Süddeutsche Zeitung

Absteiger der Bundesliga:Einfach mal nach Stuttgart schauen

Bremen ist nun Opfer jener Abwärtsspirale geworden, die auch schon Schalke 04 nach unten gerissen hat. Ein wenig Trost spendet immerhin der VfB: Der dortige Traditionsklub zeigt, dass es nie zu spät ist, dazuzulernen.

Kommentar von Christof Kneer

Es war ein langer, ein wirklich sehr, sehr langer Anlauf, den Werder Bremen da genommen hat. Ein Wunder eigentlich, dass die Bremer nach so einem langen Anlauf nicht schon müde waren, als sie zum Sprung ansetzten. Sie haben es aber tatsächlich geschafft. Sie sind korrekt abgesprungen und sauber in der zweiten Liga gelandet.

Man könnte sich nun die Mühe machen und nachzumessen versuchen, wann genau die Bremer angefangen haben, sich in Richtung zweite Liga in Bewegung zu setzen, aber man wird kein Ergebnis erhalten, das allen Überprüfungen standhält. Begann der Marsch aufs Unterhaus schon Ende der Nullerjahre, als Werder sich einen viel zu teuren Potemkin-Kader leistete, dessen Kulissen schön bunt bemalt waren, obwohl schon nicht mehr so viel dahinter war?

Oder begannen die Bremer in jenem Moment abzusteigen, als sie Max Kruse in blauäugigstem Optimismus aus der Stadt ließen, weil sie ernsthaft glaubten, die Elf entwickle sich besser ohne ihn? Am Ende sind die Bremer wie zuvor schon der HSV, der VfB Stuttgart oder Schalke 04 in eine fatale Abwärtsspirale geraten. Hey, Schicksal, rufen diese Klubs kurz vorm Abstieg erschrocken, das kannst du doch nicht ernst meinen, wir sind doch Werder und Schalke!!! Schon, schon, murmelt das Schicksal dann, aber das hättet ihr euch auch früher überlegen können.

Die Kleinen haben jene herausragende Arbeit geleistet, die die Großen schon lange nicht mehr leisten

Abzüglich der ortstypischen Besonderheiten ist das Muster stets dasselbe: Ein bisschen Überheblichkeit, ein bisschen Naivität und interne Eifersüchteleien vermischen sich mit der ewigen Erwartungshaltung der Traditionsstandorte, die Unruhe steigt, der Kontostand sinkt. Am Ende einer solchen Entwicklung sieht der Kader dann aus wie der von Werder Bremen. Ein Kader am untersten Rand des Durchschnitts, anfällig und ohne Höhen.

Natürlich könnte unter Vermarktern nun ein leises Wehklagen einsetzen, weil man auf dem sagenhaften asiatischen Markt künftig die Erstligaspiele Greuther Fürth vs FC Augsburg und vielleicht sogar Arminia Bielefeld vs Holstein Kiel feilbieten muss, während Werder Bremen, der HSV, Schalke 04, Fortuna Düsseldorf, der 1.FC Nürnberg und vielleicht sogar der 1.FC Köln auf der zweitklassigen Heimatbühne grandiose Historienschinken aufführen. Und so steht dem heimischen Fußball nun eine Herausforderung bevor: Er muss den Reflex unterdrücken, den VfL Bochum, die SpVgg Greuther Fürth oder Holstein Kiel für das Schicksal von Schalke, Bremen oder Köln verantwortlich zu machen.

Die Wahrheit lautet: Die Kleinen haben jene herausragende Arbeit geleistet, die die Großen schon lange nicht mehr leisten.

Jedes Land hat seine eigene Sportkultur, und die deutsche definiert sich - zum Glück - nicht über geschlossenen Gesellschaften wie in den USA. Fehler können ausdrücklich mit Abstieg bestraft werden. Und so wird den (einstmals) Großen nun nichts anderes übrig bleiben, als sich endlich an den kleinen Biotopen zu orientieren. Ein Blick nach Stuttgart dürfte Werder und Schalke immerhin zeigen, dass es nie zu spät ist, dazuzulernen: Nach einem chaotischen Jahrzehnt hat sich der einstmals große VfB zumindest ein bisschen neu erfunden.

Vereinfacht gesagt basiert der Plan der Stuttgarter darauf, auf dem weltweiten Talentmarkt Spieler mit Potenzial zu entdecken und in Spieler mit Qualität zu verwandeln. Und wenn die Spieler mit Qualität dann weggekauft werden, verdient der Verein wenigstens eine Menge Geld mit ihnen, und die Nachfolger mit Potenzial sind im Idealfall schon da.

Niemand kann sagen, ob der Stuttgarter Plan auch in der neuen Saison aufgehen wird. Aber, ihr lieben Schalker und Bremer: Es ist immerhin schon mal ein Plan.

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