Boxen:Sven Ottke wird Golflehrer

Dem Box-Weltmeister gelingt, was wenige schaffen: ein starker Abtritt von der Bühne.

Es war, als hätten die Zuschauer etwas geahnt. Die letzten drei Minuten seiner Profikarriere boxte Sven Ottke vor einem Publikum, das sich von den Sitzen erhoben hatte.

"Oh, wie ist das schön", sangen die 8000 in der Magdeburger Bördelandhalle während der letzten Runde der souveränen Titelverteidigung gegen den Schweden Armand Krajnc, die auch die letzte in der glanzvollen Laufbahn von Sven Ottke werden sollte. "Ich habe immer gesagt, ich will in Magdeburg aufhören", erklärte der 36-Jährige nach seinem 3:0-Sieg (Punktrichter: 120:110, 120:108, 119:109) noch im Ring: "Das tue ich hiermit."

Starker Abgang

Es war ein starker Abgang, passend zur Karriere des gebürtigen Berliners, der heute in Karlsruhe lebt. Ungeschlagen in 34 Profikämpfen und als amtierender Weltmeister im Supermittelgewicht (Verbände IBF und WBA) zog er nach 22WM-Fights seine Boxhandschuhe aus. "Ich werde in acht Wochen 37, es zwickt hier und da nach hartem Training", sagte Ottke: "Ich habe den Abschied lange geplant, aber wie es dann geklappt hat, das war ein kleiner Traum."

Sven Ottke hatte alle überrascht. Manager Wilfried Sauerland, Trainer Ulli Wegner, auch seine Frau Gaby: "Sie ist jetzt etwas angezickt, weil sie nicht Bescheid wusste." Nur ganz wenige Vertraute waren eingeweiht, auch weil Ottke noch eine Überraschung geplant hatte. "Mein Trainer hat sich seit Jahren ein Cabrio gewünscht", erzählte Ottke, "er bekommt eins als Dankeschön, weil er mich zu dem gemacht hat, was ich bin." Das Modell eines BMW Z4 bekam der Coach von Ottke noch im Ring, das Original stand im Hotel bereit.

Wegner weinte wie ein Kind. Seit 1991 arbeiteten beide zusammen, zu Amateurzeiten hatte die Verbindung begonnen. Als Ottke 1997 Profi wurde, wechselte auch Wegner ins Lager der Berufsboxer.

Schon während der letzten Runde hatte er sein Gesicht unter einem Handtuch versteckt. Er muss geahnt haben, dass eine Ära zu Ende geht. "Wir haben als Arbeitsgemeinschaft begonnen, es ist viel mehr daraus geworden", sagte Wegner: "Sven, wenn mal irgendwas ist, ich werde immer an deiner Seite stehen."

Guter Schlag

Auch in Zukunft soll es bei Sven Ottke auf einen guten Schlag ankommen. Er wird im September eine Ausbildung zum Golflehrer beginnen. In St. Leon Rot bei Heidelberg wird er zweieinhalb Jahre in die Lehre gehen, um am Ende anderen Sportlern den richtigen Schwung beizubringen. Sein Handicap derzeit ist 18, auf 6 muss er es verbessern. "Ich habe die Chance, zum zweiten Mal im Leben mein Hobby zum Beruf zu machen.

Ich weiß, dass es schwer wird, aber ich habe offenbar Talent für Golf, ich bin ehrgeizig, und ich kann hart arbeiten." Die berufliche Perspektive war ausschlaggebend für seine Entscheidung: "Viele Leistungssportler fallen nach der Karriere in ein Loch, ich werde abgefangen, weil ich weiß, was ich machen will." Und weiter: "Ich bin finanziell unabhängig, muss dabei nicht aufs Geld schauen. Und ich hatte keine Lust, eine McDonalds-Filiale zu eröffnen." Eine Anspielung auf Henry Maske, der mittlerweile drei Hamburger-Restaurants betreibt.

Ungeschlagen abgetreten

"Vor diesem Publikum, nach dieser Leistung ungeschlagen abzutreten, war das Pünktchen auf dem I", meinte Ottkes Manager Wilfried Sauerland. Er hatte noch in der vergangenen Woche konkrete Verhandlungen über einen Kampf Ottkes im Juni in der Berliner Waldbühne geführt.

Nun aber nimmt er Abschied von einem Boxer mit starker Bilanz: Nach 335 Amateurkämpfen (286 Siege), elf deutschen Meistertiteln, zwei EM-Titeln (1991, 1996) wurde Ottke erst mit 30 Profi. Höhepunkt dort war gleich sein erster WM-Kampf: 1998 holte er gegen Charles Brewer den ersten großen Profititel.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: