Bremer 2:1 gegen Leverkusen:Werders Stürmer Manneh träumt von Ibrahimovic

Werder Bremen - Bayer 04 Leverkusen

Held des Abends: Ousman Manneh jubelt nach seinem Tor zum 2:1.

(Foto: Carmen Jaspersen/dpa)

Von Frank Hellmann, Bremen

Als fünfte Jahreszeit gelten in Bremen jene zwei Wochen, in denen auf der Bürgerweide der Freimarkt läuft. Um das größte Volksfest des Nordens, am Freitag in seine 981. Auflage gestartet, macht kaum ein Bewohner einen Bogen. Seine Anziehungskraft übersteigt sogar die Signalwirkung, die der SV Werder für diese Stadt besitzt. In guten Zeiten waren Heimspiele der Grün-Weißen zur Freimarktszeit vor allem deshalb etwas Besonderes, weil sich die Freudenstimmung aus dem Weserstadion problemlos zu den Fahrgeschäften, Getränkebuden und Treffpunkten wie dem Hansezelt transportieren ließ.

Das Bundesligaspiel gegen Bayer Leverkusen hat mal wieder getaugt, die Werder-Fans pünktlich zum "Ischa-Freimarkt"-Auftakt in Feierlaune zu versetzen: Die Bremer bezwangen am Samstagabend Bayer Leverkusen nach einem kämpferischen Kraftakt nicht unverdient mit 2:1 (1:1). Tore von Zlatko Junuzovic (13.) und Ousman Manneh (60.) beim zwischenzeitlichen Ausgleich von Hakan Calhanoglu (27.) sorgten für eine besondere Atmosphäre an der Weser, wobei der siebte Spieltag durchaus als das bisherige Meisterstück des neuen Trainers Alexander Nouri gelten muss.

Alexander Nouri gelingt ein besserer Start als einst Otto Rehhagel

Mit sieben Punkten aus seinen ersten vier Spielen ist der 37-Jährige sogar besser als einst Otto Rehhagel in Bremen gestartet. "Ich freue mich für die Menschen und für die Stadt. Wir haben unheimlich viel Herz und Leidenschaft gezeigt. Wir werden weiter beharrlich arbeiten und bescheiden bleiben", versprach Nouri, der verriet, dass er nicht auf den Freimarkt feiern wird. "Ich werde das vermutlich zu Hause genießen", sagte er schmunzelnd.

Der Deutsch-Iraner hat in Windeseile bei Werder die richtigen Knöpfe betätigt - gegenüber den irritierenden Zeiten unter Viktor Skripnik wirkt das Team wie verwandelt. "Ich habe versucht, die Spieler mitzunehmen und viel Verantwortung übertragen." Darüber hinaus habe er "sehr viele Gespräche geführt" - und offenbar nimmt die Mannschaft diese Worte an. Keiner symbolisierte besser die Wiederaufstehung als Siegtorschütze Manneh, der erst vor zwei Jahren aus Gambia nach Deutschland geflüchtet ist. Der aus der eigenen U 23 hochgezogene 19-Jährige ist die Trumpfkarte, die Nouri von der ersten Partie unter seiner Regie ausspielte - er gilt als wichtigster Förderer eines jungen Mannes, der zwar nicht über die Umstände seiner Flucht aus der Diktatur reden möchte, aber kürzlich erzählte, er möchte mal so gut zu werden wie Robin van Persie oder Zlatan Ibrahimovic.

Manneh telefoniert täglich mit der Mutter: "Sie versteht nicht viel von Fußball"

"Ich bin unheimlich happy, das jetzt zu genießen", meinte Manneh, dem in dieser Begegnung kein Weg zu weit gewesen war. "Seitdem ich hier bin, ist alles, was ich machen möchte, Fußball zu spielen." Manneh berichtete fast schüchtern von seinem emotionalen Ausnahmezustand: "Ich kann nicht glauben, was gerade passiert." Täglich telefoniere er derzeit mit seiner Mutter, "sie versteht nur leider nicht so viel vom Fußball." Dabei grinste er glücklich.

Manneh erfüllt sich mit dem Tor einen Kindheitstraum

Der im Schnelldurchgang bei den Profis integrierte 1,89-Meter-Schlaks, der als lernwilliger, sympathischer Charakter bezeichnet wird, traf nach einer Stunde nach einem kurz ausgeführten Freistoß, nachdem der Schussversuch von Junuzovic abgeblockt wurde - am Elfmeterpunkt vollstreckte die Nummer 47 geistesgegenwärtig. In diesem Moment hatte sich ein Kindheitstraum erfüllt. Auch die Macher vom Werder-Stadionmagazin hatten den Matchwinner wohl vorausgeahnt und ihm die Titelgeschichte gewidmet. "Für ihn freue ich mich ganz besonders, weil er unheimlich viel arbeitet, sich immer aufreibt für das Team", sagte Nouri. "Wir dürfen bei dem jungen Mann den Druck nicht zu groß werden lassen. Ich empfehle da eine gewisse Gelassenheit."

Die Hanseaten starteten unter seiner Anleitung zunächst überaus elanvoll. Vor allem über die Flügel durch den unter Vorgänger Viktor Skripnik eigentlich schon abgeschriebenen Izet Hajrovic und den flotten Flügelmann Serge Gnabry sollte die Werkself in Verlegenheit gebracht werden, was in der Anfangsphase auch erstaunlich gut gelang. Hajrovic setzte sich auf dem rechten Flügel durch und passte in der Mitte zu Manneh, der in dieser Szene bereits sein erstes Bundesligator hätte erzielen müssen, doch Bayer-Torwart Bernd Leno parierte stark - den Nachschuss setzte allerdings Junuzovic in die Maschen (13.).

Mit dem stürmisch bejubelten Führungstreffer zog sich Werder zurück - und verlor Minute um Minute mehr die Kontrolle in einer zunehmend einseitigen Begegnung. Zeitweise rief das spielerisch klar überlegende Bayer-Team einen wahren Belagerungszustand am Bremer Strafraum aus. Der Lohn für das geduldige Anrennen blieb nicht aus: Nach Flanke des wieder einmal starken Kevin Kampl köpfte Calhanoglu freistehend das 1:1 (27.). Auch in der Folgezeit blieben die Gäste am Drücker. Die Bremer, die kurz vor der Pause noch Gnabry durch eine Rückenverletzung verloren, waren mit diesem Pausenstand überaus gut bedient. Daher umso irritierender, dass Leverkusen nach dem Wechsel stark nachließ.

Die Leistungsschwankunen nerven Leverkusens Protragonisten

Entsprechend ungehalten war denn auch Trainer Roger Schmidt: "Werder hat verdient gewonnen, weil sie in den entscheidenden Situationen galliger und entschlossener waren. Wir dürfen uns dann nicht wundern." Den neuerlichen Nackenschlag fand der Coach "unnötig wie unsere Niederlagen in Frankfurt und Gladbach." Die Schwankungen unter dem Bayer-Kreuz bleiben diese Saison ein ständiger Begleiter - und das nervt die Protagonisten.

"Wir müssen uns das selbst ankreiden. Die fehlende Entschlossenheit hat uns das Genick gebrochen. Wir haben vorne zu wenig investiert und hinten zwei blöde Gegentore bekommen", erklärte der in Bremen geborene Julian Brandt, der an diesem Abend wie die meisten Kollegen irgendwie gehemmt wirkte. "Wir haben nicht alles vermissen lassen", ergänzte Torwart Bernd Leno, "aber wir haben uns einschläfern lassen." Höchste Zeit, um aufzuwachen: Die Werkself bestreitet schließlich bereits am Dienstag das Champions-League-Heimspiel gegen Tottenham Hotspur.

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