Breno verlässt den FC Bayern:Wohin, das weiß nur Justitia

Der brasilianische Verteidiger Breno verlässt nach vier freudlosen Jahren den FC Bayern. Ob es den Fußballer zu einem anderen europäischen Klub verschlägt oder doch zurück in die Heimat, darüber kann er gar nicht selbst entscheiden. Seine Zukunft liegt in den Händen der Münchner Strafjustiz.

Thomas Kistner und Susi Wimmer

Vinicius Rodrigues Borges ist nicht zu fassen. Vier Jahre, länger als mancher gestandene Profi, war der Kicker mit Künstlernamen Breno beim deutschen Rekordmeister unter Vertrag, sein Potential hat er in dieser Zeit nie entwickelt. Am Dienstagabend wurde er am Rande der Geschäftspartie des FC Bayern gegen die niederländische Auswahl mit Blumen verabschiedet.

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Im Abseits: Verteidiger Breno (links), hier beim Einzeltraining mit einem Bayern-Physiotherapeuten - ein typisches Bild.

(Foto: AFP)

Wohin? Das weiß nur Justitia. Über Brenos Zukunft befindet die 12. Strafkammer am Münchner Landgericht, die sich von Juni an mit dem spektakulärsten Auftritt des Bayern-Brasilianers befassen muss: Der soll im Vorjahr sein Haus in Grünwald angezündet haben, ihm drohen bis zu 15 Jahre Haft. Der Abschied aus München ist vorläufig ein sportlicher, auf freiem Fuß ist Breno derzeit unter Auflagen.

Die diffuse Sachlage wird nicht erleichtert durch allerlei Meldungen aus der Fußballbranche, nach denen sich Breno weitgehend einig sei mit Lazio Rom; der Wechsel soll im Sommer erfolgen. Aber nicht nur Lazio interessiert sich offenbar für ihn. Wie die SZ erfuhr, sollen auch Vertreter von Inter Mailand und eines spanischen Erstliga-Vereins bei der Münchner Justiz wegen des anstehenden Prozesses gegen Breno vorgefühlt haben. So steht und fällt nun alles mit dem Ausgang des Strafverfahrens.

Am 13. Juni, 9 Uhr, beginnt im Strafjustizzentrum München die Verhandlung gegen Breno; die Anklage lautet auf schwere Brandstiftung. Der 22-Jährige soll am 20. September 2011 sein angemietetes Domizil in Grünwald an mehreren Stellen in Brand gesetzt haben. Laut Anklageschrift verwendete "der alkoholisierte Angeschuldigte vermutlich Feuerzeuge sowie einen unbekannten Brandbeschleuniger, zum Beispiel Alkohol oder Benzin". Als die Freiwillige Feuerwehr Grünwald Minuten später eintraf, brannte die eine Million Euro teure Villa lichterloh. Auch die Garage des Nachbarn wurde in Mitleidenschaft gezogen.

In jener Nacht war Brenos Manager aus Brasilien zu Besuch, auch Frau und Kinder befanden sich im Haus. Offenbar ging es dramatisch zu, irgendwann flüchteten Frau und Kinder zu Bekannten, der Manager hatte das Haus ebenfalls verlassen. Breno soll durch Grünwald geirrt sein, mit 1,6 Promille Alkohol im Blut. Tage später kam er in Untersuchungshaft und wenig später unter strengen Auflagen wieder frei. Der FC Bayern blätterte 500.000 Euro Kaution auf den Tisch.

Bislang hat Breno zur Tatnacht eisern geschwiegen. Zehn Prozesstage sind angesetzt, der letzte für 17. Juli. Dabei geht die Justiz jedoch von einem "schweigenden Angeklagten" aus. Sollte es gleich zu Beginn ein umfassendes Geständnis geben, so heißt es, könnte der Prozess schon Ende Juni beendet sein. Das wiederum könnte für die weitere Karriere des Kickers erheblich sein: Würde bis Ende Juni geurteilt und käme er mit einer Bewährungsstrafe davon, dürfte Breno vom 1. Juli an für einen neuen Klub auflaufen.

Das Gesetz sieht für schwere Brandstiftung eine Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu maximal 15 Jahren vor. Das Urteil wird dem Vernehmen nach auch davon abhängen, wie ein Psychiater den Spieler bei der Verhandlung begutachtet - und wie es um die Schadensregelung gegenüber den Eigentümern der Villa steht.

Alltagssorgen schüchterner Naturen

Von all den Irrtümern, die es im Menschenverkehrs-Gewerbe Profifußball gibt, war aus Bayern-Sicht die Verpflichtung Brenos anno 2008 wohl der größte. Nicht nur, weil dafür stolze zwölf Millionen Euro an den FC Sao Paulo überwiesen wurden, und nicht nur wegen des Grünwalder Flammeninfernos: Der Innenverteidiger kam nie an im Münchner Starensemble. Zwar ist es nicht so, dass sich die Bayern besondere Verdienste erworben hätten im Hinblick auf die Integration von Spielern aus anderen Kulturkreisen.

Die Pflege der Seelennöte und Alltagssorgen schüchterner Naturen obliegt hier öfter mal Dolmetschern oder Physiotherapeuten. So war es auch bei Breno, der als 18-Jähriger mit Familie und nur einem Jahr Berufserfahrung ins Auslandabenteuer aufbrach. Was sich aber anders als in den meisten Vergleichsfällen entwickelte, war, dass er nie Zugang in die inneren Zirkel des Arbeitgebers fand. Er war häufig verletzt, weshalb er es in vier Jahren auf nur 21 Pflichtspiele brachte. Auch kehrte er gern mäßig austrainiert aus dem Urlaub zurück oder wurde, in der Dauerrolle des Edelreservisten, mit praller Pommes-Tüte auf der Tribüne gesichtet. Einerseits.

Andererseits hat Breno binnen weniger Monate 2010 überzeugend dargelegt, dass er ein starker Abwehrspieler auf Bundesliga-Niveau sein kann. Die Zeit verbrachte er jedoch als Leihgabe beim 1. FC Nürnberg; auch von dort kehrte er mit einer Hypothek ins südliche Bayern zurück: Kreuzbandriss, monatelange Pause.

Dass er sich bereits kreuzunglücklich fühlte, geht aus einem Fauxpas hervor, den er sich im März 2011 leistete. Gerade waren die Bayern an Inter Mailand in der Champions League gescheitert, da twitterte er: "Es ist Zeit, zur besten Mannschaft der Welt zurückzukehren. Das ist der FC São Paulo." Zehn Monate später musste Breno erneut zum Rapport, wieder hatte er über sein Gefühlsleben beim Arbeitgeber getwittert: "Bayern macht eine Sauerei mit mir."

Es hat nie gepasst. Sollte Justitia ihm gewogen sein, ist keineswegs sicher, dass Breno wirklich irgendwo im Süden Europas anheuert; der Mann ohne Führerschein, der auf die Chauffeursdienste der Gattin vertraut. Schon Anfang Mai war ein Team des brasilianischen Senders Rede Record nach München gereist - für eine Story, die sich mit der Heimkehr des verlorenen Sohnes zum FC São Paulo befasst.

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