Boxen:Zurück aus der Düsternis

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Leicht zerknitterter Sieger: Robin Krasniqi. (Foto: Goldberg/Beautiful Sports/Imago)

Robin Krasniqi gewinnt seinen Comeback-Kampf in München nach 16 Monaten Pause vorzeitig durch Technischen K.o. - und macht klar, dass er mit bald 36 Jahren noch einmal um den WM-Gürtel boxen will. Auch, um seine größte Niederlage vergessen zu machen.

Von Sebastian Winter

Da kniete er nun, am Sonntag um kurz nach Mitternacht im Münchner Audi Dome, und es war kein schlechtes Zeichen, dass Robin Krasniqi kniete. Er war ja nicht schwer getroffen zu Boden gesunken in seinem Boxkampf gegen den Belgier Timour Nikarkhoev, erst recht nicht k.o. gegangen. Krasniqi war einfach aus purer Erleichterung nach der fünften Runde aufs Parkett gefallen - weil er den Kampf, seinen ersten nach 16 Monaten, gewonnen hatte. Sein Gegner, der ihm in den ersten drei Runden durchaus auf Augenhöhe begegnet war, hatte in der Pause zwischen der fünften und sechsten Runde aufgegeben: technischer K.o.

Der Halbschwergewichtler Krasniqi, der am 1. April 36 Jahre alt wird, lief später aufgekratzt im Ring umher, Küsschen hier, Handshake dort, mit seiner Frau formte er Herzchen für die Kameras. Es ging ja um viel für Krasniqi an diesem Abend, vielleicht um alles. Denn wer weiß, ob eine desillusionierende Niederlage nicht das Ende seiner Boxkarriere eingeläutet hätte. Nun geht Krasniqis Leben als Tänzer im Viereck zwischen den Seilen weiter, und er selbst stellte später unmissverständlich klar, wohin es ihn führen soll. "Ich möchte wieder Weltmeister werden."

Er hat ja noch eine Rechnung offen mit seinem Sport, der ihn, so sehen es Krasniqi und nicht wenige Boxexperten, am 9. Oktober 2021 betrogen hat. Damals verlor er seinen WM-Titel im Rückkampf nach einer höchst umstrittenen Entscheidung an den Naumburger Dominic Bösel - spätere Proteste Krasniqis bei der International Boxing Organization und beim Bund Deutscher Berufsboxer verliefen im Sande. "Ich war Sieger, dieser Sieg wurde mir geklaut und das tut verdammt weh", sagte Krasniqi nun nach seinem erfolgreichen Comeback in München. Alleine sein Blick ließ keinen Zweifel daran, wie sehr ihm jener Herbsttag immer noch zusetzt. Und nicht nur einmal beteuerte er bei der insgesamt neun Kämpfe umfassenden "Profiboxgala" in seiner Wahlheimat, dass sich auch die Gegner sicher sein könnten an diesem Abend: "Hier läuft alles korrekt ab." Auch wenn der schwer gezeichnete Shefat Isufi im zweiten großen Kampf des Abends durchaus dankbar sein durfte, seinen WM-Gürtel durch einen sehr schmeichelhaften 2:1-Erfolg über den Argentinier Hernan David Perez zu behalten.

Krasniqi, der mit 17 Jahren aus Junik, einer 6000-Einwohner-Gemeinde im Kosovo, nach Deutschland kam und in der Münchner Boxfabrik mit dem Training begann, möchte jedenfalls seine bitterste Niederlage vergessen machen. Dafür ist er nun noch einmal aufgestanden nach vielen düsteren Monaten, in denen er "gebrochen", war, wie er selbst noch im Ring nach dem Kampf gegen Nikarkhoev den Zuschauern erzählte: "Ich hatte keinen Bock auf Training", er hatte sich zu Hause eingesponnen wie in einen Kokon.

Mit jeder Runde wird er sicherer: Boxer Robin Krasniqi bei seinem Comeback-Kampf in München. (Foto: Goldberg/Beautiful Sports/Imago)

Sein Fitnesstrainer Sepp Maurer holte ihn wieder heraus aus der Düsternis, und nun hat Krasniqi - neben seiner Familie, die ihm so wichtig ist, seiner Frau, die er in jener sportlich bleiernen Zeit geheiratet hat, dem wenige Monate alten Sohn - noch zwei weitere Vertraute bekommen: Trainer Jürgen Brähmer und Sponsor Burim Hazrolli. Gegen Brähmer, 44, den zweimaligen Weltmeister im Halbschwergewicht, hat er selbst mal verloren. Im März 2015 unterlag Krasniqi durch Technischen K.o dem damaligen Halbschwergewichts-Weltmeister Brähmer. Erst seit drei Wochen arbeiten die einstigen Gegner nun zusammen, Brähmer möchte vor allem Krasniqis Beinarbeit verbessern. Gegen Nikarkhoev war das schon in Ansätzen zu sehen, Krasniqi tänzelte oft um den gebürtigen Russen herum, er war schneller, aber Brähmer sagt auch: "Robin hat eineinhalb Jahre nicht geboxt, das hat man gemerkt in den ersten Runden. Aber wie er sich da reingearbeitet hat, Respekt."

Und Hazrolli? Der Bauunternehmer aus Pfaffenhofen an der Glonn hat den ersten großen Boxabend in München seit vielen Jahren initiiert. Und auch wenn dieser Abend noch bei Weitem nicht heranreichte an die Auftritte von Muhamad Ali, Henry Maske oder den Klitschko-Brüdern in dieser einst dem Boxen so zugewandten, aber längst entwöhnten Stadt, schien Hazrolli zufrieden zu sein mit diesem ersten Versuch, den Sport in München wieder zu etablieren. Nächstes Mal sollen noch mehr Zuschauer kommen als jene offiziell 4500, die die Halle zu zwei Dritteln füllten. Auch größere Fernsehsender als nur München TV, und sowieso schillerndere Prominenz als der ehemalige Box-Weltmeister Arthur Abraham und Oberbürgermeister Dieter Reiter samt Ehefrau. "Das was ich plane, ist nur in meinem Kopf", sagte Hazrolli, "ich verrate es nicht, aber es ist etwas Großes. Für mich ist alles, was man mit Geld machen kann, möglich. Wir kommen zurück." Möglicherweise noch in diesem Jahr.

"Er war Weltmeister, und er wird wieder Weltmeister sein", tönt der Ansager

"Er war Weltmeister, und er wird wieder Weltmeister sein", hatte der Ansager in München ja noch getönt, bevor Krasniqi wieder in den Ring stieg. Der Boxer musste dann erst einmal einige Schläge Nikarkhoevs einstecken, aber mit jeder weiteren Runde - die tatsächlich noch von Nummerngirls angekündigt wurde, der Sport ist da nostalgisch - gewann er an Sicherheit. "Ich habe seine Schläge gespürt, aber ich wollte ihn auch kommen lassen, damit er seine Fehler macht", sagte Krasniqi. Und dann voller Stolz: "Mein Herz ist sehr, sehr glücklich. Es ist mein erster Sieg als Vater."

Und es soll nicht der letzte bleiben.

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