Boxen:Gold und Geld

Boxerin Ornella Wahner

Die erste deutsche Weltmeisterin im Amateurboxen: Ornella Wahner, 25 Jahre alt.

(Foto: Sebastian Willnow/dpa)

Die 25-jährige Ornella Wahner ist die erste deutsche Amateur-Boxweltmeisterin. Ihr Aufstieg soll dem Verband helfen, weiter Geld vom DOSB für die Förderung zu bekommen.

Von Benedikt Warmbrunn

Beim ersten oder vielleicht auch beim zweiten Glas Champagner am Frankfurter Flughafen fragte Michael Müller, der Sportdirektor des Deutschen Boxsport-Verbandes, die Weltmeisterin, was sie als nächstes vorhabe. Party? Urlaub? Nein, nein, sagte Ornella Wahner. Ausruhen wolle sie sich, das schon, aber sie erwarte vor allem gespannt einen Termin. Bei einer MRT-Untersuchung wolle sie schauen, wie ihre Hände die Strapazen mitgemacht haben, ob kleine Haarrisse oder ähnliches ausgeheilt werden müssen. Oder ob sie, die erste deutsche Weltmeisterin im Amateurboxen, wieder voll ins Training einsteigen kann.

Auch knapp eineinhalb Wochen nach dem Titelgewinn der 25 Jahre alten Wahner sind sie beim DBV ganz angetan von ihrer neuen Vorzeigeathletin. Müller schwärmt noch einmal, wie prächtig sich Wahner entwickelt habe. Von einem Talent, das U19-Europameisterin geworden war, zu einer Athletin, die zunächst mit den Erwartungen nicht zurecht kam, die unter permanenten Trainerwechseln litt - die aber immer weiter an sich arbeitete. So habe Wahner, sagt Müller, "sehr klug" seine Empfehlung aufgenommen, von Berlin nach Schwerin zu ziehen, um dort bei Michael Timm zu trainieren. "Wie sie durch Täler geschritten ist, ohne ans Aufgeben zu denken, das macht sie für alle deutschen Boxerinner zu einem Vorbild", sagt Müller, übrigens auch für alle deutschen Boxer. "Was sie nach oben gebracht hat, ist ihre seltene Eigenschaft, alles aus eigenem Antrieb zu machen", sagt Müller, siehe die freiwillige Untersuchung ihrer Hände.

Nach oben gebracht haben Wahner, so sieht das Müller, auch Maßnahmen des Verbandes. Der DBV habe dem Deutschen Olympischen Sport (DOSB) "vorgeführt, wie erfolgreiche Förderung aussehen kann". Vor diesem Jahr habe der Verband 45 Prozent der Gelder aus dem Budget der Männer "zu den Frauen rübergeschoben", dadurch konnten die Athletinnen Lehrgänge besuchen, auf Turniere reisen und sich vor der WM in Neu-Delhi vier Tage lang akklimatisieren. "Ich denke, dass wir mit diesem Programm viele gute Argumente geliefert haben." Verbänden, die keine Medaillen vorzeigen können, kürzt der DOSB im Zweifel die Fördergelder, wer weniger Gelder bekommt, hat noch weniger Chancen auf Medaillen. Kurz nach Wahners WM-Sieg war Müller in der DOSB-Zentrale, was er dort gehört habe, sei jedoch "sehr ernüchternd" gewesen. Am Samstag entscheidet der DOSB, welcher Verband welche Gelder erhält - Müller hofft, dass dem Boxen nichts gestrichen wird; auch für das nächste Jahr wäre dadurch eine knappe Million Euro gesichert.

Dabei wären die Gelder so wichtig. Ornella Wahner zum Beispiel dürfte in ihrer Gewichtsklasse 57 Kilogramm wiegen, kommt aber oft nur auf 55 Kilogramm. "Mit gezieltem Training durch Experten könnte sie noch Muskelpakete zulegen, ohne an Beweglichkeit zu verlieren", sagt Müller, "käme Schlagkraft zu ihrer Intelligenz und ihrer Technik, wäre für sie viel möglich." Müller macht eine Pause, er korrigiert sich: "nicht viel, alles!" Er meint: einen Olympiasieg 2020 in Tokio.

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