Braunschweig:Eine Mannschaft sieht rot

Jahn Regensburg - Eintracht Braunschweig

Danke, Sie können duschen gehen! Schiedsrichter Tobias Reichel zeigt Mirko Boland als drittem Braunschweiger den Platzverweis.

(Foto: Armin Weigel/dpa)

Der eigentliche Aufstiegskandidat schadet sich wieder selbst - und verliert auf kuriose Weise in Regensburg.

Von Johannes Kirchmeier, Regensburg

Nachdem Tobias Reichel zum letzten Mal in seine Pfeife blies, begann um ihn eine Invasion. Wie Wespen im Hochsommer ein Stück Torte umschwirrten die Braunschweiger Spieler den Referee und redeten auf ihn ein, am eindringlichsten tat dies Torhüter Jasmin Fejzic, der schon während des Spiels einen Sprint in Richtung Schiedsrichter unternommen hatte. Es war ja so, dass sich Reichel an die Situation gewohnt haben musste an diesem Samstagnachmittag im Regensburger Stadion. Er war bereits zum vierten Mal umzingelt worden. So entledigte er sich der Fußballer schnell und marschierte eiligst zum Eingang der Katakomben, während ihn dort Braunschweigs Trainer Torsten Lieberknecht nach kurzem Händeschütteln noch anschrie.

Zunächst erwischte es Khelifi und Sauer, dann Boland

Der Furor der Eintracht nach der 1:2 (1:0)-Niederlage beim Aufsteiger gründete auf der Tatsache, dass Reichel zuvor in seinem erst zweiten Zweitliga-Einsatz überhaupt eine Premiere beging, die viele seiner Kollegen in einem Schiedsrichterleben nicht begehen: Er stellte drei Spieler einer Mannschaft in einem Zweitligaspiel vom Platz. Allesamt waren Braunschweiger. Zunächst wurden Samil Khelifi (26.) und Maximilian Sauer (64.) mit Rot bestraft, in der Nachspielzeit dann Mirko Boland mit Gelb-Rot. Der vorher so laute Lieberknecht war in der Pressekonferenz dann jedoch merklich ruhiger. Er musste, nachdem er sich die Szenen mit seinen Spielern in der Kabine noch einmal angesehen hatte, kleinlaut zugeben: "Die roten Karten gehen alle in Ordnung." Und er fügte an: "Heute haben wir uns selbst geschlagen." Khelifi etwa musste vom Platz, nachdem er seinen Fuß im Zweikampf so hoch gestreckt hatte, dass er Gegner Marc Lais ins Gesicht trat.

Trotz der frühen Unterzahl verteidigte die Eintracht anfangs solide und ging in Führung: Verteidiger Joseph Baffo köpfte einen Abstauber ins Tor (42.). "Wir wussten, dass wir in Unterzahl gut verteidigen müssen", sagte Kapitän Ken Reichel, nicht verwandt oder verschwägert mit dem Schiedsrichter. "Dass dann die erste Chance nach Wiederanpfiff zum Ausgleich reicht, ist sehr unglücklich." Regensburgs Kapitän Marco Grüttner traf ebenfalls per Kopfball (47.) in den Minuten, in denen den Braunschweigern die Partie entglitt. Sie taten sich schwer damit, als Favorit in die Oberpfalz gereist zu sein.

Und so waren die beiden folgenden roten Karten eine Folge des Frusts über den Spielstand: Der für die Defensive als Verstärkung erst kurz zuvor eingewechselte Sauer hakelte nach einem Zweikampf mit seinem Knie gegen Alexander Nandzik nach (64.). Gegen neun Mann drehten die nun überlegenen Regensburger dann die Partie durch Jonas Nietfelds Tor zum 2:1 (77.). Es folgte das Foul des gefrusteten Mirko Boland, der Lais in der Schlussminute an der Eckfahne regelrecht umnietete und daher nach einer gelb-roten Karte vom Platz trottete. "Es war ein sehr emotionales Spiel, das schwer zu verdauen ist", gab Fejzic zu.

Sein Trainer Lieberknecht weiß am besten, wie unnötig diese Niederlage in Regensburg war für seine Mannschaft. Diese Saison soll ja im besten Falle mit dem direkten Aufstieg für die Niedersachsen enden. Nachdem die hoch ambitionierten Stuttgarter und Hannoveraner, die sich im Mai noch als zu stark für die Eintracht erwiesen hatten, nach oben entflohen sind, wird vielen Teams der Sprung in die erste Liga zugetraut, allen voran jedoch der Eintracht. Sie startet ihren zweiten Anlauf.

Nur hapert es damit. Lediglich zwei Siegen stehen in dieser Saison bereits fünf Unentschieden gegenüber. In Regensburg verloren die Braunschweiger nun erstmals und sind in der Tabelle ins Mittelfeld abgerutscht. Zudem scheiterten sie im Pokal am Ligakonkurrenten Holstein Kiel, in jener Partie flog Baffo vom Platz. Seine drei Kollegen, die sich beim SSV Jahn vorzeitig verabschiedeten, fehlen der Eintracht nun im Derby gegen den FC St. Pauli, über das Fejzic nach der Partie wieder beruhigt sagte: "Jetzt heißt es für uns: Mund abputzen und uns in den Zweikämpfen besser verhalten."

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