Werder Bremen:Die Chöre singen für Pizarro

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Die Werder-Fans feierten den 40-jährigen Claudio Pizarro, der dem Verein noch ein weiteres Jahr erhalten bleiben wird. (Foto: Patrik Stollarz/AFP)
  • Claudio Pizarro hat sich entschieden: Er bleibt doch noch bei Werder Bremen.
  • Zum Saisonabschluss zeigt Bremens Stürmer einmal mehr, dass man auch mit 40 Jahren noch Tore schießen kann.

Von Ralf Wiegand, Bremen

Der Höhepunkt des letzten Saisonspiels im Bremer Weserstadion lag acht Minuten vor dem Anpfiff. Um 15.22 Uhr hatte der Stadionsprecher gerade die Startelf des SV Werder für die Partie gegen Leipzig durchgesagt und kam zu den Ersatzspielern, als das Routineprogramm auf der Videowand unterbrochen und eine "frohe Botschaft" angekündigt wurde. Dann sprach Claudio Pizarro leibhaftig von der Großbildwand und sagte, er bleibe noch ein Jahr. Jubel, Gänsehaut - und die Chöre sangen für ihn.

Der älteste Bundesligaspieler der Gegenwart, der älteste Bundesliga-Torschütze aller bisheriger Zeiten, der jüngste 40-jährige des Profifußballs, er ist das verlässlichste Gegenmittel für schlechte Laune, sollte sich die in dieser insgesamt gelungenen Saison in Bremen überhaupt einmal breit gemacht haben. Augenblicke vor Pizarros Wort zum Wochenende hatte Max Kruse seinen Abschied bekommen, freundlichen Applaus, vereinzelte Pfiffe. Nach drei Jahren und einem offenkundig unerfreulichen Vertragspoker am Ende dieser kleinen Ära war Kruse, im letzten Jahr Kapitän der Bremer, schneller Geschichte, als das letzte Spiel vorbei war: Wer sonst in diesem Dauermärchen hätte gegen Leipzig das Siegtor schießen sollen als: Claudio Pizarro (88. Minute).

Die letzten beiden Spiele hatten die Bremer schon ohne den verletzten Kruse gewonnen, Trainer Florian Kohfeldt hatte am Freitag sehr gelassen auf den Abschied des besten Werder-Spielers der letzten Jahre reagiert. Es ergäben sich nun neue Möglichkeiten, sagte der Trainer, er hätte sich aber auch Konstellationen vorstellen können, unter denen "ich mich gefreut hätte, wenn Kruse geblieben wäre".

Professionell würden es die einen nennen, kühl die anderen. In Bremen herrscht die Ansicht, dass Werder nicht bereit war, dem 31-jährigen, nicht als Fitnessfanatiker bekannten Kruse langfristig als Topverdiener zu vertrauen.

Zeit, um in der aktuellen Mannschaft die Zukunft zu suchen

Werder gewann also auch gegen den Pokalfinalisten RB Leipzig noch einmal mit 2:1 (1:0), verbesserte sich noch auf Platz acht mit 53 Punkten, die in den letzten sechs Jahren immer für die Europa League gereicht hätte. "Es war trotzdem eine gute Saison", sagte Johannes Eggestein später, einer jener Spieler, auf dem die Bremer Hoffnungen für die Zukunft ruhen. Dramatik aber hatte dieser Spieltag für Werder nicht mehr - zu klar waren die Ergebnisse auf den anderen Plätzen, wo Wolfsburg und Hoffenheim früh führten und einer von ihnen sicher Europacup-Platz sieben blockieren würde.

In Bremen war daher Zeit genug, um in der aktuellen Mannschaft - die schon ohne den verletzten Kruse antrat - die Zukunft zu suchen. Ganz sicher dürfte sie Milot Rashica heißen, der seine rasante Entwicklung in dieser Saison mit dem Führungstor per Elfmeter gegen Leipzig veredelte. Leipzig vergab 20 Minuten später einen Handelfmeter, weil Bruma über das Tor schoss. In der 86. Minute glich Mukiele aus, als Präludium für Claudio Pizarro.

Der Gäste-Trainer Ralf Rangnick gewährte in Bremen interessante Einblicke in die Tiefe seines Kaders, den er in allen Facetten auch jenen Interessierten vorführte, die mit dem Personal des Tabellendritten nicht so vertraut sind. Neun Spieler schonte Rangnick für das Pokal-Endspiel am kommenden Samstag, eine Handvoll davon passte noch auf die Bank, wie Sabitzer, Forsberg, Poulsen, Orban oder Klostermann, andere wie Werner oder Towart Gulacsi waren gar nicht im Kader.

Hätte sich Werder dadurch noch auf Platz sieben gerobbt, Rangnick wäre hinsichtlich der Frage nach einem fairen Wettbewerb zu vernehmen gewesen - als Angeklagter. Er ließ Cunha und Laimer spielen, Haidara und Mvgovo. Das Videostudium können sich die Bayern schenken. "Berlin ist unser 52. Pflichtspiel binnen zehn Monaten, da brauchten einige Spieler eine schöpferische Pause", verteidigte Rangnick seine Entscheidung nach der Partie. "Wir hatten trotzdem keine B-Elf auf dem Platz, das waren elf Nationalspieler."

So bescherte die Elf, die in dieser Form niemals wieder und schon gar nicht am Samstag in Berlin gegen Bayern München miteinander spielen wird, den Bremern einen emotionalen, fast pathetischen Abschied aus ihrer besten Saison der vergangenen neun Jahre. Und das, plakatierte die Ostkurve, während sich Claudio Pizarro in sein 21. Jahr als Profi verabschiedete, "und das war erst der Anfang!"

© SZ vom 19.05.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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