Bruno Labbadia beim HSV:Plötzlich wieder gut genug

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Nach fünf Jahren Pause wieder beim HSV: Bruno Labbadia. (Foto: AP)
  • Bruno Labbadia ist zwar erst seit drei Spielen Trainer des Hamburger SV, hat aber schon viel erreicht. Vor dem Spiel gegen Freiburg gibt es Hoffnung, dass der Verein im Abstiegskampf besteht.
  • Vor fünf Jahren hat der HSV Labbadia als Trainer entlassen. Heute funktionieren dessen Motivationstricks wieder verblüffend gut.

Von Carsten Eberts

Die Stimmung im Umfeld des Hamburger SV ist geradezu trefflich. Das oftmals witzige Boulevardblatt Mopo hat dieser Tage ein sehr aussagekräftiges Ranking veröffentlicht, das ausschließlich die vergangenen beiden Spieltage der Fußball-Bundesliga berücksichtigt. Frankfurt ist darin Letzter, die Bayern nur Zehnter, der SC Paderborn auf Rang fünf.

Ganz vorne steht, mit sechs Punkten und 5:3-Toren, der Hamburger SV.

Bei der Suche nach demjenigen, der für den Stimmungsumschwung verantwortlich ist, würde wohl auch ein bebrillter Mensch im Alter von Uwe Seeler mit 14 Dioptrin fündig werden: Es ist Bruno Labbadia, der neue Coach, der zwar erst seit drei Spielen da ist, aber mehr bewirkt hat als - grob geschätzt - sämtliche 23 Hamburger Übungsleiter vor ihm.

Drei Spiele hat Labbadia absolviert, heraussprangen zwei Siege gegen deutlich besser platzierte Vereine, gegen Augsburg und in Mainz. Jeder hatte ja gewusst, dass auf den HSV in dieser Saison noch einige Endspiele zukommen würden, doch es ist Labbadia geschuldet, dass das erste Spiel mit Entscheidungscharakter nun bereits am 32. Spieltag gegen den SC Freiburg ansteht: Drei Runden vor Schluss würde ein Sieg gegen den direkten Konkurrenten zwar nicht die rechnerische Rettung bedeuten, aber eine Art Pole Position für die verbleibenden zwei Spieltage. Mit 34 Punkten wäre der Absturz auf einen direkten Abstiegsplatz fortan unwahrscheinlich, bei vier Punkten Vorsprung auf Freiburg und mindestens vier auf den VfB Stuttgart.

Sogar Effenberg lobt Labbadia

In der Zeit vor Labbadia war an solch eine Chance überhaupt nicht zu denken. "Da haben sie den richtigen Mann engagiert", urteilt deshalb Stefan Effenberg, der gebürtige Hamburger, der sonst so gerne motzt. Der 49-Jährige sei "hoch motiviert" und strahle "diesen unbedingten Willen aus". Der HSV werde sich retten, so sein Urteil: dank Labbadia.

Labbadias neues Standing verwundert, denn er schien eigentlich fertig zu sein mit diesem Klub. Kurzer Blick zurück, in die Saison 2009/10: Der Coach hatte ein schwieriges, von Klubchef Bernd Hoffmann angestacheltes Team ins Halbfinale der Europa League geführt, doch in der Liga drohte der Absturz ins Mittelfeld. Zu wenig für Hoffmann, schwuppdiwupp war Labbadia abgelöst. Besser wurde es danach nicht, doch niemand weinte Labbadia lange nach.

Nun ist er plötzlich wieder gut genug - und sich selbst nicht zu schade, sein Werk in der Stadt, in der er 1987 als Spieler seine Bundesliga-Karriere begann, zu vollenden. Labbadia sitzt bei der Medienrunde vor dem Freiburg-Spiel im einfachen Trainingsshirt da und will die aufkommende Euphorie erst einmal bremsen. Also spricht er über das Wetter. "Wir sind in einem Wolkenbruch hier reingekommen", sagt er über seinen neuen, alten Klub, "nun haben wir ein bisschen Sonnenschein. Doch der Himmel kann sich ganz leicht wieder verfärben."

Sonnenschein dank Labbadia? Der gebürtige Darmstädter ist als Übungsleiter bekannt, der seine Mannschaften kurzfristig zu Erfolgen führt, und eher Probleme hat, ein Team langfristig zu führen. Ähnlich war es damals beim HSV, bis Hoffmann ihn rausschmiss. Zuvor auch in Leverkusen, anschließend in Stuttgart, wo er stets stark begann - nach nicht allzu langer Zeit aber gehen musste.

Diese Kurzfristigkeit genügt dem HSV derzeit völlig. "Das Mentale ist in dieser Situation mit das Schwierigste", weiß Labbadia: "Der eine braucht einen Tritt, der andere muss gestreichelt werden." Er dämpft die Erwartungen, mahnt und warnt. Autoritätsprobleme hat er in Hamburg nicht, auch das unterscheidet ihn von einigen seiner Vorgänger. Überhaupt ist der Eindruck, viele seien erleichtert, dass nach einem Nachwuchscoach (Joe Zinnbauer) und einem Sportchef (Peter Knäbel) endlich wieder ein gestandener Erstligatrainer auf der Bank sitzt.

Ein paar von Labbadias Motivationskniffen haben bislang gut gegriffen. Einer davon: Fast alle Spieler, die im Sommer eigentlich gehen sollten, spielen plötzlich wieder eine Rolle. Wie Gojko Kacar, der während seiner fünf Jahren beim HSV so oft als ausgemustert galt, dass man beim Zählen nicht hinterherkommt. Gegen Mainz durfte Kacar in der Startelf ran, im Mittelfeld neben Rafael van der Vaart (der ebenfalls gehen soll). Der Serbe dankte seinem Trainer für das Vertrauen, erzielte drei Minuten vor Schluss das siegbringende 2:1. Und spricht seitdem in höchsten Tönen von seinem Trainer.

Lasogga trifft wieder

Ein anderer Fall ist Pierre-Michel Lasogga, der zuletzt so unglückliche Angreifer des Klubs. Sehr zeitig nach Amtsantritt suchte der frühere Stürmer Labbadia das Gespräch mit Lasogga, machte ihm klar, dass er von nun an voll auf ihn setze. "Ich musste Pierre hinkriegen", sagt Labbadia. Und Lasogga, der gegen Augsburg prompt doppelt traf, fühlt sich gebraucht. "Wir haben einfach wieder Spaß", sagt der Angreifer.

Das Stadion wird gegen Freiburg am Freitagabend ausverkauft sein. Man habe dem Umfeld "den Glauben wiedergegeben", erklärt Labbadia. Zwar muss er gegen Freiburg auf Nicolai Müller verzichten, für den die Spielzeit bereits beendet ist, auch bei Ivo Ilicevic wird es knapp. Doch Labbadia lamentiert nicht. Er beschäftigt sich lieber mit dem Wetterbericht. Ein Sieg gegen Freiburg und für den HSV gäbe es bis Saisonende sehr wahrscheinlich nur noch Sonnenschein - auch wenn das in einer Stadt wie Hamburg wirklich schwer vorstellbar ist.

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