WM-Kampf Joshua vs Ruiz:"Ausgeknockt zu werden, war gut"

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Der frühere Box-Weltmeister Anthony Joshua (links) sagt, dass er viel gelernt habe aus der Niederlage gegen Andy Ruiz (rechts).

(Foto: ANDREW COULDRIDGE / Action Images)
  • An diesem Samstag verteidigt der Mexikaner An Ruiz erstmals seinen WM-Titel.
  • Er boxt wieder gegen den Mann, dem er im Juni drei der wichtigsten vier Weltmeistergürtel abgenommen hatte: den Briten Anthony Joshua.
  • Es stellen sich die Fragen: Hat der als nachdenklich geltende Joshua den Biss, sich zurück an die Spitze zu kämpfen? Hat Ruiz noch diesen Willen, allen Schmerzen zu widerstehen?

Von Benedikt Warmbrunn

Andy Ruiz hat keine Gelegenheit ausgelassen, um ein Leben zu leben, wie es schon viele Schwergewichtsboxer gelebt haben. Er hat seiner Mutter ein Auto geschenkt, dazu sich selbst ein paar; seine Autosammlung soll knapp 900 000 Euro wert sein. Er hat sich ein Anwesen in Kalifornien gekauft, mit Baumhaus, Springbrunnen, Basketballplatz. Seinen 30. Geburtstag feierte er vorsorglich ein paar Wochen vor dem eigentlichen Termin, mit Bedienungen in Unterwäsche sowie einer Sushi-Bar, auf der auch eine allenfalls leicht bekleidete Frau lag. Protz, Luxus, die eine oder andere Geschmacklosigkeit, all das war dabei in diesem Leben, zu dem Ruiz so überraschend gekommen ist.

Es ist aber auch ein Leben, wie es nicht jedem Schwergewichtsweltmeister bekommen ist. Es ist ein gemütliches Leben.

An diesem Samstag verteidigt der Mexikaner Ruiz, 30, erstmals seinen WM-Titel, er boxt wieder gegen den Mann, dem er im Juni drei der wichtigsten vier Weltmeistergürtel abgenommen hatte, gegen den Briten Anthony Joshua, 30, der bis zu jener Niederlage als bester Boxer seiner Gewichtsklasse galt. In diesem Rückkampf geht es natürlich auch darum, wer danach die drei WM-Titel hält, wer womöglich gegen den WBC-Weltmeister Deontay Wilder antreten darf. Zunächst einmal aber geht es darum, wer dazu bereit ist, es sich nicht allzu bequem zu machen.

Gerade im Schwergewichtsboxen hat der Außenseiter seine Chance

Vor dem ersten Duell war Ruiz kurzfristig als Ersatz eingesprungen, ein etwas pummeliger Nobody, der damit kokettiert, dass er gerne Snickers-Riegel isst. Joshua war damals in 22 Kämpfen noch unbesiegt gewesen, 21 davon hatte er vorzeitig gewonnen, darunter der letzte Kampf in der Karriere von Wladimir Klitschko. Dann stieg Joshua gegen Ruiz in den Ring. Und dort bewegte er sich wie einer, der sich seiner Sache zu sicher ist.

Der Reiz des Boxens liegt darin, dass auch der Außenseiter mit einem Schlag eine Chance haben kann, gerade im Schwergewicht. Der Schwede Ingemar Johansson schickte 1959 Weltmeister Floyd Patterson sechsmal auf den Ringboden, er gewann durch technischen Knockout (und verlor den Rückkampf, wodurch Patterson als erster Schwergewichtsboxer der Geschichte den WM-Titel zurückgewann). Buster Douglas besiegte 1990 den als unschlagbar geltenden Mike Tyson durch einen Niederschlag in der zehnten Runde. Lennox Lewis boxte 2001 gegen den Außenseiter Hasim Rahman, in der Vorbereitung stand er für den Film "Ocean's Eleven" vor der Kamera - er ging in der fünften Runde k.o. Ähnlich erging es Joshua gegen Ruiz.

Joshua lächelte wie einer, der das alles wie einen netten Witz betrachtet

In der dritten Runde hatte er den Außenseiter niedergeschlagen, was seine Selbstsicherheit offenbar verstärkte. Noch vor dem Pausengong ging er selbst zweimal zu Boden. Er blieb viel stehen, klammerte unbeholfen, vertraute nicht geduldig seinen Vorteilen aus Schlagkraft und Distanz. In der siebten Runde brach der Ringrichter nach zwei weiteren Niederschlägen den Kampf ab. Joshua lächelte wie einer, der das alles wie einen netten Witz betrachtet.

Rein von den boxerischen Fähigkeiten ist Joshua auch vor dem Rückkampf der Favorit, er hat den Körper einer griechischen Statue, die Schlaghärte eines Hammers, er ist beweglicher als Ruiz. Der Mexikaner ist dafür im Schlagabtausch gefährlicher, im ersten Kampf nutzte er aus, dass Joshua sich oft mit Kinn und Körper in seine Schläge hineinlegte, als wolle er das vorzeitige Ende dadurch erzwingen. Doch im zweiten Duell wird entscheidend sein, wer mental stabiler ist. Hat der als nachdenklich geltende Joshua den Biss, sich zurück an die Spitze zu kämpfen? Hat Ruiz noch diesen Willen, allen Schmerzen zu widerstehen?

"Wäre es ein besonderer Moment?", fragte Joshua in den Tagen vor dem Kampf, angesprochen auf einen möglichen Sieg. "Nein, weil ich hier hingehöre, also ist es nichts Besonderes." Er habe aus dem ersten Kampf viel gelernt, "ausgeknockt zu werden, war gut". In den vergangenen Monaten habe er sich viel mit Klitschko unterhalten, der auch nach Niederlagen stärker zurückgekommen sei. "Ich musste", sagte Joshua, "mich neu erfinden." Er sprach wie einer, der alle Zweifel überwunden hat, der keine Selbstzweifel mehr kennt.

Boxen in Saudi-Arabien nur "wegen des Geldes"

Ruiz sagte: "Ich bin bereit für Rock 'n' Roll." Er ist jetzt jedoch erstmals in der Position, in der nicht mehr der Wille, etwas zu gewinnen, sein alleiniger Antrieb ist - sondern auch die Angst, etwas zu verlieren. "Ich will diesen wunderschönen Gürtel nicht abgeben." Und mit ihm auch nicht das gemütliche Leben, das erst im Sommer angefangen hat. Sollte er nun gehemmt boxen, verliert er viel von seiner Stärke.

Wie wichtig das Geld für beide Boxer (und ihre Manager) ist, lässt sich am Austragungsort erkennen. Der Kampf findet statt in Dirijah, einem Vorort von Riad, der Hauptstadt Saudi-Arabiens. Dass dieses Duell, um das sich auch das Wembley-Stadion in London beworben hatte, in ein Land vergeben wird, das viele Menschenrechtsorganisationen kritisch sehen, sorgte auch in der Boxszene für Verwunderung. Joshua erhält angeblich 60 Millionen Dollar für den Kampf, Ruiz 10 Millionen, und so versuchte Joshuas Promoter Eddie Hearn erst gar nicht, etwas zu verleugnen. Nach Saudi-Arabien sei er mit seinem Boxer aus einem Grund gegangen: "wegen des Geldes".

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