Boxen:Tut ganz schön weh

BOXEN: Universum Boxpromotion, Hamburg, 19.12.2020 Felix Sturm (GER) - Timo Rost (GER) *** BOXING Universum Boxpromotio

Auf der Suche nach der Lücke: Felix Sturm landet gegen den Außenseiter Timo Rost wenige Wirkungstreffer, entscheidet sein Comeback nach fast fünfjähriger Kampfpause am Ende aber klar nach Punkten für sich.

(Foto: Torsten Helmke/imago)

Der 41-jährige Ex-Weltmeister Felix Sturm kehrt nach fast fünf Jahren Kampfpause in den Ring zurück. In Hamburg recht es nach zehn Runden zu einem unspektakulären Punktsieg gegen Außenseiter Timo Rost. Dabei giert der Super-Mittelgewichtler nach mehr.

Seine wunden Fäuste erinnerten Felix Sturm schmerzhaft daran, dass der Weg zurück in die Weltspitze weit und steinig ist. "Meine Hände tun ganz schön weh", sagte der einstige Box-Weltmeister nach seinem ungefährdeten und weitgehend unspektakulären Comeback-Sieg gegen Außenseiter Timo Rost.

Über Wochen hinweg hatte der 41-Jährige vor dem Kampf in Hamburg den Coolen gemimt. Als es dann nach fast fünf Jahren wieder ernst wurde, spielten nicht nur die Fäuste, es spielte auch der Kopf noch nicht wie früher mit. Sturm, zwischen 2003 und 2016 fünfmal Weltmeister, gestand: "Plötzlich war die Aufregung doch da, das hat mich 40 bis 50 Prozent meiner Leistung gekostet." Ansonsten sei er aber "rundum zufrieden".

Gegen die bei allem Kampfgeist überforderte Nummer 164 der Weltrangliste reichte das für Sturm über zehn Runden zu einem einstimmigen Punktsieg: 100:90, 99:91, 100:93. Zumindest konditionell war der Super-Mittelgewichtler wieder voll auf der Höhe, obwohl er nach acht Monaten in Untersuchungshaft wegen Steuerhinterziehung und Dopings 15 Kilogramm abspecken musste.

Sturm dürfte freilich auch gespürt haben, dass er in seinem zweiten Boxerleben kein Puncher mehr werden wird. Er dominierte den Kampf gegen Rost, konnte seinen Gegner aber nie in große Gefahr bringen. Ob er auch auf stärkere Kontrahenten einen solchen Druck ausüben kann? Diese Frage konnte noch nicht beantwortet werden.

Und auch weil es eine Vereinbarung über vorerst fünf Kämpfe gibt, mahnte sein Promoter Ismail Özen-Otto zu Geduld. "Es war erst einmal wichtig zu sehen, wie Felix drauf ist. Ich denke, er braucht noch ein bis zwei Kämpfe bis zu einem WM-Fight", sagte der Boss von Universum Box-Promotion. Zuletzt brachte sich der Schweriner Ex-Weltmeister Jürgen Brähmer für ein Duell ins Gespräch ("Wann, wenn nicht jetzt?"), ob der 42-Jährige auch Sturms Wunschgegner ist, dürfte aber fraglich sein. "Ich möchte nichts kommentieren, lasse das auf mich zukommen", sagte Sturm.

Vermutlich giert er nach Höherem. Da fielen zuletzt gar Namen wie die der Mehrfach-Weltmeister Saul Alvarez, der am vergangenen Wochenende den britischen Weltmeister Callum Smith bezwang, und Gennadi Golowkin. "Rein sportlich ist ein Kampf gegen Golowkin möglich", sagte Promoter Özen-Otto. Das Pikante dabei: Sturm und Golowkin gehörten einst zur selben Zeit dem Universum-Stall an. Weil Sturm aus Vermarktungsgründen aber die Nummer eins sein sollte, war der Kasache beleidigt und verließ die Agentur. Heute lebt der 38-Jährige in Los Angeles und gehört mit 36 K.-o.-Siegen in 43 Kämpfen zu den eindrucksvollsten Boxern weltweit.

Sturm wiederum räumte nach seinem Comeback "noch viel Luft nach oben" ein, und er weiß natürlich genau, dass ihm für große Kämpfe und pralle Börsen nicht mehr viel Zeit bleibt. Denn außerhalb des Rings hat Sturm harte Zeiten hinter und wahrscheinlich auch noch vor sich.

2019 wurde er auf einer Kölner Fitnessmesse verhaftet. Im April dieses Jahres verurteilte ihn das Kölner Landgericht wegen Steuerhinterziehung - die Anklage sprach am Ende von einer Summe von einer Million Euro -, Verstoßes gegen das Anti-Doping-Gesetz und Körperverletzung zu drei Jahren Haft. Sturm hatte stets beteuert, dass er schlecht beraten worden sei. Da eine Revision gegen das Urteil läuft, befindet er sich derzeit auf freiem Fuß. Das könnte sich bei einer juristischen Niederlage in Karlsruhe im neuen Jahr aber schnell ändern - und damit das Comeback stoppen, bevor es richtig begonnen hat. Dann wäre der 50. Profikampf des Leverkuseners vielleicht schon das letzte Gefecht gewesen.

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