Bremen - Augsburg (15.30 Uhr):Alles bloß Künstlerpech

Werder Bremen versucht, den Fehlstart unaufgeregt zu sehen. Die Klubverantwortlichen setzen auf ihre wundersame Serie der späten Verpflichtungen.

Von Jörg Marwedel, Bremen

Das hauseigene Werder-Magazin hat gerade die Prognosen der Profis für die Saison 2019/20 herausgebracht. Jeder Profi sollte voraussagen, auf welchem Tabellenplatz der SV Werder Bremen am Ende stehen würde. Alle 26 Befragten haben sich am offiziellen Klubziel Europa-League-Platz orientiert. Keiner hat schlechterer als Rang sechs getippt. Der einstige Meisterspieler Claudio Pizarro und der Jungstürmer Josh Sargent, dem der amerikanische Glaube an das Maximale eingeimpft wurde, hielten sogar den Titel für möglich. Die Weissagungen sind aber offensichtlich vor den beiden ersten Spieltagen der neuen Bundesliga-Saison abgegeben worden. Denn zwei Niederlagen später ist für die Bremer vor dem Heimspiel gegen den FC Augsburg eher Schadensbegrenzung angesagt.

Werder Bremen - Pk und Neuvorstellung

Frustrierender Saisonstart, aber nicht außergewöhnlich: Bremens Trainer Florian Kohfeldt gibt sich gelassen.

(Foto: Carmen Jaspersen/dpa)

Aber die Bremer versuchen, diesen Fehlstart so unaufgeregt zu kommentieren, als wäre alles nur Künstlerpech. Es sei zwar frustrierend, noch null Punkte zu haben, sagte Trainer Florian Kohfeldt am Freitag. Aber es sei noch keine außergewöhnliche Situation. Die Fans müssten den Mannschaftsbus nicht begrüßen und die Stadt grün-weiß anstreichen wie damals im Abstiegskampf. Selbst wenn es gegen Augsburg am Sonntag erneut schiefginge, würde er die Zielsetzung Europa nicht ändern, versicherte der Coach. Er sei weiterhin davon überzeugt, "dass wir über einen Kader verfügen, der finanziell eigentlich über unseren Möglichkeiten liegt". Vor allem sei man in der Lage gewesen, auf die Verletzten-Misere "adäquat zu reagieren".

Sieben potenzielle Stammspieler fallen verletzt aus

Damit meinte er die Ausleihe des Mönchengladbacher Abwehrspielers Michael Lang, 28, bei dem es auch eine Kaufoption für 2020 gibt. Denn von den sieben verletzten potenziellen Stammspielern sind gleich vier Abwehrkräfte (Langkamp, Augustinsson, Veljkovic und der gerade erst verpflichtete Toprak), die allesamt länger ausfallen. Deshalb wurde die medizinische Abteilung kritisch unter die Lupe genommen. Sie wurde aber von Geschäftsführer Frank Baumann freigesprochen.

Werder Bremen - Pk und Neuvorstellung

Leihgabe mit Kaufoption: Michael Lang kommt von Gladbach.

(Foto: Carmen Jaspersen/dpa)

Die Chancen auf einen Einsatz des Schweizer Nationalspielers Lang in der Startformation bezeichnete Kohfeldt als sehr groß - zumal er ihm eine neue taktische Möglichkeit mit Dreier-Abwehrkette eröffne. Eine weitere mögliche Personalie, die Leihe des Schalker Mittelfeldstrategen Nabil Bentaleb, 24, wurde dagegen von Baumann "aktuell" gestoppt. Was heißt: Er ist nicht bereit, die Schalker Forderungen, die neben einer Leasingrate auch eine Kaufoption im zweistelligen Millionenbereich beinhalten, zu erfüllen. Aber, fügte Baumann noch an in Bezug auf weitere Optionen: "In der Transfer-Endphase sollte man nie etwas ausschließen". Manchmal würden sich plötzlich Konstellationen ergeben, die man vier Tage zuvor noch nicht geahnt habe. Die Endphase dauert noch bis Montagabend um 18 Uhr, dann ist die Transferliste geschlossen.

Gnabry, Belfodil, Rashica - die Liste der Last-Minute-Transfers war zuletzt eindrucksvoll

Baumann selbst, der auffallend gelassen den sportlichen Fehlstart und seine Transferaktivitäten erörterte, hat schon manches Mal im letzten Moment zugeschlagen - sie sind fast sein Spezialgebiet. Im Sommer 2016 verpflichtete er kurz vor Toresschluss Serge Gnabry, ein Jahr später Ishak Belfodil und Ende Januar 2018 Milot Rashica und Sebastian Langkamp. Zwölf Monate ist es her, da holte er in letzter Sekunde den Dortmunder Nuri Sahin. Und auch jetzt wäre es fast untypisch, wenn Baumann nicht doch etwas tun würde, um etwas gegen die jüngste Schieflage zu tun.

Denn auch wenn Werder beim 1:3 gegen Fortuna Düsseldorf und beim 2:3 in Hoffenheim keineswegs katastrophal auftrat, fehlte dem Team ohne den in die Türkei abgewanderten Kapitän Max Kruse auch nach Kohfeldts Urteil das, was es zu einem Europa-Kandidaten machen würde: Cleverness. Im Prinzip würde man dafür sogar einen schwierigen Spieler wie Bentaleb in Dienst nehmen, der genau über diese Eigenschaft verfügt. Nur das Risiko, dem von sich selbst sehr überzeugten algerischen Nationalspieler sofort einen langfristigen Vertrag zu geben, mochte man nicht eingehen. Jedenfalls nicht, bevor er bewiesen hat, dass er in Bremen besser funktioniert als auf Schalke, wo er mehrmals aus disziplinarischen Gründen aus dem Kader gestrichen wurde. An dieser Einschätzung würde wohl selbst eine weitere Niederlage gegen Augsburg nichts ändern. Wie gesagt: die Werder-Verantwortlichen sind sehr gelassen. Noch.

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