Boxen: Klitschko gegen Johnson:Großer Gegner gesucht

Vitali Klitschko besiegt Kevin Johnson, der zwölf Runden lang nur versucht, nicht zu Boden zu gehen. In Zukunft braucht Klitschko attraktive und große Gegner - wie den Briten David Haye.

Jürgen Schmieder, Bern

Zu Beginn seiner Karriere, da boxte Vitali Wolodimirowitsch Klitschko in den Hallen der Städte Aachen, Offenburg und Lübeck. Vor den Kämpfen gab es keine aufwändigen Dokumentationen vom Training oder Reisen in seine Heimatstadt Kiew, bei den Auseinandersetzungen saßen keine Prominenten am Ring, im Fernsehen war nur die Zusammenfassung zu sehen und auch nur einen Tag später.

Kevin Johnson, Vitali Klitschko, dpa

Vitali Klitschko brachte seinen Gegner Kevin Johnson zwar in Bedrängnis - für einen Niederschlag des Amerikaners reichte seine Leistung jedoch nicht aus.

(Foto: Foto: dpa)

Vitali Wolodimirowitsch Klitschko beendete seine Arbeit damals stets rasch mit einem Niederschlag - keiner seiner ersten Profikämpfe dauerte länger als zwei Runden.

13 Jahre nach Vitali Klitschkos Profidebüt ist so ein Kampf ein gewaltiges Spektakel. Mehr als 16.000 Zuschauer sind in der Halle in Bern, sie haben viel Geld bezahlt, um dabei sein zu dürfen. Der Raum für die so genannten VIPs ist so groß, dass darin auch ein Handballspiel stattfinden könnte.

Auseinandersetzung über die volle Distanz

Es gibt einen Vertrag mit einem Fernsehsender, der viel Geld in die Rechte investiert hat - und viel Geld durch Werbung in den Rundenpausen einnehmen möchte. Vor dem Kampf besingt Jan Delay den "Champ Klitschko".

Klitschko ist Weltmeister des Verbandes WBC, am Samstag verteidigte er seinen Titel gegen Kevin Johnson. Es war ein deutlicher Sieg (nur einer der drei Ringrichter erdreistete sich, dem Amerikaner eine Runde zuzusprechen) des 38-Jährigen und auch der TV-Sender dürfte sich gefreut haben, dass alle verkauften Werbeinseln auch ausgestrahlt wurden, weil die Auseinandersetzung über die volle Distanz ging.

Und doch blieb da ein unwohliges Gefühl nach diesem Kampf - auch wenn unter dem Hallendach ein Weihnachtsstern leuchtete.

Das lag vor allem an Klitschkos Gegner, der bereits nach zwei Runden so wirkte, als sei er nicht bei einem Boxkampf, sondern auf der Flucht. Der während des Kampfes nicht aufhörte, Klitschko mit Worten, Gesten und Grimassen zu provozieren. Dessen einziges Ziel es war, diese zwölf Runden ohne Niederschlag zu überstehen - um nach der Auseinandersetzund diese deutliche Niederlage auch noch als Sieg zu feiern: "Ich habe es euch vorher gesagt und ich habe es heute gezeigt: Man kann mich nicht K.O. schlagen, man kann mich nicht verletzen. Jeder große Champion verliert ein Mal in seiner Karriere - ich werde zurückkommen."

Damals wäre alles anders gewesen

"Ich bin ein wenig enttäuscht", sagte Klitschko nach dem Kampf. "Ich habe viele Dinge versucht, aber Johnson ist der unangenehmste Gegner, den ich in meiner Karriere boxen musste." Mit dem Stil des Amerikaners, scheinbar keine Lust zu haben und nur ein Mal selbst zu schlagen, ist wahrlich kein schöner Kampf zu gestalten.

"Es ist schwer, wenn der Gegner das Gewicht stets auf dem hinteren Fuß hat und nach hinten ausweicht, dann haben die Schläge nicht so viel Kraft und Wirkung", sagte Klitschko.

Dennoch sahen sich viele Experten bei der Aussage Klitschkos an - und jeder einzelne Blick sagte: Damals, vor 13 Jahren, in der Halle in Offenburg oder Aachen oder Lübeck, da wäre einer wie Johnson nach spätestens vier Runden im Ringstaub gelegen und hätte von unten auf den Weihnachtsstern unterm Hallendach geblickt.

Lesen Sie auf der nächsten Seite, warum Vitali Klitschko seine Fäuste nicht an Gegner wie Kevin Johnson verschwenden sollte.

Das Knirschen von Klitschkos Knochen

Als Klitschko vor dem Kampf seinen Mantel ablegte, da sah er topfit aus, die wenigen grauen Haare an der linken Schläfe kaschierte er mit einem perfekt austrainierten Körper. Während des Kampfes jedoch bewegte sich der Ukrainer bisweilen erstaunlich langsam, die Zuschauer in den ersten Reihen vermochten das Knirschen der Knochen zu hören.

Seine Schläge wirkten vorhersehbar, überraschende Kombinationen waren kaum zu sehen. Er dominierte den Kampf nach Belieben, aber wirklich schwere Treffer wollten ihm nicht gelingen. Und nach diesen Treffern setzte er nicht entschlossen nach gegen einen Boxer, von dem nun wirklich kaum Gefahr ausging.

Fliegende Fäuste gegen einen "Feigling"

Erst gegen Ende des Gefechts wurde es interessant, was jedoch eher daran lag, dass Klitschko auf die fortwährenden Provokationen des Amerikaners einging und ebenfalls Mätzchen veranstaltete. Ein Niederschlag wollte Klitschko dennoch nicht gelingen.

So hatte er schon einmal geboxt, am 21. März war das in Stuttgart gegen Juan Carlos Gomez, auch damals sprachen ihm die Experten die nötige Frische ab, die Kreativität, die Geschwindigkeit. Sechs Monate später in Los Angeles zeigte Klitschko dann jedoch eine formidable Leistung gegen den bis dahin ungeschlagenen Chris Arreola.

Vitali Klitschko ist nun 38 Jahre alt, allzu viele Kämpfe wird er nicht mehr bestreiten in seiner Karriere. Er sollte diese Kämpfe nicht an Gegner wie Kevin Johnson verschwenden, der zwar mit dem Prädikat "ungeschlagen" und großen Sprüchen nach Bern reiste, während des Kampfes jedoch so agierte, dass er vom Klitschko-Lager als "Feigling" bezeichnet wurde.

Das Warten auf Haye

Lennox Lewis etwa kämpfte am Ende seiner Karriere gegen namhafte Boxer wie Mike Tyson - oder eben Vitali Klitschko. Gegen einen Feigling sollte Klitschko nicht mehr antreten, er braucht Kontrahenten, die ihm vielleicht nicht auf Augenhöhe begegnen - das ist nur schwer möglich -, die es aber doch verdient haben, mit ihm in einem Ring zu stehen.

Das sah auch Klitschko so: "Ich hoffe, das kommende Jahr bringt attraktive Gegner. Das Ziel bleibt natürlich, alle bedeutenden WM-Titel in der Familie Klitschko zu vereinen."

Dazu bräuchte es einen Kampf gegen den Engländer David Haye, der bereits zwei Mal gegen Klitschko absagte und seinen Titel nun zunächst gegen John Ruiz zu verteidigen hat. "Nach diesem Fight können wir reden. Ich bin jederzeit bereit, gegen David Haye zu kämpfen."

Bleibt zu hoffen, dass der Brite diese Aussage hört und nicht nur mit den Klitsckos verhandelt, sondern im kommenden Jahr auch in den Ring steigt.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: