Boxen: Witali Klitschko:Retter des Schwergewichts

In Deutschland füllen die Kämpfe der Klitschkos Stadien, in den USA will kaum jemand Witalis Duell mit Shannon Briggs sehen. Das liegt aber nur zum Teil an den boxenden Brüdern.

Jürgen Schmieder

Die PR-Abteilung der boxenden Brüder Witali und Wladimir Klitschko hat wieder einmal perfekt gearbeitet. Die Halle in Hamburg ist seit Wochen ausverkauft, es werden sowohl jene Stühle ganz vorne besetzt sein, die für Prominente aller Kategorien reserviert sind, als auch die Plätze, auf denen ein Opernglas nötig ist, um das Geschehen im Ring zu verfolgen. RTL sendet Werbespots und darf am Samstagabend beim Kampf zwischen Witali Klitschko und Shannon Briggs auf eine Zuschauerzahl in zweistelliger Millionenhöhe hoffen.

Pressekonferenz Vitali Klitschko vs Shannon Briggs

Witali Klitschko und Shannon Briggs: Vor dem Kampf gab es die üblichen Mätzchen, Sprüche - und den Augenseh-Contest.

(Foto: dapd)

Herausforderer Briggs zeigte sich bei Auftritten als muskelbepacktes und vor allem wortgewaltiges Kerlchen. Ein verbales Scharmützel bei der Pressekonferenz wurde zum Skandal ausgerufen, ein paar lockere Sätze beim öffentlichen Training zur Provokation stilisiert. Witali Klitschko gab sich dagegen wie immer zurückhaltend und freundlich, in den Zeitungen war zu lesen, wie er beim Training am Hamburger Hafen einen Obdachlosen dazu motivierte, sein Leben umzukrempeln.

Es ist wie so oft eine perfekte Inszenierung, die in Deutschland für Begeisterung sorgt - in den Vereinigten Staaten jedoch eher ein Gähnen hervorruft. "Es gibt derzeit in den Vereinigten Staaten kaum Interesse am Schwergewicht", sagt Ross Greenburg, Sportchef von HBO. Der amerikanische Bezahlsender war in den vergangenen Jahren der Ansprechpartner für Promoter und wichtiger Gradmesser: Zeigte HBO einen Kampf, dann war er wichtig.

Die Gründe für das mangelnde Interesse an den Kämpfen der Klitschkos sind mannigfaltig. "Die Kämpfe finden in Europa statt, wir müssen sie zeitversetzt zeigen - dafür interessiert sich hierzulande jedoch kaum jemand", sagt Greenburg. "Es gibt außer David Haye auch keinen, der die Klitschkos ernsthaft herausfordern könnte." Zudem sei dem amerikanischen Publikum nicht klar, wer denn nun gerade in den Ring steigen würde: Witali oder Wladimir. Unter der Hand wird den Klitschkos vorgeworfen, langweilig zu boxen und die Kämpfe unnötig in die Länge zu ziehen.

So spielerisch die ukrainischen Brüder derzeit das Schwergewicht dominieren, so schwer tun sie sich, auf dem amerikanischen Markt Fuß zu fassen - obwohl genau das noch vor Jahren das erklärte Ziel war. Witali trat seit seinem Comeback 2008 nur einmal in Los Angeles an, Wladimir bestritt nur einen der letzten acht Kämpfe in den USA. "Das amerikanische Boxen ist in einer Krise, nicht nur im Schwergewicht", sagt Klitschko-Manager Bernd Bönte.

Bei Witali Klitschko sorgen diese Aussagen Greenburgs für Unverständnis, er ist verärgert über die Weigerung von HBO, Klitschko-Kämpfe auszustrahlen. "Ich verstehe HBO nicht", sagt er. "Mein Kampf gegen Lennox Lewis (im Jahr 2003, Anm. d. Red.) hatte großartige Einschaltquoten, ebenso das Duell mit Corrie Sanders (2004). Und der Fight gegen Chris Arreola (2009) war unter den meistgesehenen Sendungen des Jahres." Nur: All diese Kämpfe fanden in den Vereinigten Staaten statt.

Am Samstag jedoch boxt Witali wieder in Europa - aus verständlichen Gründen. Hierzulande füllen die Boxabende mit den Klitschkos Fußballstadien. Witali könnte wohl auch gegen einen Herausforderer antreten, den er zwei Stunden zuvor von der Kirmes geholt hat, die Fans würden trotzdem in die Hallen strömen oder den Fernseher einschalten. Die Klitschkos selbst sind hierzulande die Attraktion - und man kann ihnen kaum vorwerfen, dass es eben kaum Boxer im Schwergewicht gibt, die ihnen das Wasser reichen können.

Weg aus der Krise im Schwergewicht

Zu kritisieren wäre indes, dass Gegner wie Albert Sosnowski, Kevin Johnson oder nun eben Shannon Briggs zu wahrlich kniffligen Herausforderern stilisiert werden. Briggs präsentiert seinen massigen Körper und sagt brav markige Sätze wie: "Vitali hat die Wahl, ob er aufgeben oder eins auf die Rübe bekommen und ausgeknockt werden will." Briggs ist jedoch 38 Jahre alt, er hat bereits fünf Profikämpfe verloren, vor einem Jahr wurde er aufgrund einer positiven Dopingprobe für 90 Tage gesperrt. Er ist gewiss kein Kirmesboxer, ein Gegner auf Augenhöhe ist er jedoch auch nicht.

WBA heavyweight boxing champion David Haye of Britain trains in London

David Haye trainiert in London - er gilt als einer der wenigen ernsthaften Herausforderer für die Klitschkos.

(Foto: REUTERS)

Ein klarer Sieg - am besten durch raschen Niederschlag - wäre eine klare Botschaft an HBO, dass es die falsche Entscheidung war, den Kampf nicht zu zeigen. Andererseits wären zwölf Runden Boxsport inklusive elf verkaufter Werbeinseln in den Rundenpausen eine klare Botschaft an RTL, dass es sich lohnt, die Klitschko-Kämpfe zu zeigen.

Witali Klitschko gab sich vor dem Kampf wie immer zurückhaltend und lobte den Herausforderer: "Er hat mehr Gegner in den ersten Runden K.o. geschlagen als jeder andere. Er ist sehr groß und sehr stark." Und dann sendete er noch einen Hinweis an all jene, die sich noch unsicher sind, ob sie den Fernseher einschalten sollen: "Es ist mein härtester Gegner nach Lennox Lewis, es wird ein guter Kampf für das Publikum." Er muss den Kampf eben als spektakuläres Event verkaufen, gleichzeitig auch seinen Ruf als respektvoller Sportsmann pflegen.

Für die Krise im Schwergewicht in den vergangenen Jahren können die Klitschkos wahrlich nichts, sie könnten jedoch in den kommenden Jahren für ihr Ende sorgen. Mit dem Briten David Haye ist jemand aus dem Cruisergewicht aufgestiegen, der nicht nur eine über eine große Klappe verfügt, sondern über die boxerischen Mittel, seine markigen Worte zu rechtfertigen. Haye ist seit einem Jahr Weltmeister und besitzt den Gürtel, den die Klitschkos gerne noch hätten. "Ich würde liebend gern gegen Haye antreten, weil er uns attackiert hat", sagt Witali.

Auch der Pole Tomasz Adamek, der aus dem Cruisergewicht aufgestiegen war und kürzlich Chris Arreola besiegte, wäre eine Option. Und es gibt da auch noch Nikolaj Walujew. "Diesen Kampf wollten wir machen, mit Sauerland waren wir uns schon einig", sagt Bönte, "gescheitert ist das an Don King." Der US-Promoter soll den Kampf verhindert haben. "Er wollte 2,5 Millionen Euro Gage und keinerlei Optionen unterschreiben, obwohl das absolut üblich ist", sagt Bönte.

Bei einem Kampf gegen Haye oder Adamek würde übrigens auch HBO wieder gerne im Schwergewichts-Sandkasten mitspielen. "Sollten die Klitschkos in den Vereinigten Staaten kämpfen wollen oder gegen Haye oder Adamek antreten, dann werden wir mit Sicherheit zu den Bietern gehören", sagt Greenburg.

Es gäbe also doch interessante Begegnungen im Schwergewicht -sie müssten nur stattfinden.

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