Brandãos Haftstrafe:Das Kopfnuss-Exempel

Brandãos Haftstrafe: Ist der Täter inzwischen ein Opfer? Bastias Fußballer Brandão

Ist der Täter inzwischen ein Opfer? Bastias Fußballer Brandão

(Foto: AP)

Der Brasilianer Brandão muss für eine Tätlichkeit im Kabinengang schwer büßen. Ein Richter schickt den Angreifer des SC Bastia für einen Monat ins Gefängnis - ohne Bewährung. Die Strafe wird in Frankreich kontrovers diskutiert.

Von Oliver Meiler

Ein Kopfstoß gibt zu denken, grundsätzlich. Nun aber fragt man sich in Frankreich, ob das Pariser Strafgericht richtig entschied, als es den brasilianischen Fußballer Evaeverson Lemos da Silva, Künstlername Brandão (SC Bastia), wegen eines Kopfstoßes gegen Thiago Motta (St. Germain) zu einem Monat Gefängnis verurteilte - ohne Bewährung.

Oder ob dieses Urteil nicht "völlig überzogen" sei, wie Brandãos Anwalt findet. Nicht nur er denkt so: Eine Umfrage der Zeitung Le Parisien zeigt, dass etwa die Hälfte der Franzosen meint, hier werde ein Exempel statuiert.

So oder so: Der Fall ist eine strafrechtliche Premiere. Der Kopfstoß trug sich im August im Keller des Pariser Prinzenpark-Stadions zu, nach dem Abpfiff auf dem Weg zu den Kabinen. Brandão und Motta, beide als Hitzköpfe bekannt, hatten während des Spiels verbale Bösartigkeiten ausgetauscht, gestichelt, provoziert. So soll Motta dem 34-jährigen Bastia-Stürmer zugeraunt haben: "Du bist kein Mann." So steht es in den Gerichtsakten.

Offenbar sprach er Brandão aber auch auf dessen alten Probleme mit der Justiz an. Vor zwei Jahren war der Brasilianer mit einer Vergewaltigungsklage konfrontiert worden, die jedoch mit einem Freispruch endete. Motta soll Brandão gesagt haben, er sei überzeugt, dass der das Mädchen vergewaltigt habe, worauf ihm der Gegner vorschlug, die Sache nach dem Spiel zu regeln. Unter Männern.

Und so kam es also, dass Brandão den Italiener vor vielen Zeugen und im Fokus von Überwachungskameras abpasste, mit einer trockenen Geste den Kopf ins Gesicht rammte und schnell wegrannte.

Selbst die Ankläger waren überrascht von dem Strafmaß

Die Bilder gingen um die Welt. Mottas Nase blutete, sie war gebrochen. Anzeige erstatten mochten aber weder er noch der Verein. Die Initiative ergriffen stattdessen die Polizei und die Pariser Staatsanwaltschaft. Die zentrale Frage war, ob Brandão vorsätzlich gehandelt habe, wie es die Aufnahmen nahelegten. Man sieht darauf, wie er auf Motta wartet, ihm den Kopfstoß verabreicht, ohne davor mit ihm zu reden - und türmt. Oder war er doch, wie es sein Verteidiger beteuerte, einem "plötzlichen, unbedachten Impuls" erlegen? Die Richter hielten den Vorsatz für erwiesen.

Die harte Strafe begründeten sie damit, dass es "grundsätzlich ein Gewaltproblem in den Stadien" gebe und dass dieser Fall ein starkes Medienecho ausgelöst habe. Der Kopfstoß drängte sich gewissermaßen als Exempel auf.

Selbst die Anklage war überrascht vom harten Urteil, sie hatte nur eine Bewährungsstrafe gefordert. Erstaunt war auch Noël Le Graët, der Präsident des französischen Fußballverbands: "Das Urteil kommt mir etwas arg streng vor", sagte er. Der Verband hatte Brandão für sechs Monate gesperrt, bis Ende Februar 2015. Das Verdikt der Sportjustiz, fanden auch Motta und PSG, machte den Gang vor die Strafjustiz vollends überflüssig.

Als das Urteil bekannt wird, liegt Brandão im OP-Saal

Vielleicht wäre es ihnen auch ganz recht gewesen, wenn die Hintergründe von Brandãos gewalttätiger Revanche, die Sticheleien auf dem Rasen, nicht so prominent in der Öffentlichkeit verhandelt worden wären. Man weiß ja nicht erst seit Zinédine Zidanes legendärer Brustnuss gegen Marco Materazzi im WM-Finale 2006, dass es diese Provokationen gibt, und dass sie angeblich dazugehören, wie es immer heißt. Nach dieser Lesart gehört auch ein Kopfstoß dazu.

Brandão lag übrigens gerade im OP-Saal, unter Narkose, als das Urteil bekannt wurde. Er musste am Oberschenkel operiert werden, just am Tag der Urteilsverkündigung. Das Gericht hat sich auch darüber geärgert. Ins Gefängnis wird der Brasilianer wohl trotzdem nicht müssen. In der Regel werden solche Strafen umgewandelt - in Arbeitseinsätze für gemeinnützige Zwecke. Wie die aussehen könnten, ist nicht bekannt. Vielleicht etwas mit dem Kopf.

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