British Open in Nordirland:"Eine riesige Sache für das Land"

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Schief, wellig und küstennah: Der Platz in Portrush, auf dem sich Rory McIlroy (im Bild) daheim fühlt. (Foto: Stuart Franklin/Getty)
  • Erstmals seit 68 Jahren findet die British Open wieder in Nordirland statt.
  • 215 000 Tickets wurden verkauft. Damit wird quasi jeder zehnte Bewohner Nordirlands von Donnerstag bis Sonntag bei dem Turnier anwesend sein.
  • Bei der Ausrichtung schwingt eine sehr politische Note mit. Das hat mit der Vergangenheit und dem Schicksal des Gastgeberlands zu tun.

Von Gerald Kleffmann, Portrush/München

Wie immer zu solchen Anlässen gibt es viel zu kaufen. Die Kappe für 25 Pfund, der Klassiker für jeden Fan. Oder: Handtücher, Polohemden, Ballmarker, Mützen. Wer es originell mag, kann eine gelbe Flagge erstehen oder eine Sonnenbrille namens "Henrik Stenson Eyewear", die 275 Pfund kostet, 304 Euro. Kein Mensch behauptet ja noch, The Open Championship - in Deutschland bekannt als die British Open - sei günstig; natürlich ist manches sogar fast unbezahlbar. Eine Eintrittskarte zum Beispiel. Die gibt es nämlich nicht mehr. Nicht im Internet, nicht in einem der obligatorischen Büdchen entlang der Sicherheitsabsperrungen. Bei 215 000 Tickets haben die Veranstalter, die zumeist älteren Herren des "Royal and Ancient Golf Club of St Andrews", kurz R&A, den Zustrom gedeckelt.

Wahrscheinlich hätten sie diesmal eine halbe Million Menschen mühelos auf die Anlage gebracht, aber auch so sind die Zahlen beeindruckend: Quasi jeder zehnte Bewohner Nordirlands wird von Donnerstag bis Sonntag auf den schiefen, welligen, ständig die Richtung ändernden Dunluce Links im Royal Portrush Golf Club entlangpilgern. 1951, vor 68 Jahren, wurde dort, an der Nordküste der Insel, zum bis dato einzigen Mal das einzige europäische Major-Turnier ausgerichtet, 300 Pfund erhielt damals der Sieger, der Engländer Max Faulkner. Es war im Übrigen auch das einzige Mal, dass die British Open nicht in England oder in Schottland ausgetragen wurden. "Dass das Event wieder hier stattfindet, ist eine riesige Sache für das Land", betonte Rory McIlroy am Mittwoch, er ordnete das nicht nur golfhistorisch ein. Eine sehr politische Note schwingt diesmal bei der Ausrichtung mit. Das hat mit der Vergangenheit und dem Schicksal des Gastgeberlands zu tun.

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Der 30 Jahre währende Nordirlandkonflikt, der Glaubenskrieg, der 3500 Todesopfer forderte und die Nation zerriss, führte auch den Golfsport in die Isolation. Unversöhnlich und zu jeder Art von Gewalt bereit standen sich die Lager von Protestanten und Katholiken gegenüber. Auch wenn der Konflikt 1998 durch einen Waffenstillstand beendet werden konnte, ist diese Zeit noch nah genug, um den 30 Jahre alten McIlroy danach befragen zu können. Die McIlroys hatten auch Opfer zu betrauern, 1972 war Rorys Onkel Joseph ermordet worden. Explizit zu diesem tragischen Schicksal hat McIlroy zwar nicht Stellung genommen, zumal er selbst, wie er betonte, nichts direkt mitbekommen habe von Gräueltaten seinerzeit.

"Dass das Turnier hier nun ansteht, spricht Bände"

In Holywood, einem Städtchen außerhalb Belfasts wuchs er auf, durchaus behütet angesichts der Umstände. Am Mittwoch erzählte er die Begebenheit, wie er einmal als Teenager einen Film über den Nordirlandkonflikt gesehen und seine Eltern gefragt habe: "Ist das so passiert?" Das Bewusstsein, dass seine Heimat dieses düstere Kapitel erlitt und, wenngleich übersät mit Wunden, überwunden hat, ist zweifellos in McIlroy vorhanden. "Dass das Turnier hier nun ansteht, spricht Bände und zeigt, wie sich das Land entwickelt hat", sagte er stolz. McIlroy will seine Teilnahme genießen, allerdings hob er hervor, dass er das letzte Major in diesem Jahr wie jede Open Championship betrachte und angehe - von Erfolg war sein Plan allerdings nicht gekrönt, vielmehr sorgte McIlroy am Donnerstag für einen Schock, verlor bereits auf dem ersten Loch vier Schläge und kam letztendlich mit fünf Schlägen über Par wieder ins Clubhaus, was seine Sieges-Ambitionen bereits frühzeitig beendete.

Ein sportpolitischer Kraftakt war nötig, um die British Open nahe Portrush, einem Seebad mit 6000 Bewohnern, ausrichten zu dürfen. Da spielte es zunächst keine Rolle, dass Nordirland im Grunde golfbegeistert ist. Es ging darum, Vertrauen zurückzugewinnen und zu belegen, dass die British Open, der Goldesel des R&A, dort in jedem Bereich funktioniert, vornehmlich im monetären. In einem Gespräch mit dem US-Sportsender ESPN schilderte Wilma Erskine, die Managerin des Royal Portrush Golf Club, den mühsamen Weg bis zum Zuschlag. Der frühere R&A-Vorsitzende Peter Dawson etwa habe sich massiv für die Idee eingesetzt, Nordirland aus der Open-Championship-Isolation zu holen. Als die Irish Open, ein Turnier der European Tour, 2012 in Portrush stattfand und die Massen friedlich und begeistert eine Party zelebrierten, war das wie ein bestandener Testlauf. 2014 wurde der "ultimative Traum" wahr, wie es Erskine nennt: Der vergessene Major-Schauplatz wurde vom R&A als Spielort der British Open 2019 auserkoren.

Geholfen hat dabei, dass drei Nordiren Major-Turniere gewonnen haben in diesem Jahrtausend, neben dem viermaligen Sieger McIlroy noch Graeme McDowell (US Open 2010) und Darren Clarke (2011 British Open), der am Donnerstag um 6.35 Uhr Ortszeit den ersten Abschlag ausführte und im Gegensatz zu McIlroy das Heimpublikum mit einer Runde von 71 Schlägen beglückte; einziger Deutscher ist der Amateur Matthias Schmid aus Herzogenaurach, der sich als Sieger der Amateur-EM qualifizierte. Ganz Nordirland nimmt Anteil an dem Ereignis, was sich aber auch geografisch erklären lässt. "Du kannst von Nord nach Süd in eineinhalb Stunden fahren und von Ost nach West in zwei Stunden", erinnerte McDowell daran, wie klein seine Heimat ist. Umso stolzer trug er vor: "Wir sind gesegnet mit großartigen Golfplätzen." Wie dem in Portrush, dem bedeutsame Tage bevorstehen: das größte Sportereignis, das Nordirland tatsächlich je erlebt hat.

© SZ vom 18.07.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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