Bremen auf Platz zwei:Bayern-Jäger für eine Nacht

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Brachte neben geschmeidiger Eleganz auch rustikale Elemente ins Werder-Spiel: Nuri Sahin (re.) grätscht Herthas Vedad Ibisevic ab. (Foto: Carmen Jaspersen/dpa)

Durch ein 3:1 gegen die Hertha löst Werder Bremen die Berliner auf Tabellenplatz zwei ab - auch dank Nuri Sahin.

Von Peter Burghardt, Bremen

Jetzt hat Werder Bremen also tatsächlich mal wieder eine Art Spitzenspiel im Weserstadion gespielt und sogar gewonnen, 3:1 gegen Hertha BSC. Flutlicht, feuchter Rasen, am Ende heitere Anhänger - fast wie in besten Zeiten. Es war zwar nur ein Spitzenspiel in dieser Bundesliga unterhalb von Platz eins, der Titel dürfte ja auch im Mai 2019 in München landen, falls bei den Bayern nicht ganz außerordentliche Dinge geschehen. Aber dahinter steht der SV Werder jetzt zumindest für einen Tag auf Platz zwei, wo zuvor die Berliner gestanden hatten, und wenn diese Mannschaft von Florian Kohfeldt so weitermacht, dann könnte es die schönste Saison in Grünweiß seit langem werden.

Da machte der Trainer der verdienten Verlierer noch schnell einen kleinen Gag, ehe er mit seinen Leuten punktlos zum Flughafen hastete, heim nach Tegel: "Glückwunsch, du bist Bayern-Jäger", sprach Pal Dardai zu Kohfeldt, was auch ein wenig vergiftet war, denn dieses Prädikat hatte ja vorher flüchtig an seiner Hertha geklebt, die am Freitag diese Bayern empfängt. "Zu viel Lob für uns", ahnt Dardai, nun gibt es viel Lob für Werder.

Für die Sympathisanten des Vereins war das alles Grund zur Freude, vor allem für weite Teile der 39 100 Augenzeugen in der Arena, wobei die später lautesten von ihnen am Anfang ganz ungewöhnlich leise waren. In den ersten 18:30 Minuten taten die Bremer Ultras fast keinen Mucks, sie protestierten damit gegen die schräge Anstoßzeit an einem Werktagsdienstag um 18:30 Uhr und überhaupt gegen den zunehmend beliebigen Kommerz der Fernsehliga. "Spieltagszerstückelung stoppen", stand auf einem Plakat und auf einem anderen der durchaus stimmige Reim: "Football is for you and me - not for fucking Pay-TV." Aber klar, ein bisschen freuen mussten sie sich schon vor Abschluss ihrer Demo des Schweigens, denn in der elften Minute schoss Martin Harnik das 1:0.

Es war ein kurioses Tor, das den Verlauf der Partie sicherlich prägte, denn es entstand nach einer Karambolage, bei der Herthas Verteidiger Fabian Lustenberger erst versehentlich die Latte traf und seinem Torwart Rune Jarstein mehr oder weniger den Ball wegnahm. Sehr geistesgegenwärtig vollendete der Österreicher Harnik mit dem Absatz. Da ahnte man schon, dass es beim Ensemble von Pal Dardai diesmal ein wenig durcheinander ging und dass Werder, anders als in den beiden Heimspielen zuvor, clever war und sogar elegant. Zur Eleganz steuerte Nuri Sahin bei, er trug nach seinem Wechsel aus Dortmund erstmals von Anfang an das Bremer Trikot und könnte sich hier wohler fühlen als zuletzt auf Bank oder Tribüne bei der Borussia.

Unmittelbar vor der Pause schlug Sahin sogar in einem extrem günstigen Moment einen passgenauen Eckstoß Richtung Kopf von Milos Veljkovic, der mit hohem Sprung zum 2:0 abschloss. Nach 53 Minuten fühlte sich das Publikum dann zwar kurz an den verpassten Sieg kürzlich gegen Nürnberg erinnert, denn der äußerst flinke Javairo Dilrosun rannte links das Feld hinab und verkürzte auf 2:1. "Bekommen die wieder einen Rückfall", hätte das Publikum eventuell gedacht, vermutet Sahin, nach einer Stunde weitgehend erschöpft ausgewechselt. Doch es gab keinen Rückfall, sondern einen Fortschritt. Marvin Plattenhard stieß Theodor Gebre Selassie ungeschickt um, den Elfmeter verwandelte Max Kruse ungeheuer lässig zum 3:1. Den Ball aus dem Netz fischen durfte Thomas Kraft, er hatte den verletzten Berliner Torwart Jarstein ersetzt.

Das Ganze missfiel Pal Dardai, der findet, man müsse sich Gedanken machen, "wenn acht von elf Spielern nicht gut drauf sind". Er vermisste die Frische seiner Männer, die kürzlich gegen Gladbach so aufgetrumpft hatten. Werder dagegen überzeugte seinen Anhang und seinen Trainer: mit einer aufmerksamen Abwehr inklusive der auch nach hinten fleißigen Stürmer und Torschützen Harnik und Kruse, mit einer spielfreudigen Mittelfeldraute aus Danny Klaassen, Yuya Osako, Maximilian Eggestein und eben Sahin. "Man hat gesehen, dass wir einen Plan hatten", da hatte Sahin Recht. Kapitän Kruse hat gezählt, dass nun in 14 Auftritten hintereinander im Weserstadion nicht verloren wurde. Da tanzten sie zum Abschluss vor den wieder trommelnden und sangesfreudigen Fans - doch nicht so schlimm, so ein Frühabendmatch. Kohfeldt rät dennoch: "nicht durchdrehen."

© SZ vom 26.09.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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