Am vorvergangenen Samstag war Thomas Reis beim Robbie-Williams-Konzert in München. Erster Titel dort: "Let me entertain you". Der britische Sänger pflegt ja eine Unterhaltungsgarantie, und der Bochumer Fußballtrainer Reis findet: Williams hat's noch immer drauf.
Sein VfL Bochum spielt zurzeit indes keinen Let-me-entertain-you-Fußball, den er in der vergangenen Saison durchaus draufhatte: ein Tor-des-Jahres-Solo, zwei Ferntreffer übers halbe Spielfeld, im Tor ein Elfmeterkiller, wilde Dramaturgien, ein Becherwurf samt Spielabbruch, am Saisonende der umjubelte Klassenerhalt. Für Bochumer Fußball hätte sich wohl sogar der Unterhaltungsexperte Robbie Williams erwärmen können. Jetzt steht der abgekühlte VfL auf dem letzten Platz, bar jeglicher Punkte und jener Leichtigkeit, die erst Unterhaltung garantiert.
Bochums Trainer Thomas Reis:"Ich nehme es brutal persönlich"
Angeblich wollte Thomas Reis im Sommer den Verein wechseln. Nun ärgert sich der Bochums Trainer "maßlos" über das Gerücht - die Verhandlungen wurden dennoch eingefroren.
Ole Werner ist eher nicht so der Robbie-Williams-Typ. Sonst wäre er Alleinunterhalter geworden und nicht Fußballtrainer bei Werder Bremen. In diesen Tagen, das muss man sagen, ist Werder eine der unterhaltsamsten Mannschaften der Bundesliga. Sieben ihrer zwölf Treffer binnen fünf Ligaspielen haben die Bremer jenseits der 85. Minute erzielt, fünf sogar erst in der Nachspielzeit. Die Tore zum 2:0-Sieg in Bochum beschaffte Niclas Füllkrug in der 86. und 92. Minute. "Wir haben den Glauben bis zum Schluss", sagte Ole Werner im Anschluss, als wären Bremer Fußballspiele keine Zirkusvorstellungen, sondern Gottesdienste.
Niclas Füllkrug ragt aus einem Bremer Stürmertrio hervor
Selten hat man eine Mannschaft gesehen, die sich derart zuverlässig auf finale Pointen versteht. Den Ausgleich zum 2:2-Endstand gegen den VfB Stuttgart erzielte Oliver Burke in der 95. Minute; die drei Treffer zum 3:2-Sieg in Dortmund markierten Lee Buchanan (89.), Niklas Schmidt (93.) und Burke (95.) so spät wie kein anderes Team jemals in der Bundesliga - und auch die beiden Treffer in Bochum hoben sich die coolen Nordlichter schön bis zum Ende auf.
Die Bremer haben aus der Not eine Tugend gemacht. Gegen Stuttgart mussten sie angesichts eines Rückstand am Ende ins Risiko gehen und wurden belohnt, in Dortmund agierten sie angesichts eines 0:2-Rückstands bis zur 89. Minute mit dem Mute der Verzweiflung und machten genauso wie nun in Bochum die Erfahrung, dass man die womöglich kurzatmigen Kontrahenten mit einem zünftigen Schlussspurt noch abhängen kann.
"Fitness, Glaube, Selbstvertrauen und Risiko" nennt Werner als Schlüsselqualifikationen der Bremer Spätmusikanten. Bloß bei der 3:4-Niederlage gegen Frankfurt entpuppte sich der finale Paukenschlag (Füllkrug/92.) als vergeblich. Es war bislang die einzige Niederlage für den Aufsteiger Werder.
Die Debatte um Trainer Reis wird noch eine Weile schwelen
Aus dem effektiven Stürmertrio Marvin Ducksch (drei Assists), Oliver Burke (zwei Torte, ein Assist) und Niclas Füllkrug (fünf Tore) ragt Letzterer heraus. Vor drei Jahren aus Hannover gekommen, eröffnet der 29-Jährige momentan seine vielleicht beste Bundesliga-Saison. 2017/18 hat er für Hannover 96 mal 14 Treffer erzielt, mit nun fünfen in fünf Spielen ist er aktuell bester deutscher Stürmer in der Bundesliga und kommt kühnen Propheten gar für den deutschen WM-Kader in den Sinn. "Fülle hat 'nen Lauf", sagt Werner und lobt dessen Präsenz, Charakter und Kaltschnäuzigkeit. Ein bisschen Glück, gibt der 34 Jahre alte Trainer zu, sei beim Sieg in Bochum auch im Spiel gewesen.
Auf dieser Auslegung bestehen auch die Bochumer, die nicht begreifen, wie ihnen derzeit geschieht. Was vergangene Saison glückte, missrät jetzt. Doch an den Debatten um den der Abtrünnigkeit verdächtigen Trainer Reis, betonen die Spieler, liege das nicht. Reis soll im Sommer mit einem Wechsel zum Reviernachbarn Schalke 04 kokettiert, vom VfL Bochum aber keine Freigabe erhalten haben. Diese Posse ist erst jetzt an die Öffentlichkeit gelangt und sorgt im Vereinsumfeld für Turbulenzen. "Wir lesen nicht viel Zeitung", behauptet zwar der neue Spielgestalter Kevin Stöger, aber allein der Gedanke, ihr Trainer wäre jetzt womöglich lieber woanders, kann dem Bochumer Teamspirit kaum zuträglich sein.
Die Fans zeigten sich diesbezüglich unentschieden. Vom Stadionsprecher angestachelt, skandierten sie zwar den Namen des Trainers, verunglimpften aber auch den Rivalen Schalke 04 in einer unappetitlichen Namensvariation. Nächsten Samstag gastieren die Bochumer genau dort. Für Reis bedeutet dies, dass er das Thema so schnell nicht loswird.