WM-Kampf im Frauenboxen:"Das ist der Kampf, den jeder will"

WM-Kampf im Frauenboxen: Schwer beladen mit Trophäen und Erwartungen: Katie Taylor (links) und Amanda Serrano vor ihrem Duell um den WM-Titel im Leichtgewicht in New York.

Schwer beladen mit Trophäen und Erwartungen: Katie Taylor (links) und Amanda Serrano vor ihrem Duell um den WM-Titel im Leichtgewicht in New York.

(Foto: Sarah Stier/AFP)

Erstmals bestreiten zwei Frauen den Hauptkampf im Madison Square Garden. Katie Taylor trifft auf Amanda Serrano - und selbst die größten Machos erkennen das Potenzial der Boxerinnen.

Von Benedikt Warmbrunn

Die drei größten Box-Kämpfe, die im Madison Square Garden in New York stattgefunden haben? Vielleicht der letzte Kampf der Karriere von Joe Louis, 1951, gegen den schlaggewaltigen Rocky Marciano - Louis verlor durch Knockout in der achten Runde. Vielleicht der erste Kampf von Anthony Joshua gegen Andy Ruiz, 2019 - Ruiz, der pummelige 1-25-Underdog gewann durch K.o. in der siebten Runde. Ganz sicher aber das erste Duell zwischen Muhammad Ali und Joe Frazier, 1971, Frazier gewann nach Punkten - so riesig war der Kampf, dass selbst der große Frank Sinatra nur dabei sein konnte, indem er sich als Fotograf akkreditierte; der Kampf gilt als Fight of the Century.

Über die Liste ließe sich stundenlang streiten, je nach Vorliebe könnte man weitere Duelle erwähnen. Roberto Durán gegen Davy Moore, 1983, Durán war mit seiner mano de piedra, seiner steinernen Hand, so überlegen, dass er nicht nur durch K.o. in der achten Runde gewann, sondern dass zuvor schon Moores Mutter und seine Freundin in Ohnmacht fielen. Riddick Bowe gegen Andrew Golota, 1996, Disqualifikation für Golota nach Tiefschlägen in der siebten Runde; nach dem Abbruch kam es zu einer Massenschlägerei im Ring, 15 Zuschauer, neun Polizisten und einer aus Golotas Team mussten ins Krankenhaus, 16 Personen wurden verhaftet. Lennox Lewis gegen Evander Holyfield, 1999, Vereinigungskampf im Schwergewicht; Lewis dominierte, die Ringrichter sahen dennoch ein Unentschieden - es kam zwar zu keiner Massenschlägerei, aber die 21 000 Zuschauer pfiffen und buhten.

Doch was sich selbst in stundenlangen Diskussionen über denkwürdige Boxabende im Madison Square Garden nur schwer finden lassen dürfte, das ist ein Kampf, in dem Frauen die Hauptrolle spielen. Was daran liegen könnte, dass Frauen bislang nie einen Hauptkampf in der berühmten Arena bestreiten durften. Was wiederum daran liegen könnte, dass sich von all den mächtigen Menschen (sprich: Männern) im Boxen bis vor Kurzem keiner fürs Frauenboxen interessiert hat. Wilfried Sauerland, lange einer der wichtigsten Promoter Europas, schwor einst: "Bei mir werden Frauen nie ins Programm kommen."

An diesem Samstag kämpfen im Madison Square Garden nun Katie Taylor und Amanda Serrano gegeneinander, es ist der Hauptkampf, beworben wird er mit dem schlichten Slogan: for history. Was nicht so großspurig ist, wie es zunächst klingt. In der Geschichte des Frauenboxens werden die Anfänge ja gerade erst geschrieben.

Regina Halmich oder Leila Ali lockten ein Millionenpublikum vor die TV-Geräte. Aber ihnen fehlte die ernsthafte sportliche Konkurrenz

Es gab in den vergangenen drei Jahrzehnten immer wieder Frauen, die erfolgreich boxten, die sich erfolgreich vermarkteten, die es schafften, sich und damit die Sportart ein wenig aus der Nische herauszukämpfen. In Deutschland vor allem Regina Halmich, der ein Millionenpublikum an den Bildschirmen zuschaute, und das nicht nur, als sie gegen den TV-Entertainer Stefan Raab antrat (und ihn demütigte). In den USA Laila Ali, die Tochter von Muhammad. Doch beiden fehlte wie all den anderen talentierten Boxerinnen um die Jahrtausendwende eine ernsthafte Konkurrentin, um nicht nur als Name oder Marke in Erinnerung zu bleiben, sondern auch für einen großen Kampf. Weswegen das Duell der Irin Taylor mit der Puerto-Ricanerin Serrano tatsächlich eines for history, für die Geschichte ist.

WM-Kampf im Frauenboxen: Weltmeisterin in sieben Gewichtsklassen: Amanda Serrano hat erreicht, was vor ihr niemand geschafft hat - keine Boxerin, kein Boxer.

Weltmeisterin in sieben Gewichtsklassen: Amanda Serrano hat erreicht, was vor ihr niemand geschafft hat - keine Boxerin, kein Boxer.

(Foto: Sarah Stier/AFP)

Taylor, 35, ist die Weltmeisterin aller vier großen Verbände im Leichtgewicht; als erst dritte Frau hatte sie die wichtigsten Titel einer Gewichtsklasse vereint. Bei den Amateuren war sie Olympiasiegerin, sie gewann fünf WM- und sechs EM-Goldmedaillen. Sie hat nicht den härtesten Punch, aber sie schlägt explosiv, häufig und präzise, mal mit einem humorlosen Jab, mal mit einer schnellen rechten Hand, mal mit dem linken Haken. Wird sie von einer Gegnerin unter Druck gesetzt, reagiert sie mit ihren Konterschlägen, da ist sie so effektiv wie keine andere Boxerin. Taylor lebt für ihren Sport, sie verzichtet auf Schnickschnack, sie will einfach nur: gut boxen. "Wenn die Leute mir beim Boxen zuschauen, hoffe ich, dass sie einen Boxer sehen, und nicht eine Frau, die boxt", sagte sie im vergangenen Jahr dem Box-Autor Thomas Hauser: "Ich würde diesen Sport gerne auf das nächste Level bringen und das Frauenboxen insgesamt so voranbringen, dass die Leute es respektieren."

Ihr wichtigster Schritt auf diesem Weg ist der Kampf gegen Serrano. Die 33-Jährige ist in sieben Gewichtsklassen Weltmeisterin geworden, das schaffte vor ihr niemand, keine Boxerin, kein Boxer. "Sie hat eine irrsinnige Schlagkraft", sagt die Österreicherin Eva Voraberger, gegen die sich Serrano 2019 den WM-Titel in einer siebten Gewichtsklasse sicherte, im Superfliegengewicht. Der Kampf fand im Madison Square Garden statt, im Vorprogramm, einem breiten Publikum dürfte er kaum in Erinnerung geblieben sein: Serrano gewann durch einen Knockout in der ersten Runde. Voraberger sagt: "Sie trifft punktgenau, aus jeder Distanz, ganz besonders zum Körper."

Die Österreicherin erinnert sich auch daran, wie gut Serrano mit dem Gewicht spielen konnte: Beim Wiegen hatten beide 52 Kilogramm gewogen, einen Tag später im Ring hatte die Österreicherin zwei Kilogramm zugenommen - Serrano neun, vor allem durch diszipliniertes Leeren und Befüllen der körpereigenen Wasserspeicher. "Ich bin mir vorgekommen, als ob ich gegen einen Felsen gelaufen wäre", sagt Voraberger. Sie favorisiere am Samstag deshalb Serrano - auch wenn Taylor und Serrano im Leichtgewicht (bis zu 60 Kilogramm) boxen. Aber egal, wie es ausgehen wird, sagt Voraberger, "das ist der Kampf, den jeder im Boxen will, und dass er stattfinden wird, ist beste Werbung fürs Frauenboxen."

Nur ein Land gebe es, sagt die Deutsche Nina Meinke, das im Frauenboxen noch "ein bisschen hinterherhinkt": Deutschland

Dass Taylor auf Serrano trifft, liegt auch daran, dass in England und den USA das Frauenboxen inzwischen, so wie Taylor es sich wünscht, ernst genommen wird. Kampfabende ohne ein Duell zweier Boxerinnen gibt es dort kaum noch. "Das ist vor allem das Verdienst von Katie, da ist sie echt eine Ikone", sagt Nina Meinke, die 2017 im Wembley-Stadion gegen Taylor verlor. "Durch sie hat die Sportart einen richtigen Schub bekommen." Weil sie nicht auf die Show setzt, sondern auf den Sport, weil sie einfach: gut boxen will. Ihr folgen immer mehr Frauen, die einfach: gut boxen können. Allen voran die US-Amerikanerin Claressa Shields, die im März 2021 in zwei Gewichtsklassen gleichzeitig die vier großen Titel vereint hatte, ein Rekord, bei den Frauen - und bei den Männern.

WM-Kampf im Frauenboxen: Die Deutsche Nina Meinke (rechts) vergangene Woche bei ihrem WM-Kampf gegen die Dänin Sarah Mahfoud in Kopenhagen. "Schade", sagt Meinke, dass sie nicht in Deutschland antreten konnte. Sie verlor nach Punkten.

Die Deutsche Nina Meinke (rechts) vergangene Woche bei ihrem WM-Kampf gegen die Dänin Sarah Mahfoud in Kopenhagen. "Schade", sagt Meinke, dass sie nicht in Deutschland antreten konnte. Sie verlor nach Punkten.

(Foto: Martin Rose/Getty Images)

Das Potenzial der Boxerinnen erkennen inzwischen sogar die größten Machos der Branche. Taylor wird vermarktet vom Briten Eddie Hearn, dem derzeit erfolgreichsten Promoter der Branche. Serrano vom einstigen Youtuber Jake Paul, der inzwischen als Profi boxt, an dem sich viele im Boxen stören. Paul will im Boxen Geld verdienen, und er hat erkannt, dass ihm dabei auch eine Boxerin helfen kann - vorausgesetzt, sie kämpft so, dass sich die Leute an sie erinnern.

Nur ein Land gebe es, sagt Nina Meinke, das noch "ein bisschen hinterherhinkt". Blöderweise für die Berlinerin ist das Deutschland. Am Donnerstag vor einer Woche zum Beispiel hatte Meinke gegen die Dänin Sarah Mahfoud um den WM-Titel im Federgewicht geboxt. Und sie fand es "schade", dass es nicht gelungen sei, den Kampf nach Deutschland zu holen, und auch nicht, ihn auf irgendeinem Sender zu übertragen. Den Kampf gegen Mahfoud in Kopenhagen verlor sie nach Punkten. Den Kampf, auch in Deutschland das Frauenboxen endgültig aus der Nische herauszuholen aber, den hat die 29-Jährige erst begonnen.

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