Boxen:Mann mit Lücke

LAS VEGAS ---- HEAVYWEIGHT CHAMPION MUHAMMAD ALI (LEFT) GRIMACES AS CHALLENGER LEON SPINKS GETS IN A STINGING RIGHT CRO

Der Kampf, der ihn berühmt machte: Leon Spinks (rechts) überrumpelte im Februar 1978 Weltmeister Muhammad Ali, der seinen Herausforderer sträflich unterschätzt hatte.

(Foto: Belga/Imago)

Leon Spinks, einst Schwergewichtsweltmeister und zweimaliger Gegner von Muhammad Ali, ist mit 67 Jahren gestorben. Er wurde 1978 nach nur neun Kämpfen berühmt - und war schon sieben Monate später Geschichte.

Von David Pfeifer

In der Geschichte des Schwergewichtsboxens, die an schillernden Charakteren keinen Mangel kennt, gebührt Leon Spinks ein Sonderplatz für den besonders raschen Aufstieg und Fall eines Weltmeisters. Und für einen der lustigsten Erzähler seiner eigenen Biografie. Den meisten Menschen wird Spinks in Erinnerung bleiben, weil er am 15. Februar 1978 als krasser Außenseiter gegen den alle überstrahlenden Champion Muhammad Ali siegte. Nur sieben Monate später, am 15. September des gleichen Jahres, verlor Spinks seinen Weltmeistertitel gegen eben diesen Ali wieder. Er sollte ihn nicht mehr zurückgewinnen.

Spinks wurde zu einer Fußnote der Boxgeschichte, weil sein Name seitdem meistens genannt wird, wenn es darum geht, die Größe des Größten zu vermessen, der im Rückkampf gegen Spinks zum dritten Mal Weltmeister werden konnte. Dabei war Leon Spinks vor Ali für kurze Zeit ein Ausnahmeboxer nach eigenem Maß. Bei den Olympischen Spielen 1976 in Montreal holte er die Goldmedaille im Halbschwergewicht. Im Finale besiegte Spinks einen Kubaner, auf dem Weg dorthin hatte er bereits einen Kämpfer aus der DDR und einen aus der Sowjetunion geschlagen. Es war der Höhepunkt des kalten Krieges, die Boxer, die Spinks bezwingen konnte, stammten alle aus den Kaderschulen des erweiterten Ostblocks, geschult und gedrillt, um bei internationalen Leistungsbewerben die Überlegenheit des kommunistischen Systems mit den Fäusten zu belegen. Leon Spinks aber kam aus ärmlichen Verhältnissen in St. Louis.

Sein Stil: Er ließ nie nach, ging immer weiter nach vorne, ungeachtet der Schläge, die er kassierte

Er sprach schwer verständlich, lange bevor er, schlagtrunken und vom Alkohol gezeichnet, kaum noch zu verstehen war - doch er boxte eher in der Schule der harten Hunde aus Philadelphia, also der Heimat von Joe Frazier im echten Leben und von Rocky Balboa im Film. Gegen technisch überlegene Gegner siegte Spinks, weil er nie nachließ, weder in der ersten noch der letzten Runde, er ging immer weiter nach vorne, ungeachtet der Schläge, die er kassierte. Und er kassierte einige. Spinks boxte so lange weiter, bis seine Gegner müde wurden oder einen Fehler machten, er bezwang sie mehr, als dass er sie ausboxte.

Vor dem WM-Kampf gegen Ali hatte Spinks nur acht Profi-Kämpfe bestritten, er wurde in keinem der üblichen Rankings geführt. "Alles, was ich tun musste, war Typen verprügeln, und dafür durfte ich die Welt sehen", so erklärte Spinks seine Begeisterung für seinen Beruf. Ali, der bereits 36 Jahre alt und über seinen Höhepunkt hinaus war, hatte sich Spinks als leichten Gegner ausgesucht, um Geld zu verdienen und sich dabei zu schonen. Doch Spinks boxte und kassierte und ging so lange immer wieder in den Schlagabtausch mit Ali, bis er am Ende der damals noch üblichen 15 Runden knapp nach Punkten gewann.

Vor dem Rückkampf gegen Ali hatte sich Spinks mehr mit Alkohol und Frauen beschäftigt als mit Training

Ali sagte später, er hätte nicht ausreichend trainiert und den Gegner nicht ernst genommen. Aber wer den Kampf heute noch mal ansieht, im Wissen, wie er ausgeht, sieht einen Leon Spinks, der den Größten bezwingen wollte, der keine Angst hatte und ahnte, dass diese seine einzige Chance sein würde. Er sollte recht behalten.

Nach dem spektakulären Sieg machte Spinks eher nicht mehr im Ring auf sich aufmerksam. Nachdem er seinen Mundschutz rausnahm und alle sehen ließ, dass ihm beide Schneidezähne fehlten, sorgte er auch im Weiteren dafür, dass die Welt mitbekam, dass hier jemand aus ärmsten Verhältnissen stammend mit Härte und Willen einen Titel gewonnen hatte, den er im Stil eines Lotto-Millionärs wieder vergeigen würde. Ali war auf den Rückkampf besser vorbereitet, aber Spinks hatte sich in den sieben Monaten zwischen Triumph und Niederlage mehr mit Alkohol, Frauen und Zigarren beschäftigt als mit dem Sandsack. "Ich hatte niemals irgendwas, plötzlich hatte ich was", sagte Spinks der New York Daily News in einem Interview im Jahr 1997, "Ich habe mir um nichts Sorgen gemacht. Du denkst, es wird niemals enden."

Er blieb der grundsympathische Außenseiter mit der Zahnlücke

Nachdem er gegen den seinerseits bereits von Parkinson gezeichneten Ali verlor, versuchte Spinks noch einmal, nach dem Titel zu greifen, doch Larry Holmes ließ ihm keine Chance und schlug ihn in der dritten Runde K.O. Spinks kämpfe weiter, trat zurück, wagte ein Comeback, boxte am Ende bis 1995, aber seine Bilanz, 17 Niederlagen in 46 Kämpfen, war schlecht und seine Gesundheit angeschlagen. Dem Boxen blieb er allein schon familiär verbunden: Sein Sohn Cory wurde Weltergewichtsweltmeister. Und Leons Bruder Michael wurde ebenfalls Schwergewichtsweltmeister und verlor seinen Titel gegen einen Mann, der die Szene auf Jahre dominieren sollte: Mike Tyson.

Feb. 18, 2012 - Las Vegas, Nevada, US - Retired boxer LEON SPINKS poses for a photo during a meet an

Längst nicht alle Zähne waren echt: Leon Spinks posiert 2012 in Las Vegas vor seinem jüngeren Ich.

(Foto: Zuma/imago)

Leon Spinks zog nach Las Vegas, lebte ein bescheidenes Leben als Ex-Champion, half bei Armenspeisungen, grinste immer noch breit in die Kameras bei Ehemaligentreffen und blieb der grundsympathische Außenseiter mit der Zahnlücke, der in einer Dokumentation über Muhammad Ali auch für den englischen Markt untertitelt werden musste. Am Freitag gab seine Frau Brenda Glur Spinks bekannt, dass ihr Mann den Krebs nicht hatte bezwingen können. Leon Spinks wurde 67 Jahre alt.

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