Boxen: David Haye:Große Klappe, schnelle Beine, wuchtiger Punch

Nach den kreativen Provokationen gegen Wladimir Klitschko lautet die Frage vor dem Kampf am Samstag: Wer ist dieser David Haye? Ist der britische Boxer wirklich in der Lage, Klitschko zu besiegen?

Jürgen Schmieder

Als David Haye am Mittwoch nach seinem öffentlichen Training in einem Hamburger Autohaus in die Umkleide gehen wollte, da rief ihm Wladimir Klitschko hinterher: "Geh' nicht weg! Schau' dir mein Training an!" Also drehte sich Haye um, sah Klitschko ein paar Minuten beim Sparring zu - und grinste.

Wladimir Klitschko v David Haye - Public Training Day

Wer ist dieser Kerl? David Haye beim Training in Hamburg vor dem Kampf gegen Wladimir Klitschko.

(Foto: Bongarts/Getty Images)

Es war kein arrogantes Lächeln, sondern ein zufriedenes. Wieder einmal hatte der britische Boxer seine beiden Ziele vor dem Kampf am Samstag erreicht: Klitschkos Zuruf darf durchaus als Nervosität interpretiert werden - und natürlich sorgt so ein Moment für zusätzliche Aufmerksamkeit.

Haye liebt dieses Gedöns rund um seine Kampfabende: "Ich überlege mir, wie ich aus einem Kampf ein Drama machen, wie ich Schlagzeilen produzieren kann. Die Leute sollen denken: Wer ist dieser Kerl?" Schlagzeilen gibt es genug vor dieser Auseinandersetzung, bei der es um die Schwergewichtstitel von drei bedeutenden Verbänden geht.

Etwa 500 Millionen Menschen weltweit werden den Kampf live verfolgen, der martialisch als The War vermarktet wurde. Haye hat sich in den vergangenen Monaten als kreativer Provokateur präsentiert (siehe Feuilleton). Bleibt die Frage: Wer ist dieser Kerl? Ist David Haye wirklich in der Lage, Wladimir Klitschko zu besiegen?

Vor drei Jahren ist Haye ins Schwergewicht gewechselt, nachdem er zuvor das Cruisergewicht dominiert hatte. Nach seinem Punktsieg über Nikolaj Walujew im November 2009 ist er Weltmeister des Verbandes WBA, alle anderen bedeutenden Titel besitzen Vitali (WBC) und Wladimir Klitschko (IBF, WBO).

Haye ist der beweglichste Schwergewichtler derzeit und damit ein unangenehmer Gegner in dieser Gewichtsklasse, in der zuletzt eher pummelige und pomadige Kämpfer mit Wladimir Klitschko in den Ring gestiegen sind. Diese Kämpfe hat Klitschko mit starker Führhand und taktischem Geschick dominiert, ohne boxerisch zu glänzen.

Gegen Haye muss Klitschko variabler agieren, ist der doch ein schwer zu treffendes Ziel, weil er nicht nur seine Beine, sondern auch seinen Oberkörper und seinen Kopf elegant und flink bewegt. "Die Boxer, die das Schwergewicht in den vergangenen Jahren dominierten, sind langsam und behäbig, man sieht jeden Schlag vorher und kann ihn blocken", sagt Haye, "die Jungs, die aus dem Cruisergewicht kommen, boxen explosiver, sie schlagen öfter und schneller."

Haye: ein unbequemer Gegner

Haye tänzelt gerne minutenlang um seinen Gegner herum, er weicht zurück, er duckt sich - es hat den Anschein, als würde er davonlaufen. Dann jedoch stürmt er nach vorne, bringt plötzlich seine präzise Führhand ins Ziel und lässt dem Konter eine Kombination aus Haken und Aufwärtshaken folgen. Dabei ist seine rechte Schlaghand überaus wuchtig, weshalb er bereits im Cruisergewicht den Beinamen Haymaker bekommen hat. Mit diesem Begriff wird gemeinhin jener Schlag bezeichnet, der den Gegner zu Boden schickt.

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David Haye ist ein Provokateur, sicher - aber kann er Klitschko boxerisch gefährlich werden?

(Foto: AFP)

25 seiner 26 Profikämpfe hat Haye gewonnen, 23 davon vorzeitig. Die Ein-Mann-Naturgewalt Walujew, der nie zuvor in seiner Karriere zu Boden gegangen war, stand gegen Haye in der zwölften Runde auf wackligen Beinen und kurz vor dem Niederschlag. "Haye beherrscht die hohe Kunst, wirksame Treffer zu setzen, ohne selbst getroffen zu werden", sagt der ehemalige Weltmeister Lennox Lewis. Das hört sich freilich einfach an, beschreibt Hayes Stil jedoch präzise.

Wladimir Klitschko wird einige Überraschungen in seine zuletzt eher monotone Kampfgestaltung einbauen müssen, will er nicht selbst eine erleben. Der 30-jährige Haye ist ein Workaholic, der sich nicht nur physisch bestens auf seine Auftritte vorbereitet. Gemeinsam mit seinem Trainer und Manager Adam Booth studiert er die Eigenheiten seiner Gegner, in den Pausen zwischen den Runden ändert Booth schon mal die taktische Ausrichtung, was der aufmerksam zuhörende Haye stets befolgt.

Gegen John Ruiz etwa hatte Booth seinen Schützling aufgefordert, aggressiver zu agieren und mehr Kombinationen zu schlagen - wenige Sekunden später lag Ruiz nach einer spektakulären Kombination von Haye am Boden und wurde ausgezählt.

Haye dürfte der unbequemste Gegner in der Karriere von Wladimir Klitschko sein, das hat auch Klitschko immer wieder betont. Man sollte den 30-Jährigen jedoch auch nicht überbewerten: Der Kampf gegen Klitschko ist erst der fünfte im Schwergewicht für den 1,91 Meter großen und 96,5 Kilogramm schweren Briten - nach dem Erfolg gegen Walujew hat er nur gegen den alternden John Ruiz und den untalentierten Audley Harrison geboxt.

Klitschko ist fünf Zentimeter größer und 13,5 Kilogramm wuchtiger als Haye, zudem hat der 35-Jährige bereits 58 Kämpfe absolviert. "Wladimir ist erfahrener als ich, er ist der beste Boxer, gegen den ich je kämpfen musste", sagt Haye. Er habe Respekt, aber keine Angst: "Ich bin nicht nach Hamburg gekommen, um mir einen Scheck abzuholen, sondern Gürtel."

Nach dem Kampf will Haye seine Karriere beenden und ein Hollywood-Held zu werden. Bei einem Sieg indes dürfte er von Vitali Klitschko herausgefordert werden. Dieses Duell wäre dann noch lukrativer und dürfte für noch mehr Schlagzeilen sorgen. Das freilich wäre ganz nach Hayes Geschmack.

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