Süddeutsche Zeitung

Brutale Attacke auf Tottenham-Fans:Italien ist entsetzt über offenbar antisemitischen Überfall

Lesezeit: 3 min

Die Attacke auf englische Fans in Rom vor dem Europa-League-Spiel Lazio gegen Tottenham hat offenbar einen antisemitischen Hintergrund. Lazio-Hooligans sollen gemeinsam mit Anhängern des AS Rom den blutigen Überfall mit zehn Verletzten geplant haben.

Der brutale Überfall auf Fans des englischen Fußballklub Tottenham Hotspur in Rom vor dem Europa-League-Spiel gegen Lazio hatte offenbar einen antisemitischen Hintergrund. Die Polizei nahm zwei Hooligans des AS Rom fest. Sie sollen den blutigen Überfall mit zehn Verletzten zusammen mit gleichgesinnten Fanklub-Mitgliedern von Lazio geplant haben. Wie italienische Medien am Freitag berichteten, wird ihnen versuchter Mord vorgeworfen. Insgesamt werde bereits gegen 15 der rund 30 maskierten Angreifer ermittelt.

Den Ermittlungen der italienischen Behörden zufolge war die Attacke in einem Lokal am Campo de' Fiori kein üblicher Zwischenfall mit radikalen Lazio-Gruppen vor der Europacup-Partie gegen Tottenham (0:0) am Donnerstagabend. Vielmehr habe es sich um einen gezielten antisemitischen Angriff verschiedener römischer Gruppen auf die Tottenham-Anhänger gehandelt, die sich selbst in der Tradion eines jüdischen Klubs verstehen. Die Fans von Tottenham nennen sich selbst "Yid Army", wobei die Bezeichnung "Yid" für Jude eigentlich einem Schimpfwort gleichkommt. Deshalb gab es zuletzt sogar Debatten in England, ob die Tottenham-Fans sich selbst so nennen und das auch lautstark in den Stadien kundtun dürfen.

Das Stadion an der White Hard Lane von Tottenham lag einst in einem jüdisch-dominierten Stadtteil von London, heute ist die Gegend eher multiethnisch geprägt. Auch die Zahl der Tottenham-Fans mit jüdischem Glauben dürfte sehr gering sein. Dennoch pflegen die Anhänger die jüdischen Traditionen des Klubs.

Lazio-Präsident Claudio Lotito betonte, dass der Klub und seine echten Fans nichts mit dem Übergriff zu tun hatten. Er verurteilte die Attacke ebenso "aufs Schärfste", so wie Italiens Fußballverbandspräsident Giancarlo Abete und Roms Bürgermeister Gianni Alemanno. "Das war ein schrecklicher Überfall einer Bande von Verrückten und Kriminellen", sagte Alemanno. Er kündigte an, dass die Stadt in einem Prozess gegen die Angreifer als Nebenkläger auftreten werde.

Der römische Rabbiner Riccardo De Segni sprach von "Barbarei". Er betonte jedoch auch, dass "der Sport nur zum Vorwand genommen wird, um Krieg zu führen". Die italienischen Zeitungen verurteilten die Tat am Freitag: Die Gazzetta dello Sport titelte "Schande!". Der Corriere dello Sport schrieb von einem "rassistischen Wahnsinn in Rom".

In der Nacht vor dem Spiel hatte eine Gruppe von rund 30 maskierten Gewalttätern die Tottenham-Anhänger im Lokal "Drunken Ship" in der Innenstadt von Rom überfallen. Die Angreifer verletzten zehn Fans, ein Engländer musste wegen mehrerer Stichwunden behandelt werden. Er schwebte nach Angaben der Ärzte nicht in Lebensgefahr. Insgesamt wurden sieben Verletzte in Krankenhäuser eingeliefert, das Lokal wurde völlig verwüstet.

Auch während des Europa-League-Spiels kam es zu antisemitischen Ausschreitungen. Nach zehn Minuten begannen Lazio-Fans in ihrer Curva Nord in deutscher Sprache "Juden Tottenham, Juden Tottenham" zu skandieren. Es wurde ein Plakat enthüllt mit der Aufschrift "Free Palestine" - Freies Palästina.

Seit Jahren hat Lazio Rom ein Problem mit faschistischen Gruppen unter seinen Fans. In Erinnerung ist etwa der Profi Paolo Di Canio, der 2005 ungeniert im Stadion nach Toren den faschistischen Gruß mit ausgestrecktem Arm zeigte.

In England herrscht Entsetzen ob des Überfalls auf die Londoner Fußballfans. In den Medien wird detailliert beschrieben, wie die maskierten Angreifer mit Messern, Baseball-Schlägern, Axt-Griffen, Schlagringen und Eisenstangen auf die friedlich singenden Engländer losgingen. Auf der Internetseite tottenhamjournal.co.uk beschreibt ein Augenzeuge den Vorfall. Demnach warfen die Gewalttäter gegen ein Uhr morgens eine Gasbombe in die Bar und starteten ihren Angriff. Die britische Botschaft in Rom wartet auf einen Bericht der italienischen Behörden, auch das britische Außenministerium gab bekannt, dass es die Entwicklungen aufmerksam verfolgen wolle.

David Lammy, Mitglied des britischen Parlaments für den Wahlkreis London-Tottenham twitterte: "Jedes Mal, wenn ein Klub aus der englischen Premier League in Rom spielt, gibt es eine Messerstecherei. Und immer wird versprochen, dass sich die Dinge ändern, doch nichts geschieht."

Das Fußballspiel endete 0:0, die Römer sind damit in die Zwischenrunde der Europa League eingezogen. Der deutsche Stürmer Miroslav Klose fehlte wegen einer Sprunggelenksverletzung. Vor dem Spiel wurde der frühere englische Nationalspieler Paus Gascoigne bejubelt, der für beide Klubs aktiv war. Lazio Rom muss wegen der antisemitischen Kundgebungen im Stadion mit einer Strafe des europäischen Fußball-Verbands Uefa rechnen.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.1531060
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
dpa/SZ.de
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.