Breitensport:So sinnvoll sind Doping-Proben im Fitnessstudio

Rugby Sevens Training Session; Fitnessstudio

Doping im Breitensport ist ein unterschätztes Problem.

(Foto: Brett Hemmings/Getty Images)
  • Doping im Breitensport ist ein großes und oft unterschätztes Problem.
  • In Dänemark gibt es nun Kontrollen - Experten bezweifeln aber, ob das eine sinnvolle Strategie ist.
  • Oft verdrängen Amateursportler die Risiken und Nebenwirkungen von leistungssteigernden Mitteln.

Von Dominik Schelzke

Christopher Froome hat erstmals den Giro d'Italia gewonnen, trotz eines Sturzes noch vor der ersten Etappe. Über seinen Leistungen schweben einige Fragezeichen: Nach einem positiven Test im September 2017 auf das Asthmamittel Salbutamol wird offiziell gegen ihn ermittelt, sein Start bei der kommenden Tour de France ist nicht gesichert. Froome betreibt eine Sportart, die in Sachen Doping einiges durchgemacht hat. Es wird viel getestet, auch deshalb sind die Werte des Briten aufgefallen - er ist ein Profi. Beim freundlichen Muskelprotz im Fitnessstudio um die Ecke kriegt ein ähnliches Vergehen kaum jemand mit. Dabei helfen auch Privatpersonen ordentlich nach, was die eigene Leistung angeht. Und selbst wenn einer auffliegt, gibt es in Deutschland keine Strafen. Wie es anders geht, zeigt der Blick nach Dänemark.

Im kleinsten skandinavischen Land können Vertreter der nationalen Anti-Doping-Behörde (ADD) ab sofort in Fitnessstudios unangemeldete Dopingproben an Privatpersonen durchführen. Die jeweiligen Fitnessstudios müssen vorher eingewilligt und ihre Mitglieder informiert haben; sollten Trainierende trotzdem den Urin-Test ablehnen oder positiv getestet werden, werden sie des Studios verwiesen. In Deutschland gibt es momentan noch kein vergleichbares System - nicht ohne Grund.

Die allgegenwärtige Dunkelziffer

Der Breitensport hierzulande hat zwar auch ein großes Dopingproblem, verfährt aber bislang frei nach dem Motto: Wo kein Richter, da kein Henker. Da der Pumper nur sich selbst und nicht im sportlichen Wettkampf betrügt, werden keine Kontrollen durchgeführt und somit auch keine Daten erhoben. Es ist nun einmal nicht verboten, sich selbst zu schaden. Trotzdem wird der Umfang des Dopings im Hobbysport als enorm eingeschätzt. Belastbare Zahlen sind schwer zu erheben, aber ein Indiz sind die Massen an konfiszierten Dopingmitteln wie zum Beispiel Anabolika, die beim Zoll unter "Sonstige Betäubungsmittel" geführt werden.

2017 wurden fast dreimal so viele "Sonstige Betäubungsmittel" wie Marihuana vom deutschen Zoll beschlagnahmt. Die Menge, die bei den Verbrauchern ankommt, dürfte noch deutlich höher ausfallen. Übers Internet lassen sich die Präparate - vornehmlich aus Asien und Osteuropa - relativ leicht bestellen.

Ansonsten fußt die Dunkelziffer über den Dopingmissbrauch im privaten Bereich vor allem auf verdeckten Ermittlungen, Schätzungen und Forschungen. Solche, wie sie der Sportwissenschaftler Prof. Dr. Ralf Brand von der Universität Potsdam durchführt. In seinen Befragungen unter Freizeitsportlern hat Brand entdeckt, dass die Zustände im Breitensport bedenklich sind. "Ein Problem, welches wahrscheinlich in seiner Größenordnung das im Leistungssport noch weit übersteigt", sagt er.

Trotzdem sei ein Kontrollsystem mit der Nationalen Anti-Doping-Agentur (Nada) in privaten Studios nicht die beste Lösung, um dieser Entwicklung zu begegnen, meint Brand. Mal ganz abgesehen von der moralischen und datenschutzrechtlichen Frage, ob Privatpersonen zum Urintest geschickt werden können - ein solches Vorgehen würde hauptsächlich auf Abschreckung zielen. Nach der Logik: Wer Angst haben muss, erwischt zu werden, der dopt nicht. Diese Taktik funktioniert aber schon im Spitzensport nur begrenzt.

Aufklärung als Alternative im Anti-Doping-Kampf

Im Breitensport wäre aber das Risiko, erwischt zu werden, trotz Kontrollen nochmal deutlich geringer als bei den Topathleten. Dem Dopingproblem könne man nur mit gezielter Prävention beikommen, meint Professor Brand. Auch der Leiter des Ressorts für Prävention bei der Nada, Dominic Müser, bestätigt diese Einschätzung. "Wir müssen klar machen, was aus Substanzkonsum grundsätzlich alles resultieren kann und worum es im Sport geht. Diesbezüglich muss im Breiten- und Fitnesssport noch deutlich mehr passieren." Das Ressort Prävention forscht seit 2015 gemeinsam mit Brand an besseren Wegen, Doping durch ein größeres Bewusstsein in der Gesellschaft zu bekämpfen. Dieses Projekt für Präventionsmaßnahmen trägt den Namen "SaveYou" und wird im Dezember 2018 abgeschlossen sein.

Viele Freizeitsportler fühlen sich durch Darstellungen in Werbung und Fernsehen zum Doping verleitet, die den (über-)sportlichen Körper als Ideal präsentieren. Nicht möglichst dünn, sondern möglichst fit aussehen, das ist der Zeitgeist. Und wer möglichst schnell so aussehen will wie Cristiano Ronaldo oder Scarlett Johansson, der muss nachhelfen, denken viele.

Gegen das Nachhelfen wurde 2015 das Anti-Doping-Gesetz eingeführt. Trotz eines Absatzes über Selbstdoping (§ 3) ist die Vorschrift hauptsächlich auf den Spitzensport zugeschnitten. Dabei ist Doping auch schon auf unteren sportlichen Amateurebenen weit verbreitet. "Das Anti-Doping-Gesetz ist ein Spezial-Gesetz für 3000 Leute", sagt Dr. Michael Lehner, Sportjurist und Schiedsrichter bei der Deutschen Institution für Sportschiedsgerichtbarkeit. Zwar seien Handel und Besitz von Dopingsubstanzen verboten, nicht aber die Einnahme. Das heißt: Wer nicht an Wettkämpfen teilnimmt, kann ohne Probleme dopen, solange er sich nicht beim Kauf erwischen lässt.

"Man muss ganz simpel festhalten, dass anabole Steroide funktionieren."

Demnach ist der Weg zu Doping im Amateur-Bereich ziemlich frei. Der erste Schritt sind meistens Protein-Pulver oder Shakes. Manchmal verführt diese Einstiegsmöglichkeit dann zum gar nicht mehr so harmlosen zweiten Schritt, den verbotenen Substanzen. Diese versprechen für das Muskelwachstum bessere und schnellere Ergebnisse. Selbst Brand räumt ein: "Man muss ganz simpel festhalten, dass anabole Steroide funktionieren." Zumindest was die hauptsächlichen Ziele der Körperkultjünger angeht. Was dabei weniger thematisiert wird, ist der Preis, den man dafür zahlen muss.

Die großen Risiken solcher Dopingmittel - von kosmetischen Veränderungen über psychische Erkrankungen bis hin zu lebensbedrohlichem Organversagen - werden meistens vernachlässigt. Das liegt laut Brand unter anderem an einem klassischen Taschenspielertrick des menschlichen Gehirns. So wie jeder Raucher einen Großonkel habe, der 100 Jahre alt ist und immer noch täglich eine Packung Roth-Händle ohne Filter raucht, könne jeder dopende Pumper einen Bekannten benennen, bei dem trotz Anabolika alles gut läuft.

Gegen solche Verdrängungsmechanismen könnte bessere Aufklärung helfen. Auch in der Gesellschaft allgemein, glaubt Brand - die müsse nämlich überhaupt erst einmal realisieren, dass es ein riesiges Dopingproblem im Breitensport gibt.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: