Werder Bremen nach Allofs-Weggang:Der entkernte Klub

Der VfL Wolfsburg hat sich den sofortigen Wechsel des Bremer Managers Klaus Allofs eine ganze Menge kosten lassen. Werder Bremen will seinen Trainer Thomas Schaaf nun in die Suche nach einem Nachfolger einbinden - und offenbart damit die Angst, dass auch er den Verein verlassen könnte.

Jörg Marwedel

Nun hat also auch der 10 000-Einwohner-Ort Rödinghausen in Nordrhein-Westfalen einen kleinen Zipfel Bundesliga-Geschichte mitgeschrieben. Am Dienstagabend ist dort der SV Werder Bremen zu einem Freundschaftsspiel angetreten, das die Profis mit 5:1 gewannen. Das Ungewöhnliche: Werder-Manager Klaus Allofs, 55, war nicht dabei. Und das, wo Allofs doch normalerweise nicht mal einen Testkick bei einem Siebtligisten auslässt.

Allofs habe "Termine in Bremen", teilte Werders Mediendirektor Tino Polster mit. Das war nicht gelogen. Denn Allofs unterschrieb nach mehrstündigen Verhandlungen zwischen Vertretern des VfL Wolfsburg und des SV Werder seinen Auflösungsvertrag. Die Zuschauer in Rödinghausen hatten also das erste Werder-Spiel nach der 13-jährigen Allofs-Ära erlebt.

Es ist wohl der teuerste und schnellste Wechsel eines Managers in fast 50 Jahren Bundesliga. Und natürlich hat das Geld eine wesentliche Rolle gespielt beim Installieren eines Nachfolgers von Felix Magath, der ja in Wolfsburg nicht nur Trainer, sondern auch Geschäftsführer Sport war. "Die gute Einigung", zu der man laut VfL-Aufsichtsrats-Vize und VW-Kommunikations-Chef Stephan Grühsem gekommen sei, kam auch deshalb zustande, weil VW einer der Premium-Sponsoren des SV Werder ist.

Das Unternehmen ließ sich offenkundig nicht lumpen bei der Auflösung des im vergangenen Dezember gerade bis 2015 verlängerten Vertrages zwischen Werder und Allofs. Wobei die Ablösesumme, wie es heißt, in einem verbesserten Sponsoren-Vertrag versteckt sein soll. Der Weltkonzern hatte Allofs zudem angeblich mit einem verdoppelten Gehalt (angeblich drei Millionen Euro pro Jahr) gelockt.

Der Deal ist für den bald 56 Jahre alten Manager in etwa das, was man bei Spielern "die letzte Chance auf einen großen Vertrag" nennt. Dafür hat Allofs ein Stück weit die Vorbildfunktion aufgegeben, die ja Funktionäre gern vor sich hertragen, wenn sie Profis und Berater angreifen, weil diese mit Vertrags-Laufzeiten so umgehen wie mit einem losen Versprechen. Schon am Samstag, beim Bundesligaspiel bei der TSG Hoffenheim, soll Allofs, der einen Kontrakt bis 2016 unterzeichnete, erstmals neben dem Interimstrainer Lorenz-Günther Köstner auf der VfL-Bank sitzen.

Am Mittwochnachmittag saß Allofs zusammen mit dem Bremer Aufsichtsrats-Chef Willi Lemke aber zunächst ein letztes Mal vor der Bremer Presse. Er sei einfach "bereit" gewesen für den Wechsel, erklärte er, "die Zeichen stehen auf Veränderung". Eine seiner ersten Aufgaben wird es nach der missglückten zweiten Magath-Epoche in Wolfsburg sein, einen passenden Coach zu finden. Trainer-Headhunter ist Allofs allerdings noch nie gewesen. 13 Jahre lang saß er stets neben dem von ihm geschätzten Thomas Schaaf. Ob Schaaf ihm bald folgen wird? Dieser Gedanke stehe "nicht im Raum", lässt VfL-Geschäftsführer Thomas Röttgermann wissen.

Und auch Allofs sagte am Mittwoch mit Blick auf Köstner: "Wir haben dort einen Trainer, der sehr gut ist." Er schränkte jedoch gleichzeitig ein: "Ich sage nicht leichtfertig, dass das für alle Zeiten ausgeschlossen ist, auch wenn das jetzt überhaupt nicht auf dem Programm steht." Dass der Aufsichtsrats-Chef Lemke ankündigte, Schaaf bei der Suche nach seinem neuen Chef "eng einzubinden", klingt hingegen eher so, dass man sich bei Werder Sorgen macht, der Trainer könne bald ebenfalls gehen.

Interne Lösung in Punkto Trainerfrage

In Wolfsburg kann "der profilierte Manager, der uns weit nach vorn bringen wird" (Röttgermann) nun auch wieder etwas für seinen Ruf tun. Der hat ja seit dem zweimaligen Verpassen eines europäischen Wettbewerbs und dem jüngst verkündeten Minus von knapp 14 Millionen Euro im vergangenen Geschäftsjahr gelitten. Mit Lemke, der auch sein Vorgänger als Manager war, gab es manche Kontroverse. So dürfte die von Allofs hervorgehobene "neue Herausforderung" auch eine Flucht vor Lemkes Kontrolle sein. Aufsichtsrat Hans Schulz, einer der wenigen, die sich für Allofs zuletzt öffentlich stark machten, merkte in der Kreiszeitung Syke an: "Ob genug um Klaus gekämpft wurde, das müssen Sie Herrn Lemke fragen."

Sollte Lemke nicht genug gekämpft haben, steht er an der Spitze der Allofs gegenüber skeptischer gewordenen Bremer. Es gibt nicht nur eine kritische Stimme im Internet über seinen Abschied. Carlos Alberto, der acht Millionen Euro teure Brasilianer, der für Werder in der Saison 2007/08 gerade zwei Bundesligaspiele bestritt, ist dabei das beliebteste Symbol für einige missglückte Allofs-Transfers der vergangenen Jahre. Er ist sozusagen das Gegenstück zu den Perlen, die der Manager für Werder ebenfalls ausgrub - etwa Johan Micoud, Diego oder Mesut Özil.

Der gewissermaßen entkernte SV Werder wird sich ohne Allofs, das Gesicht der letzten 13 Jahre, ein wenig neu erfinden müssen. Wer den Klub kennt, der ahnt, dass es bei der Nachfolge nun auf eine interne oder halbinterne Lösung hinausläuft. Also auf einen früheren Werder-Profi. Da sind der Ehrenspielführer Marco Bode, 43, der gerade in den Aufsichtsrat aufgerückt ist. Und der frühere Werder-Kapitän Frank Baumann, 37, der bei Allofs das Manager-Handwerk lernte und nun die Scouting-Abteilung leitet - er soll den Job zunächst aushilfsweise übernehmen.

Er ist aber Neuling in diesem Metier, im Gegensatz zu Rune Bratseth, 41, und Dietmar Beierdorfer, 49. Bratseth (spielte zwischen 1986 und 1995 für Werder) ist seit Jahren Manager bei Rosenborg Trondheim. Beiersdorfer arbeitet derzeit bei Zenit St. Petersburg, aber auch der frühere Sportdirektor des Hamburger SV hat eine Werder-Vergangenheit als Spieler (1992 bis 1996). Er gilt als guter Freund von Thomas Schaaf.

Gleichwohl werde es schwer sein, "den Menschen und Manager Klaus Allofs zu ersetzen", findet Stürmer Nils Petersen. In Wolfsburg dagegen freuen sich besonders die beiden früheren Werder-Profis Diego und Naldo. Allofs sei "einer der besten Manager Deutschlands", befand der Spielmacher Diego. Auch Naldo hat sein Entzücken ein weiteres Mal betont: "Es ist gut für alle, dass er kommt."

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