Boxen - Klitschko vs. Haye:"Nächstes Mal schlage ich dich k. o."

Auf diesen Tag haben sie hingearbeitet, jetzt haben sie ihren Traum wahr gemacht: Nach Wladimirs sauberem Sieg über den Briten David Haye gehören den Klitschkos jetzt alle wichtigen Schwergewichtstitel im Boxen. Der Unterlegene begründet die Niederlage mit einer Verletzung - und fordert schon einen Rückkampf.

Jürgen Schmieder, Hamburg

Die schönsten Momente kamen nach dem Kampf. David Haye hatte gerade gegen Wladimir Klitschko geboxt und eindeutig verloren, da gingen er und Klitschkos Bruder Vitali aufeinander zu. Und gaben sich die Hand. Als dann das Urteil der Punktrichter verkündet wurde, applaudierte Haye seinem Gegner. Er gratulierte ihm. Dann gaben sich Haye und Wladimir Klitschko respektvoll die Hand - und für einen Augenblick schien es, als wollten sich die beiden umarmen.

Boxen - Klitschko - Haye

Sein größter Tag: Wladimir Klitschko (rechts) besiegt David Haye.

(Foto: dpa)

Sie war also friedlich zu Ende gegangen, diese Titelvereinigung im Schwergewicht, die martialisch als "Krieg" angekündigt worden war und vor der sich beide Boxer immerhin einen verbalen Schlagabtausch mit einigen Tiefschlägen geliefert hatten. Nachdem Haye sich zu kreativen und teils degoutanten Provokationen hinreißen ließ, kündigte schließlich auch Wladimir an, Hayes Gesicht werde nach dem Kampf "einem Schlachtfeld" gleichen.

Am Ende sahen sie besser aus, die Gesichter der beiden Boxer, als sie zwei Stunden nach dem Kampf zur Pressekonferenz erschienen. Aber ramponiert waren sie schon. Klitschko trug seine Veilchen offen zur Schau, Haye verbarg sein Antlitz hinter einer überdimensionalen Sonnenbrille. "Es passiert nicht oft, dass ich nach einem Kampf so aussehe", sagte Klitschko. Haye ergänzte: "Ich wurde viel öfter und härter getroffen, als ich es gewohnt bin."

Er war ein spannender Kampf zwischen zwei kraftvollen und taktisch hervorragend ausgebildeten Boxern - übermäßig spektakulär jedoch war er nicht. Das lag vor allem daran, dass beide boxerisch zu großen Respekt voreinander hatten, um konsequent nach einem Treffer mutig nachzusetzen. Vor allem Haye hätte nach schweren Treffern die Möglichkeit dazu gehabt.

Klitschko dominierte die Auseinandersetzung von Beginn an, das war zu erwarten gewesen. Wie so häufig setzte er seine linke Führhand geschickt ein und traf auch mit der Schlaghand wirksam. Zwei Runden lang wich Haye zurück, tänzelte, provozierte - dann startete er seine ersten explosiven Angriffe, die ihm in der Vergangenheit den Beinamen Haymaker eingebracht hatten. Nur: Haye setzte nach teils schweren Treffern an Klitschkos Kopf nicht nach, sondern wich wieder zurück, und schon war Klitschko erneut der agierende Boxer.

"Wir wussten, dass Haye nach Angriffen kurzzeitig die Balance verlieren würde, also sollte Wladimir abwarten und nach Attacken von Haye kontern", sagte Klitschkos Trainer Emanuel Stewart nach dem Kampf. "Wir hatten nur nicht damit gerechnet, dass Haye seinen Kopf und seinen Oberkörper derart schnell bewegen kann, dass er diesen Kontern ausweichen kann. Dennoch ist unser Plan perfekt aufgegangen, es war ein großer Kampf von Wladimir." Da ergänzte Haye: "Es war ein perfekter Kampf von Wladimir!"

Freilich kam der Kampf nicht ohne ein paar Scharmützel aus. Immer wieder ging Haye zu Boden und zeigte dem Ringrichter an, gestoßen worden zu sein. Klitschko dagegen bezichtigte seinen Gegner der Schauspielerei. Beide hatten Recht, das sah auch der Ringrichter so und verwarnte zuerst Klitschko, zählte dann Haye an, obwohl er nicht niedergeschlagen wurde.

"Das ist Boxen", sagte Haye nach dem Kampf. "So etwas gehört zu einem Kampf im Schwergewicht." Dem wollte Klitschko nicht unbedingt zustimmen: "David, du hast das Cruisergewicht beherrscht, dafür gebührt dir Respekt. Aber das Schwergewicht ist eine andere Liga. Es geht um Größe, es geht um Gewicht, es geht um Kraft."

Rückkampf nicht ausgeschlossen

Zwei wichtige Aspekte jedoch hatte Klitschko vergessen: Schnelligkeit und Beweglichkeit. Vor dem Kampf wurde häufig kolportiert, unter anderem von den ehemaligen Weltmeistern Lennox Lewis und Evander Holyfield, dass diese beiden Eigenschaften das Duell zwischen Klitschko und Haye entscheiden würden - und das taten sie auch, nur für Klitschko.

Der präsentierte sich mit exzellenter Beinarbeit und einen in der Defensive herausragend beweglichen Oberkörper. Freilich war Haye der schnellere Mann, es sah jedoch mitnichten so aus, als würde Klitschko im Vergleich dazu in Zeitlupe boxen. "Seine Beinarbeit und seine Beweglichkeit werden gemeinhin unterschätzt", sagte Stewart. Immer wieder wich Klitschko geschickt zurück, die wenigen schweren Treffer steckte er erstaunlich unerschüttert weg. Dafür traf auch er Haye hart, der aber seinerseits gute Nehmerqualitäten bewies. "Andere Boxer wären nach solchen Treffern aus den Schuhen gekippt, ich bin stehen gelieben. Ich glaube, damit habe ich gezeigt, dass ich ein würdiger Gegner war", sagte Haye.

Klitschko hat diesen Kampf verdient gewonnen mit einer beeindruckenden Leistung, er hält nun die Titel von drei bedeutenden Verbänden, den anderen wichtigen Gürtel besitzt sein Bruder Vitali. "Auf diesen Tag haben wir jahrelang hingearbeitet, wir haben unseren Traum wahr gemacht, alle wichtigen Titel in den Besitz der Klitschko-Familie zu bringen." Er verzichtete auf eine Schimpftirade gegen Haye, sondern sagte nur, dass ihn Hayes böse Aktion - er hatte ein T-Shirt mit den abgetrennten Klitschko-Köpfen präsentiert - "angepisst" hätte. Hayes Konter: "Dann habe ich ja mein Ziel erreicht."

Es wäre nun zu schön gewesen, hätte Haye seinem Gegner diesen Triumph gegönnt und dabei zugehört, wie der über erfüllte Träume spricht. Er habe sich vor drei Wochen den Zeh gebrochen, ätzte Haye. "Ich will es nicht als Entschuldigung anführen, denn ich hasse unterlegene Boxer, die Ausreden suchen. Aber ich konnte meine Schlaghand nicht anbringen, weil mich dieser gebrochene Zeh behindert hat."

Zum Beweis sprang Haye auf den Tisch und präsentierte allen den kleinen Zeh seines rechten Fußes, der in der Tag arg geschwollen war. "Ich würde gerne gegen Wladimir boxen, wenn ich absolut fit bin", sagte Haye, worauf Klitschko nicht ausschloss, dass es einen Rückkampf geben könnte. "Ich habe dich leider nicht K.o. schlagen können - dann mache ich das halt nächstes Mal."

Er habe den Kampf nicht verschieben wollen, weil er nicht als Feigling habe dastehen wollen, versicherte Haye am Ende. Er ist gewiss kein Feigling, und er hat sich an diesem Abend als würdiger Herausforderer präsentiert, der gegen einen noch besseren Boxer verloren hat. Aber er ist noch etwas, dieser David Haye - und das sagte Klitschko am Ende deutlich: "Wenn du nun eine Verletzung als Grund für die Niederlage anführst, dann bist du ein schlechter Verlierer."

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