Brasiliens Offensive bei der WM:Kollektive Starre statt jogo bonito

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Glücklos, auch in diesem Kopfball: Brasiliens Oscar (gelbes Trikot).

(Foto: AFP)

Neymar rennt wie ein Hase, Oscar taucht ab, Hulks Oberschenkel streikt: Beim 0:0 gegen Mexiko bleibt der Angriff des selbsterklärten WM-Favoriten Brasilien erneut seltsam blass. Am Ende soll es gar eine Standardsituation richten.

Von Thomas Kistner, Fortaleza

Felipe Scolari, der Coach der Seleção, hatte seine Stammformation unter Schmerzen umgestellt, aber diesmal musste es sein. Stürmer Hulks Oberschenkel streikte, der bullige Hulk war draußen - ohne grün anzulaufen vor Wut. Auf der Bank wirkte er grau vor Gram, zumal seine ganze Familie, die im Nordosten lebt, ins Stadion gekommen war. Ramires hieß der Reservist, den Scolari aufs Feld schickte. Und ein Ergänzungsspieler blieb der Mann aus Chelsea, die erste Hälfte verfolgte er nur scheu vom rechten Spielfeldrand aus.

Es ist zuweilen ein harter Job in Brasiliens vorderen Reihen, wenn Neymar richtig aufdreht. So, wie es seine Art gerade hier ist, im Stadion Castelão: Immer wieder jagte er wie ein Hase übers Feld und zog eine Meute Mexikaner hinter sich her; von der wilden Hatz konnten aber all seine Kombattanten im Angriff nicht profitieren. Die standen meist nur staunend Spalier.

Sturmspitze Freds Mitwirken reduzierte sich auf einen harmlosen Kopfball und eine Abseitsposition, ansonsten orchestrierte er das Publikum, das sich aber ohnehin heiser brüllte. Auch Oscar, im Eröffnungsspiel eine Art Neben-Neymar und bester Mann, ging unter auf der linken Seite, über die er meist kam. Die kollektive Angriffsstarre sorgte dafür, dass Neymar auch die beste Torchance erzwingen musste; per Kopfball, was nicht seine Stärke ist.

Scolaris Konsequenz zur Pause: Ramires blieb draußen, er schickte Stürmer Bernard ins Getümmel. Der nur drei Minuten brauchte, um die erste gefährliche Angriffsaktion einzuleiten, die nicht von Neymar ausging. Ein Strohfeuer, die Abteilung Attacke kam nicht in die Gänge. Scolari schnappte sich Fred an der Außenlinie und schickte ihn weiter nach vorne, er sollte Lücken reißen, Platz schaffen für die Nebenleute.

Doch Fred gewann keinen Fußbreit Boden gegen Mexikos beinharte Abwehr, die sich auch eingedenk der stillen Logik ins Zeug legten, dass es nach der Referee-Affäre im Eröffnungsspiel so schnell nicht wieder einen Strafstoß für Fred geben dürfte. "Es war hart", sagte der Stürmer nach der Partie - und versprach, im dritten Spiel gegen Kamerun endlich zu treffen. Neymar, der erneut zurückhaltend aus der Pause gekommen war, probierte einen der Freistöße, die Scolari intensiv hatte üben lassen: ein guter Versuch. Aber weil jetzt schon eine Standardsituation für Torgefahr sorgen musste, mischte Scolari seinen Angriff gleich neu. Jo kam für Fred, Oscar durfte endlich nach rechts - und tauchte auch dort ab.

Für ihn brachte Scolari nun Willian, so blieb wenigstens die Chelsea-Quote intakt. Jo verzog unbedrängt, wie man das zu häufig von ihm sah in der Premier League (mittlerweile kickt er bei Atletico Mineiro). Am Ende war es Kapitän Thiago Silva, der nach vorne eilte und die größte Chance des Spiels erzwang: Aus vier Metern köpfte er Torwart Ochoa an. Er ist halt kein Stürmer.

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