Brasilien:Rätsel um Neymars Tränen

  • Auf einer Pressekonferenz der brasilianischen Nationalmannschaft bricht Kapitän Neymar in bittere Tränen aus.
  • Die Frage nach dem Grund ist nicht leicht zu beantworten.

Von Javier Cáceres

Es ist offenbar nicht einfach, Neymar Jr. zu sein. Okay, er lebt am Rande von Paris. Aber nicht in der Banlieue, sondern in einer Gegend, wo es fünfstöckige Anwesen mit 5000-Quadratmeter-Garten und Swimmingpool gibt. Er ist mit 25 Jahren Kapitän der Fußball-Nationalelf Brasiliens, einem WM-Titelkandidaten. Und sein Arbeitgeber, der französische Erstligist Paris Saint-Germain, hat für ihn nicht nur 222 Millionen Euro Ablöse an den FC Barcelona überwiesen, sondern stattet den Stürmer zudem mit einem Gehalt aus, das ihm erlauben würde, sich täglich ein von Alain Ducasse kredenztes 400-Euro-Menü als Abendbrot liefern zu lassen.

Nicht so einfach am Dasein Neymars ist, dass er eine Seele hat, die schmerzen kann. Das Gute: dass er sie hervorkehren kann und jeder Notiz davon nimmt. Weltweit.

Nationaltrainer Tite verteidigt Neymar

Zu begutachten ist das seit Freitag. Niemand spricht mehr davon, dass Brasilien in Lille einen Testkick gegen Japan mit 3:1 gewann (und Neymar dabei einen Elfmeter verwandelte, einen weiteren vergab). Sondern davon, dass Neymar am Ende einer Pressekonferenz, zu der er "freiwillig" erschienen war, "um das zu erzählen, was ich glaube", bitterlich weinte. Was er erzählen wollte? Nun, zum Beispiel dies: "Ich habe bei PSG kein Problem, was mich stört, ist der Druck der Medien. Ich war glücklich, als ich (im Sommer 2017) Barcelona verließ, und ich bin jetzt glücklich".

Dass er sich angeblich nicht mit Trainer Unai Emery und Mitspielern wie Ángel Di María oder Edinson Cavani versteht: ebenso "falsch" wie die Gerüchte über angebliche Gelüste, nach Spanien zurückzukehren. Darauf wird so beharrlich herumgeritten, dass Real Madrids Verteidiger Sergio Ramos, darauf angesprochen, sagte, dass eine Verpflichtung Neymars großartig wäre. Obwohl: "Man müsste halt auch über die Sache mit dem Geburtstag der Schwester verhandeln, hihi", sagte Ramos in Anspielung darauf, dass Neymar seit Jahren entweder verletzt oder gesperrt ist, wenn das Schwesterlein den Ehrentag feiert.

Glaubt man Brasiliens Nationaltrainer Tite, so lässt Neymar niemanden hängen. Tite zeigte in Lille auch Verständnis dafür, dass Neymar es leid sei, Nachrichten zu hören und zu lesen, die angeblich nicht stimmen: "Es wurde auch berichtet, ich hätte Probleme mit Neymar. Falsch!", sagte der Coach, "ich kann sachkundig von seinem Charakter sprechen" und "nur Gutes berichten". Womit wir bei den erwähnte Tränen Neymars wären. Denn kaum hatte Tite ausgesprochen, weinte Neymar los, bedankte sich beim Coach, stand auf - und ließ ein ratloses Publikum zurück.

Denn dass Neymar beteuert, in Paris glücklich zu sein, will nicht so recht dazu passen, dass ihm Wasser in die Augen schießt. Und so fragt man sich in Brasilien, ob Neymar die Trennung vom sechsjährigen Sohn, der in Barcelona bei der Mama lebt, mehr zu schaffen macht als das Ende seiner Liaison mit Bruna.

Jüngst hat er ihn besucht und einen Abstecher aufs Trainingsgelände seines Ex-Klubs FC Barcelona gemacht. Die Zeitung Sport berichtet, Neymar habe dort frühere Mitspieler mit einer Frage überrascht, die wohl halb scherzend und halb ernst gemeint war. Sie lautete: "Würdet ihr mich zurücknehmen?"

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