Brasilien im Viertelfinale:Neymars Show und Gaunereien

  • Rekord-Weltmeister Brasilien gewinnt in der Hitze von Samara das Achtelfinale gegen Mexiko 2:0 (0:0).
  • Neymar fällt in der Offensive mit einem Tor und einer Vorlage auf, doch er leistet sich auch wieder eine Schauspielerei.
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Von Javier Cáceres, Samara

Brasiliens Nationalelf hat der Neigung der Turnierfavoriten in Russland widerstanden, frühzeitig die Heimreise anzutreten. Nach den weitgehend überraschenden Rückreisen von Weltmeister Deutschland, Argentinien und Spanien qualifizierte sich der fünfmalige Weltmeister am Montag in Samara durch einen 2:0 (0:0)-Sieg gegen Mexiko für das Viertelfinale einer WM, die zuletzt den Charakter eines Elefantenfriedhofs angenommen hatte. Brasiliens Traum vom sechsten Stern auf dem Trikot blieb vor allem dank einer brillanten Leistung von Außenstürmer Willian, dem zweiten Turniertreffer von Neymar Jr. (51.) und einem späten Tor des eingewechselten Roberto Firmino (88.) intakt. Die Mexikaner hingegen scheiterten zum siebten Mal in Serie im Achtelfinale einer WM. Für sie bleibt das viel beschworene "fünfte Spiel" - die Teilnahme an einem WM-Viertelfinale - eine Schimäre.

Das Spiel fand unter denkbar ungünstigen klimatischen Bedingungen statt. Am Ufer der Wolga wurden bei Spielbeginn 31 Grad Celsius vermeldet - gefühlt lag die Temperatur weit darüber. Linksverteidiger Marcelo, der wegen seiner Rückenprobleme nur auf der Bank saß, blieb sicherheitshalber zum Aufwärmen im Kabineninnern. Doch das geriet rasch zur Anekdote. Denn die Mexikaner waren gewillt, dem Spiel ein infernales Tempo aufzudrücken.

Mehr noch: In den ersten 25 Minuten schienen sie von der Idee beseelt zu sein, die Mannschaft von Joachim Löw zu rehabilitieren. Das DFB-Team, so konnte man das Spiel der Mexikaner gegen Brasilien auch lesen, war im Auftaktspiel eben nicht nur an sich selbst, sondern auch an einer mexikanischen Elf gescheitert, die besser organisiert ist als vor einem guten Jahrhundert die Revolutionstruppen des Pancho Villa. Zwar hatten sie nur wenige Chancen, die so hervorragend waren wie der in letzter Sekunde abgeblockte Schuss von Hirving Lozano (2. Minute). Aber die Aktionen des Dreiersturms aus Carlos Vela, Javier "Chicharito" Hernández und eben Lozano rochen immer nach Schwarzpulver.

Mexiko hält den Belästigungen der Brasilianer stand

Sei es, ob sie mit der Maßgabe auf den Platz gegangen waren, ihre Kräfte einzuteilen, oder ob es nur an den Mexikanern lag - von den Brasilianern war lange nichts zu sehen. Die Mexikaner verstellten die Wege so geschickt, dass die Brasilianer ihr Offensivquartett - Willian, Gabriel Jesús, Coutinho und Neymar - nur mit Pässen in den Fuß, nie in den Raum bedienen konnten. "Wir mussten leiden, es war sehr schwer. Wir wussten, dass wir vorne nur einen rein machen müssen, weil wir hinten sicher stehen", sagte Neymar.

In der 25. Minute erst schaffte er es, sich in einer Eins-gegen-eins-Situation durchzusetzen und Torwart Guillermo Ochoa zu prüfen. Es folgten Minuten, in denen es wirkte, als wollten die Brasilianer ihre Kraft zeigen. Coutinho versuchte es aus guter halblinker Position, verzog allerdings aus 16 Metern; Neymar setzte einen direkten Freistoß neben das Tor. Doch die Defensive der Mexikaner hielt den Belästigungen der Brasilianer stand - auch wegen der ansprechenden Leistung von Rafael Márquez, der als erster Fußballer überhaupt zum fünften Mal ein WM-Achtelfinale bestreiten durfte. Der Kapitän der Mexikaner ist allerdings nun auch schon 39 Jahre alt - und wurde daher zur Halbzeit gegen Miguel Layún ausgetauscht. Dieser wurde auf die Rechtsverteidigerposition beordert, um Neymar in den Griff zu bekommen. Das sollte sich als fatal erweisen.

Die Brasilianer wollten sich die Dominanz nicht mehr nehmen lassen. Drei Minuten nach Wiederanpfiff prüfte Coutinho die Widerstandsfähigkeit der Fäuste von Keeper Ochoa; wiederum drei Minuten später zog Neymar von der linken Flanke nach innen, legte per Hacke auf den nominellen Rechtsaußen Willian ab, der überraschend und wuchtig auf der linken Seite in den Strafraum drang - und war im Fünfmeterraum zur Stelle, als Willian den Ball mustergültig vors Tor drosch. 1:0.

"Ein schlechtes Beispiel für die Kinder", schimpft Mexikos Trainer

Damit hatten die Brasilianer die Mexikaner am Revers gepackt. Sie ließen nicht mehr los, sondern schüttelten sie weiter durch. Mittelfeldspieler Paulinho wurde von Rechtsverteidiger Fágner im Strafraum bedient; Ochoa vereitelte die Chance. In der 64. rettete Ochoa erneut - diesmal gegen Willian, der nach einem Übersteiger einen scharfen Schuss aus 14 Metern abgab. Dem hatten die Mexikaner nur einen Konter entgegenzusetzen: Carlos Vela allerdings fand bei seinem 18-Meter-Schuss seinen Meister in Brasiliens Torwart Alisson. Zwischendrin sorgte Neymar für Aufsehen - nach einem offenkundig unfeinen, aber leichten Tritt von Layún auf den rechten Knöchel verlangte er wieder mal theatralisch nach der letzten Ölung.

Nicht nur aufgrund dieser Szene reagierte Mexikos Trainer Juan Carlos Osorio pikiert. In der Pressekonferenz warf er dem Schiedsrichter vor, dass der auf die "Gaunereien" eines Brasilianers hereingefallen sei, dessen Theatralik ein schlechtes Beispiel für die zuschauenden Kinder sei, gar "eine Schande für den Fußball". Den Namen Neymar erwähnte er nicht, es war jedoch offensichtlich, wen er meinte.

Am Ende lief Neymar bei einem Konter Layún dann zum wiederholten Mal davon - und servierte den Ball dem spät für Coutinho eingewechselten Firmino, der nur noch einzuschieben brauchte. Ansonsten aber hielt sich die Aufregung in Grenzen. Der Defensivverbund der Seleção, der zu den stärksten des Turniers zählt, ließ die mexikanischen Angriffsbemühungen ins Leere laufen. Im Viertelfinale fehlt dem Verbund der gesperrte Casemiro, doch das dürften die Brasilianer verschmerzen können. Bislang haben sie nur gegen die Schweiz einen Treffer hinnehmen müssen.

Ein Umstand, der sie vom "Hexampeonato" träumen lässt - dem sechsten WM-Titel nach 1958, 1962, 1970, 1994 und 2002.

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