Boxen: Super-Six-Turnier:Eine schöne Idee zerbröselt

Es war ein revolutionäres Projekt im Boxsport: Die besten Akteure einer Gewichtsklasse ermitteln in einem Turnier den besten ihrer Zunft. Nun sagten innerhalb weniger Monate drei der sechs Starter verletzt ab.

Jürgen Schmieder

Es war eine beeindruckende Idee, revolutionär und vielversprechend. Sie war deshalb so beeindruckend, revolutionär und vielversprechend, weil sie derart einfach und logisch klang. "Ich saß mit meiner Frau auf dem Sofa, wie viele andere Fans hatte auch sie Schwierigkeiten, bei den ganzen Verbänden und Weltmeistern den Überblick zu behalten", sagt Promoter Kalle Sauerland über die Entstehung des Super-Six-Turniers im Super-Mittelgewicht: "Sie stellte mir also folgende Fragen: Warum kämpft nicht der gegen den? Warum kommt dieser Kampf nicht zustande? Und so weiter."

Abraham of Germany punches Taylor of the US during their Super Six tournament boxing fight in Berlin

Arthur Abraham bei seinem ersten Kampf des Super-Six-Turniers gegen Jermain Taylor - er gewann in der zwölften Runde durch K.o.

(Foto: Thomas Peter/Reuters)

In der Tat ist die Vielzahl an Weltmeistern in einer Gewichtsklasse ein enervierendes Element im Boxen - zumal in diesem Sport nur der Akteur gutes Geld verdienen kann, der beim Marsch zum Ring einen Gürtel vor sich hertragen lässt. Aus diesem Grund sind auch attraktive Vereinigungskämpfe rar geworden. Manny Pacquaio und Floyd Mayweather jr. etwa duellieren sich seit Monaten mit Worten, ein Kampf im Ring kam bislang noch nicht zustande. Ähnlich verhält es sich im Schwergewicht: Die Gebrüder Klitschko und David Haye provozieren sich, sie fordern einander heraus - doch einen Termin für einen Kampf gibt es nicht.

So gesehen war das Super-Six-Turnier eine formidable Idee: Sechs der besten Boxer aus einer Gewichtsklasse sollten gegeneinander antreten, nach zwei Jahren mit Vorrunde, Halbfinale und Endkampf sollte am Ende ein Sieger herauskommen, der - zumindest für einige Zeit - als bester Boxer im Super-Mittelgewicht gilt. "Die Besten müssen gegen die Besten antreten, denn das wollen die Zuschauer sehen", sagte Sauerland zu Beginn des Turniers vor einem Jahr.

Nun jedoch scheint die famose Idee zu zerbröseln wie das Kinn eines Amateurboxers bei einem Schlag von Vitali Klitschko. Von den sechs Teilnehmern Arthur Abraham, Andre Ward (USA), Carl Froch (Großbritannien), Jermain Taylor (USA), Mikkel Kessler (Dänemark) und Andre Dirrell (USA) sind nur noch drei verblieben. Dirrell verkündete seinen Rückzug aufgrund neurologischer Probleme. "Ein neurologischer Spezialist hat uns gesagt, dass er im Moment kein Sparring machen kann. Bis seine Symptome verschwunden sind, kann er auch nicht kämpfen", sagt Dirrells Promoter Gary Shaw. Zuvor hatten bereits Taylor und Kessler verletzungsbedingt aufgegeben.

"Das sind enttäuschende Neuigkeiten, aber das Turnier geht auf jeden Fall weiter", sagt Ken Hershman, General Manager des Pay-TV-Senders HBO: "Sollte der Kampf von Ward nicht gewertet werden, dann boxen Allan Green und Glen Johnson (Anm. d. Red.: am 6. November in Las Vegas) um den letzten Platz im Halbfinale." Damit würden drei der ursprünglichen Teilnehmer in der Ausschlussrunde stehen. "Dass ein Ersatzkämpfer unter den letzten Vier sein wird, ist akzeptabel."

Trotz der kämpferischen Aussagen droht die mit 50 Millionen Dollar dotierte Veranstaltungsserie zu einer Farce zu werden. Andre Ward ist bereits für das Halbfinale qualifiziert, und sollte sich kein adäquater Ersatz für Andre Dirrell - Wards geplanter Gegner am 27. November - finden, dann wären auch Arthur Abraham und Carl Froch in der Ausschlussrunde. Die beiden stehen sich ebenfalls am 27. November gegenüber, würden dann aber nur um die vakante WBC-Weltmeisterschaft boxen und nicht um die Teilnahme am Halbfinale.

"Für Arthur Abraham steht gegen Froch dennoch viel auf dem Spiel", sagt Kalle Sauerlands Vater Wilfried. "Er kann durch einen Sieg erreichen, in zwei Gewichtsklassen Weltmeister gewesen zu sein." Abraham selbst sieht es ähnlich: "Ich habe lange auf diesen Kampf um den Titel warten müssen und kann es kaum erwarten, endlich gegen Froch in den Ring zu steigen."

Sauerland und Abraham müssen den Blick nach vorne richten, etwas anderes bleibt ihnen nicht übrig angesichts der verletzungsbedingten Absagen der anderen Boxer. Die Idee, dieses Turnier zu veranstalten, bleibt dennoch beeindruckend, revolutionär und vielversprechend im Boxsport - nur die Umsetzung wirkt derzeit arg glücklos.

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