Boxen:Klitschko ist wütend auf kranken Fury

Lesezeit: 3 min

  • Wladimir Klitschko rechnet öffentlich mit seinem Bezwinger Tyson Fury ab: "Fury zieht das Boxen in den Schmutz", sagt der Boxer.
  • Fury ist in stationärer Behandlung wegen einer bipolaren Störung, er hat Kokain-Konsum zugegeben.
  • Der Boxsport macht nicht nur wegen der Affäre einen recht schmuddeligen Eindruck.

Von Saskia Aleythe

Wladimir Klitschko kann grimmig gucken. Auf eine besondere Art, er muss dafür nicht die Zähne fletschen oder die Augen zusammenkneifen, Klitschko steht einfach da, starrt seinen Gegenüber an und zieht die Mundwinkel leicht angewidert nach unten. Als er 2012 im Ring von Dereck Chisora ins Gesicht gespuckt wurde, blinzelte er ein bisschen und leckte sich die Lippen, lächelte sogar leicht. Ausrasten? Gibt es nicht bei Klitschko. Wütend sein schon.

Und wütend ist der 40-Jährige im Moment. Monatelang wurde er von Tyson Fury hingehalten, um einen Rückkampf zu bekommen und damit die Chance, sich seinen WM-Gürtel zurückzuholen. Nun muss er erfahren, dass der Brite seit Mai nicht trainiert hat. Und spätestens seit Mai auch weiß: Kämpfen wird er so schnell nicht mehr. "Fury zieht das Boxen in den Schmutz", sagte Klitschko der Bild-Zeitung. Sein Manager Bernd Bönte findet: Fury sei ein unfairer Typ. "Er belügt Fans und TV-Partner, hält Wladimir hin. Er blockiert die WM-Titel." Der Fall Fury ist längst nicht abgeschlossen, er hat moralische Komponenten hinzubekommen - steht aber auch für den speziellen Charakter des Boxgeschäfts.

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:Tyson Fury muss geschützt werden

Genug gelacht: Tyson Fury ist nicht länger der Box-Clown, der Wladimir Klitschko entthront hat. Er ist krank, und der Sport sollte endlich reagieren.

Kommentar von Saskia Aleythe

Seit Montag weiß man, dass Fury in stationärer Behandlung ist wegen einer bipolaren Störung. Er sei manisch-depressiv, sagt Fury selber. Das bestätigte auch sein Onkel, der ihn trainiert, wenn er denn nun mal trainiert. Er wolle sterben, sagte Fury dem Rolling Stone, er hasse das Boxen und würde wegen seiner Zugehörigkeit zur ethnischen Minderheit der Irish Traveller schlimmer behandelt "als jeder Sklave im 19. Jahrhundert". Er habe in den vergangenen Monaten jede Menge gekokst, sei alkoholabhängig. Darf man einen kranken Menschen nun einen miesen Typen nennen?

Lust am großen Geld ist enorm

Fury war schon vor seinem Zusammenbruch kein Gentleman gewesen. "Frauen sind in der Küche und auf dem Rücken am besten aufgehoben", Zitat Tyson Fury, verheiratet, drei Kinder. Gegner hat er schon mit allem möglichen beschimpft, was die untersten Schubladen so hergeben. Und obwohl er sich in stationärer Behandlung befindet und meinte, er hätte genug vom Boxen, saß er eines Abends Ende September bei einem Boxkampf in Manchester. Dass Klitschko an seinen Motiven zweifelt, hat Gründe. Es ist ein schwieriges Metier, in dem sich die Beteiligten nun bewegen. Aber der Frust im Klitschko-Lager ist groß.

Den Boxer Fury muss man an dieser Stelle wohl außen vor lassen. Auch Tyson Fury hat ein Management, er hat einen Trainerstab um sich - Leute also, die durchaus wussten, wie es ihm geht. Die Verträge aushandelten und zwei Mal einen Kampf ansetzten, im Wissen, dass er nie zustande kommen wird. Oder waren alle verblendet im Angesicht der Millionen, die Fury als Kampfbörse bekommen sollte?

"Ich habe schon den Besten geschlagen, ich habe keine Motivation mehr", hatte Tyson Fury im April erklärt. "Ich kämpfe gegen jeden, der mir vorgesetzt wird, aber sie haben nichts mehr, was ich will... außer Geld." Zwischen sechs und sieben Millionen US-Dollar sollen für Fury vereinbart gewesen sein, dazu wären Anteile der TV-Gelder gekommen. Es wäre die höchste Börse in seiner Karriere gewesen und etwa eine Million mehr als beim ersten Kampf gegen Klitschko im November 2015, den der 2,06 Meter große Boxer völlig überraschend nach Punkten gewonnen hatte. Klitschko soll für den Rückkampf bis zu 15 Millionen garantierte Antrittsgage ausgehandelt haben, für ihn wären das wiederum drei Millionen US-Dollar weniger gewesen als beim letzten Mal.

Lust am ganz großen Geld haben nicht zuletzt die Boxverbände selber, ihnen scheint Fury ein willkommener Protagonist gewesen zu sein in ihrer Arena. Verrückt sind sie ja alle irgendwie, die nicht nur trübe dreinschauen wie Klitschko. Die Grenze zur psychischen Krankheit scheint schmal zu sein. So hat man sich das offenbar schön geredet, schließlich wollen alle einen WM-Kampf mit Klitschko vermarkten. Wurde nicht auch eine vermutlich positive Dopingprobe aus dem Frühjahr 2015 einfach eineinhalb Jahre liegen gelassen, um die Kämpfe abwickeln zu können? Haben nicht alle die Augen verschlossen vor den mentalen Problemen Furys? Das Boxen macht auch um den Weltmeister herum einen recht schmuddeligen Eindruck.

In der kommenden Woche wird Fury wohl seine Boxlizenz verlieren, der British Boxing Board of Control, Dachverband des Profiboxens in Großbritannien, tagt am 12. Oktober. Präsident Robert Smith sagt: "Kokainkonsum ist gegen das Gesetz des Landes. Das können wir nicht ignorieren." Man wolle aber auch über alle anderen Probleme diskutieren. Der Boxverband WBO trifft sich fünf Tage später, angedachte Entscheidungen über Furys Gürtel könnten dann sehr schnell über die Bühne gehen, wenn er ohnehin schon ohne Lizenz dastünde. Für Klitschko wäre dann der Weg frei für einen neuen Gegner.

Wenige Stunden nachdem all die depressiven Aussagen von Tyson Fury an die Öffentlichkeit gelangt waren, die Welt wusste, dass er gerade lieber sterben als leben wollte, machte eine andere Nachricht die Runde: Der TV-Sender ITV soll Fury für die britische Version des Dschungelcamps angefragt haben. So ist das Show-Geschäft.

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