Brasilien unterliegt Mexiko im Fußballfinale:Die Blamage beginnt in Sekunde 27

Der brasilianische Fußballverband hatte das Olympische Fußballturnier zum Test-Wettkampf für die WM erklärt - auch deshalb spielten Akteure wie Thiago Silva, Hulk, Alexandre Pato und Neymar mit. Doch das Finale gewann Mexiko 2:1 - und blamierte so eine Seleção, die erst in der Nachspielzeit aufwachte.

Jürgen Schmieder, London

Oribe Peralto war erst ein paar Meter gelaufen in diesem Fußballfinale der Olympischen Spiele in London. Er hatte sich gerade in Richtung der brasilianischen Innenverteidiger orientiert, als ihm plötzlich der Ball in die Füße rollte, halb geklaut vom Mitspieler, halb verstolpert von Brasiliens Rafael. Peralto nahm das Spielgerät, er hätte durchaus Zeit gehabt, Rafael eine Dankeskarte zu schreiben, so alleine stand er vor dem brasilianischen Tor. Dann drosch er den Ball recht humorlos in die linke untere Ecke.

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Brasiliens Neymar kann es nicht fassen: Gold verpasst

(Foto: AFP)

Die Szene ereignete sich nach exakt 27 Sekunden, es war das schnellste Tor, das jemals bei Olympischen Spielen erzielt wurde. Weil Peralto später noch einmal traf, gewann Mexiko das Finale des Fußball-Wettbewerbs und sorgte dafür, dass Brasilien auch bei der zwölften Teilnahme nicht Olympiasieger werden konnte - und sich angesichts der Weltmeisterschaft 2014 im eigenen Land und den zahlreichen Ankündigungen, dieses Turnier sicher gewinnen zu werden, gehörig blamierte.

Der brasilianische Fußballverband hatte das Olympische Fußballturnier ja zum Test-Wettkampf für die WM erklärt - auch deshalb spielten Akteure wie Thiago Silva, Hulk, Alexandre Pato und Neymar mit. Der erste Olympiasieg Brasiliens war Pflicht, zum Endspiel war Pelé angereist und hatte gesagt: "Ich will nach Brasilien zurück mit der Goldmedaille, die ich nie haben durfte." Neymar hatte versprochen: "Wir werden für die Größen der Vergangenheit spielen. Wir können sie und die Fans glücklich machen."

Dann begann das Finale - und schon stand es 0:1 durch diesen Treffer von Peralto. Die Brasilianer reagierten nicht wirklich geschockt auf dieses Gegentor, es hatte vielmehr den Anschein, als hätten sie diesen Rückstand eingeplant oder gar beabsichtigt, damit es für die Zuschauer ein wenig spannend würde. Aber am Ende, so die Körpersprache der Brasilianer, da würden sie leicht und locker Olympiasieger zu werden.

Sie wollten Fußball spielen an diesem Nachmittag im Wembleystadion vor fast 90.000 Zuschauern, aber sie wollten nicht Fußball arbeiten: Neymar fiel erst durch seine Frisur auf und dann durch einen Rempler gegen den mexikanischen Torschützen Peralta. Leandro Damiao, der in vier Partien vor dem Finale sechs Treffer erzielt hatte, war zunächst einmal mit Herumstehen beschäftigt. Und Oscar war sehr konzentriert beim Versuch, sein Trikot nicht durch Schwitzen zu verunreinigen.

Das war also dieses berühmte und gefürchtete Offensiv-Trio, diese brasilianischen Supertalente, die sich warmspielen und der Welt schon mal zeigen sollten, worauf sie sich in zwei Jahren einzustellen hat. Neymar, Oscar und Damiao - bislang mit insgesamt zehn Turniertreffern - kamen in der ersten Halbzeit geschätzt auf gemeinsame acht Kilometer Laufweg und eine Zweikampfquote von 20 Prozent.

Trainer Mano Menezes reagierte deshalb bereits nach 30 Minuten und schickte Hulk aufs Feld. Der Angreifer vom FC Porto - umworben von etwa zehn europäischen Spitzenklubs - heißt nicht nur wie eine Actionfigur, er sieht auch ein bisschen so aus und kann auch so schießen. Er prügelte den Ball sogleich aufs Tor (31.), doch der mexikanische Torwart Jose Corona reagierte herausragend.

Dieser Schuss sendete ein Signal an Hulks Kollegen, nun endlich auch einmal zu laufen und Stilmittel wie wuchtige Fernschüsse und gut getimte Grätschen zu verwenden. Das taten sie dann auch, weshalb nun auch die Kombinationen funktionierten und sich daraus Torchancen ergaben. Damiao (32.) scheiterte ebenso knapp wie Marcelo (40.), Oscar war bei einem Zuspiel im Strafraum unkonzentriert (37.).

Brasilianer rabiat und ruppig

In der zweiten Halbzeit dann agierten die Brasilianer aktiver, aggressiver und spielfreudiger, was freilich auch daran lag, dass die Mexikaner eine Mauer aufbauten, dahinter noch eine Mauer und dahinter noch eine. Die beiden Stürmer verteidigten an der Mittellinie vor zwei Viererketten - einen eigenen Angriff inszenierten die Mexikaner nur noch, wenn ihnen nichts anderes mehr übrig blieb.

Das war in der 62. Spielminute der Fall, als Marco Fabian einem Ball einfach mal hinterher spurtete und sich Juan Jesus tatsächlich einen tölpelhaften Fehler leistete. Fabian umspielte den Torwart, verlor jedoch die Balance und musste einen Rückzieher versuchen. Der Ball flog in hohem Bogen auf das Tor zu, klatschte oben an die Latte und von dort ins Spielfeld zurück. Sieben Minuten später dann schossen die Mexikaner ein Tor, doch das zählte nicht. Abseits. Zwei Minuten danach köpfte Fabian knapp über das Tor. Immer noch war Peraltas Treffer der einzige in diesem Spiel.

Die Offensivaktionen der Brasilianer waren nun durchdachter, doch beim Abschluss merkte man doch, welch immenser Druck auf den jungen Spielern lasten musste. Neymar schoss erst einen Gegenspieler an, später wuchtete er den Ball aus 14 Metern in den zweiten Rang der Zuschauertribüne. Oscar bekam bei einem Zuspiel im Strafraum ebenso einen Zitterfuß wie danach Rafael. Damiao schaffte bei einem Drehschuss ein formschönes Luftloch.

Etwa 20 Minuten vor dem Ende wurden die Brasilianer nervös: Konnte es wirklich sein, dass sie dieses Finale verlieren könnten? Und dann auch noch gegen Mexiko, den Nachbarn im Norden? Sie wurden auch rabiat und ruppig, immer wieder gab es Fouls. So bekamen die Mexikaner in der 74. Spielminuten einen Freistoß zugesprochen, der Ball kam zu Peralta - und der köpfte ihn ins rechte Eck. Die Partie war entschieden, die Brasilianer griffen zwar weiter an, erzielten jedoch nur noch den Treffer durch Hulk kurz vor dem Ende.

Die brasilianische Mannschaft kehrt wieder ohne Goldmedaille in die Heimat zurück, sie hat sich angesichts der teils arroganten Ankündigungen sogar blamiert. Grämen muss sie sich indes nicht: Carlos Dunga, Bebeto, Romario, Roberto Carlos, Rivaldo, Ronaldinho - sie alle scheiterten bei Olympia. Und sie alle wurden danach Weltmeister.

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