Brasilien bei der Copa América:Bei den Ottos

Die Seleção wird in Chile gequält, denn: Sie leidet immer noch unter dem 1:7 aus dem WM-Halbfinale gegen Deutschland im eigenen Land.

Von Javier Cáceres

Die Dämonen der Vergangenheit verfolgen alle Völker dieser Erde, die Brasilianer bilden da keine Ausnahme. Mögen sie auch das Gegenteil behaupten: Sie leiden noch immer unter dem "Mineirazo" - eine Chiffre, die an das 7:1 der deutschen Nationalelf im Halbfinale der Fußball-WM 2014 im Mineirão-Stadion von Belo Horizonte gemahnt. Dass man an so einem Drama mal länger zu knabbern hat - geschenkt. Womit die Brasilianer aber nicht gerechnet haben, ist, dass der "Mineirazo" sie bis nach Temuco in den Süden Chiles verfolgen würde, wohin sie aus Anlass der Copa América, der Südamerikameisterschaft, gereist sind. Der Quartiermeister Brasiliens buchte die Seleção in einem schmucken Fünf-Sterne-Palast namens "Hotel Dreams" ein - Alpträume hat er nun dennoch. Denn das Etablissement liegt ausgerechnet: in der Avenida Alemania. "Schicksal, Karma oder Zufall?", fragt die brasilianische Zeitung O Globo.

Andererseits: Der Reiseleiter der Brasilianer hätte große Probleme gehabt, eine Herberge ohne deutschen Bezug zu finden. Temuco ist ein Zentrum der deutschen Einwanderung, die im 19. Jahrhundert einsetzte. Der Einfluss der "Ottos", wie die Deutschen in Chile genannt werden, ist bis heute ungebrochen. Es gibt deutsches Bier, deutschen Wein, deutsche Schulen, deutschen Gesang; so mancher Saumagen, der von Kellnerinnen im Dirndl aufgetischt wird, schmeckt besser als in der Pfalz. Brasiliens Trainer Carlos Dunga nahm die aktuelle Adresse seines Nationalteams mit Humor zur Kenntnis und behauptete: "Wir lachen darüber." Seit Dungas Zeit im Mittelfeld des VfB Stuttgart (1993 bis 1995) hat er seinen Spielern aber auch eine Erfahrung im Umgang mit von Deutschen verursachten Traumata voraus. In seinem Fall heißt es: "Kehrwoche".

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