Bremen nach der Niederlage gegen Bayern:Schmerzlicher als sieben Gegentreffer

Werder Bremen v FC Bayern Muenchen - Bundesliga

Bremen fassungslos, Bayern jubelt: Franck Ribéry nach seinem Treffer zum 6:0.

(Foto: Bongarts/Getty Images)

Gegen den FC Bayern muss Werder Bremen die höchste Heimniederlage der Bundesliga-Historie hinnehmen. Doch das Team von Robin Dutt hat nicht nur sieben Gegentreffer zu beklagen. Was schlimmer ist: Werder bekommt einfach keine Balance in seine Mannschaft - und ist im Abstiegskampf angekommen.

Von Carsten Eberts, Bremen

Als es endlich vorbei war, beorderte Robin Dutt seine Mannschaft in den Mittelkreis. Minutenlang redete er auf seine Spieler ein, die Fans blieben auf ihren Plätzen, als wollten sie lauschen, was der Coach zu sagen hatte. Auch die Stadionregie ließ den Trainer ausreden. Erst als die Profis mit hängenden Köpfen in die Katakomben schlichen, flötete es über die großen Boxen: "Don't worry, be happy."

Später erklärte Dutt, was er seiner Mannschaft im Mittelkreis mit auf den Weg gegeben hat. Es war keine Schelte, auch keine komplizierte Analyse, nicht in dieser Situation. Seine Spieler, so wünschte es Dutt, sollten das 0:7 gegen den FC Bayern doch bitte möglichst eilig vergessen.

"Ich habe der Mannschaft gesagt, dass wir uns ganz schnell auf Berlin konzentrieren müssen", versuchte Dutt nach der höchsten Heimniederlage der Werder-Historie in bemerkenswertem Tempo wieder auf den Normalitätsmodus zu schalten. Auf Freitagabend also, wenn Werder in der Hauptstadt bestehen muss.

Auch Manager Thomas Eichin wollte der Klatsche keine große Bedeutung zumessen. Der Zeitpunkt, sich zu hinterfragen, sei nach dieser Niederlage sicher nicht gekommen, erörterte Eichin: "Nach so einem Spiel müssen wir die Qualitätsfrage nicht stellen." Natürlich ließe sich einwenden, dass diese Frage nach genau so einer Niederlage gestellt werden könnte. Vielleicht sogar müsste. Eichin ging nicht darauf ein.

Die Niederlage fiel auch deshalb so deprimierend aus, weil die Werder-Verantwortlichen vor der Partie einen Spannungsbogen aufgebaut hatten. Vielleicht, ganz vielleicht sei gegen die Bayern ja doch etwas zu holen, erklärte Dutt erwartungsfroh, als hätte er den Masterplan gegen die bestgeölteste Maschine des Weltfußballs schon fertig ausgearbeitet. Nach der Partie urteilte Eichin: "Wir haben gedacht, dass wir schon etwas weiter sind. Doch das sind wir nicht."

Wenige Minuten zuvor hatte schon Clemens Fritz bemitleidenswert in den Katakomben gestanden. "Wir haben schön auf die Fresse gekriegt", klagte der Abwehrspieler, "wir wurden zurechtgelegt und zerteilt". So wie vor dem zwischenzeitlichen 0:6, als der Ex-Bremer Pizarro nach einer Ecke mit einem gewitzten Pass Alaba einsetzte, der wiederum in die Mitte durchsteckte, wo Ribéry - der wenige Sekunden zuvor tatsächlich die Ecke getreten hatte - unbedrängt vollstreckte. Niemand beachtete den Mann, der bald zum Weltfußballer gewählt werden dürfte. Die Bremer zeigten heftigste Auflösungserscheinungen.

Nichts besser geworden mit dem neuen Führungsduo

Fünf Monate nach Amtsantritt müssen sie bei Werder Bremen allmählich erkennen, dass unter dem neuen Führungsduo Dutt/Eichin nichts besser geworden ist. Es mag gute Gründe gegeben haben, sich nach dem abgewanderten Geschäftsführer Klaus Allofs auch von Trainer Thomas Schaaf zu trennen. Beide zusammen hatten den Verein in den vergangenen fast 15 Jahren geprägt. Ihre Ideen hatten sich abgenutzt, es schien Zeit für neue Impulse.

Doch auch Dutt scheint nicht zu gelingen, was Schaaf in seinen letzten Jahren vergeblich versuchte: Werder bekommt einfach keine Balance in seine Mannschaft. Zu Saisonbeginn stand die Defensive immerhin passabel, mit dem negativen Effekt, dass die Stürmer kaum zu Torchancen kamen. Seit Dutt jedoch die Offensive stärkt - gegen Bayern versuchte er es mit zwei Stürmern -, klingelt es wieder viel zu häufig. 34 Gegentore, das sind nach den vogelwilden Hoffenheimern die meisten der Liga.

Schon gegen Mainz (2:3) und Hoffenheim (4:4) konnte den Bremern nur mit Mühe ein defensiver Plan attestiert werden. Nun der Tiefpunkt gegen die Bayern. "Du kannst gegen die Bayern verlieren, aber nicht 0:7", klagte Eljero Elia. Auch Dutt beschrieb das Dilemma eher hilflos: "In der ersten Halbzeit haben wir es offensiv versucht und drei Gegentore gekriegt. In der zweiten Halbzeit waren wir defensiver und haben vier gekriegt."

Nur einmal konnten die Bremer damit in den vergangenen acht Partien gewinnen. Niemand würde ernsthaft bestreiten, dass der Klub im Abstiegskampf angelangt ist. Jahrzehntelang hielt sich das Team wie selbstverständlich im oberen Bundesliga-Drittel, wurde Meister und Pokalsieger. Nicht umsonst steht Werder auf Platz zwei der ewigen Bundesliga-Tabelle. Doch diese Zeiten scheinen vorüber. Fünf Punkte Vorsprung sind es noch mit Blick auf Teams wie Freiburg und Frankfurt, die Frage ist jedoch, gegen welchen Gegner bis zur Winterpause noch gepunktet werden soll: bei den grundsoliden Berlinern oder zu Hause gegen Leverkusen?

Die Schwierigkeit der Situation wird besonders deutlich, wenn man betrachtet, dass Werder schon in den vergangenen Jahren unter Schaaf stets von einer guten Hinrunde zehrte - und nur deshalb in der Rückrunde von allergrößten Nöten verschont blieb. Nun ist der Klub schon nach Spieltag 15 auf Tabellenplatz 14 angekommen. Ziemlich weit unten.

Die einfachste Lösung wäre noch, wenn es einfach an Pep Guardiola liegt. Dreimal hat Robin Dutt als Trainer gegen ihn antreten müssen, dreimal gab es klare Niederlagen: ein 1:3 und dann ein 1:7 noch als Coach von Bayer Leverkusen gegen Barcelona, nun das 0:7 mit Werder gegen die Bayern.

Diese Erklärung würde den Bremern sicher am besten gefallen. Nur noch einmal muss Dutt in dieser Saison gegen Guardiola antreten - das sind ausgesprochen verkraftbare Aussichten. Doch so einfach lässt sich die Lage bei Werder Bremen derzeit nicht schön reden.

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