thema "Die Welt als Bühne", er spricht in den letzten Kapiteln viel von Reife, von Erfahrungen, aus denen einer lernen kann. So gesehen werden die kommenden Wochen sehr lehreich sein für Philipp Lahm.

Philipp Lahm mit Christian Seiler: Der feine Unterschied: Wie man heute Spitzenfußballer wird, 19,90 Euro; erscheint am 29. August.

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