Süddeutsche Zeitung

Boxen:Ein Mann aus der Vergangenheit

Lesezeit: 3 min

Das Treffen der Veteranen Henry Maske gegen Virgil Hill wird ein Kampf zwischen Ernst und Lockerheit. Die große Frage: Wer ist cooler?

Roland Schulz

Er holte Luft, als wolle er tauchen, und dann legte Virgil Hill los: Seiner Frau wolle er danken, seinem Hotel, den Menschen Münchens, allen Deutschen und außerdem noch seinem alten Kumpel Big Willie, der sitze gleich dort hinten, wink doch mal, Willie - und ach ja, auch seinem Zahnlabor, super Sponsor, sehr nett, pfffffff, Virgil Hill stockte kurz. Blickte zu Henry Maske. Sagte: ,,Naja, und das wär's dann eigentlich gewesen.'' Dann grinste er schweigend. Die Frage, die ihm gerade gestellt worden war, hatte eigentlich gelautet, wie er sich denn so fühle, zweieinhalb Wochen vor seinem Kampf gegen Henry Maske. Virgil Hill aber war dieser Frage ausgewichen, er war unter ihr hinweggetaucht wie es Boxer zu tun, wenn sie einen wuchtigen Schlag meiden - und doch hatte er eine Antwort gegeben: Virgil Hill, der hier so spitzbübisch grinsend Dank verteilte, er fühlte sich gut, sehr gut sogar, und Späße gab es noch extra dazu.

Wie einst: Stadt, Ring, Gegner

Es war nur ein flüchtiger Augenblick auf der Pressekonferenz, die als die letzte angekündigt war vor dem Kampf Henry Maskes gegen Virgil Hill am 31. März in München - aber ein wichtiger, weil in ihm das Ergebnis dieses vorgeschobenen Ballyhoos der beiden Boxer wie verdichtet zu sehen war: Virgil Hill, ständig zu Sperenzchen aufgelegt, nahm das Spektakel wie einen Spaß, locker und lässig. Henry Maske aber saß vor den Journalisten wie eine Statue seiner selbst, das Gesicht unbewegt, den Blick in die Ferne gerichtet, selten huschte ein Lächeln über seine Lippen. Es war ihm ernst. Die Frage ist nur, was besser ist vor einem Kampf wie dem Maskes gegen Virgil Hill - heiliger Ernst oder lässige Lockerheit?

Für alle außer Virgil Hill schien diese Frage klar zu sein: Der Ernst ist es, und so bemühten sich Maskes Trainer Manfred Wolke, sein Manager, der übertragende Fernsehsender und auch Maske selbst, das Ereignis mit Bedeutung aufzuladen. Zehn Jahre liegt der erste Kampf Maskes gegen Hill zurück, den er nach Punkten verlor; mit dieser Niederlage beendete er damals, am 23. November 1996, seine Karriere. So ausgedrückt klingt das allerdings öde, in der Sprache des Veranstalters hat man zu sagen: ,,Dieselbe Stadt, derselbe Ring, dieselben Gegner'' - der Kampf steht ganz unter den Vorzeichen der Vergangenheit. ,,Nostalgischen Wert'' nannte das der Fernsehsender RTL, und wie recht er damit hatte, zeigte sich in Wort und Tat an Maske.

Der Boxer, 43 Jahre alt, stand vor der Pressekonferenz mit einigen vertrauten Wegbegleitern beisammen, seinem Trainer und zwei Journalisten, die Maske schon kennt, seit er vor 17 Jahren in einem Lokschuppen in Frankfurt an der Oder seinen Weg durch das Preisboxen antrat - und um ihn herum zog sich ein dichter Kreis junger und noch jüngerer Fotografen und Journalisten, die so gierig nach den Worten Maskes heischten, als seien sie wertvolle Dokumente einer alten Zeit. Maske sah neben seinen Freunden mit ergrautem Haar aus wie ein Gemälde aus dem Museum: Boxer nebst Entourage, entstanden ca. 1996. Und wie ein Mann von damals sprach Maske auch mit seinen alten Weggefährten. Von den nostalgischen Gefühlen redete er, die ihn in München überkämen, von alten Kämpfen und noch älteren Siegen, ,,einige von Ihnen'', sagte er, ,,können sich ja sicher noch erinnern'' - und von seinem Verständnis des Lebens. ,,Ich habe das Leben immer schon als Kampf begriffen, nicht nur im Ring'', sagte Maske und setzte zur Erklärung für sein Comeback an.

Es klang ein wenig kompliziert, aber egal: ,,Wichtig ist für mich, dass ich es verstanden habe'', sagte Maske. Er empfahl seinen derzeitigen Lieblingsfilm ,,Rocky'', darin ,,findet man viele schöne Sätze, die erklären''. Einen Satz finde er besonders schön, der ginge in etwa so: ,,Man verfolgt selber einen Traum, den kein anderer kennt.'' Dann schritt Maske, verfolgt vom Blitzlichtgewitter, auf das Podest der Pressekonferenz und gab Sätze wie gestochen kund. Es war ein seltsamer Anblick: Hier saß Henry Maske, ein Mann aus der Vergangenheit, und kämpfte um den Weg zurück in die Zukunft - dumm nur, dass er gegen jemanden boxen wird, der so unerschütterlich in der Gegenwart steht wie Virgil Hill. Während Maske die Ikone gab, riss Hill Grimassen oder zwinkerte seinem alten Kumpel Big Willie zu. Nur einmal war er ernst. Bei der Frage, wie ernst ihm der Kampf denn sei. ,,Wir nehmen den Kampf sehr, sehr ernst'', sagte er, ,,und ich bin fit.'' Kurz darauf reichte er Maske ein Bier. Ein kleiner Spaß, zwischen Ernst und Lässigkeit.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.714500
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.