Boxen:Das große Nichts

Im Rummelplatz-Kampf gegen Virgil Hill verdient Henry Maske viel Geld - und kann ansonsten nur verlieren.

Roland Schulz

Das Gewitter ging termingerecht nieder, fünf Minuten, volle Kraft, Blitze zuckten und die Menschen duckten sich, um kein Ziel zu bieten. Nur die zwei Männer im Zentrum blieben standhaft wie Zinnsoldaten, aufrecht standen sie im Blitzlichtgewitter der Fotografen, die fünf Minuten Zeit hatten, das eine große Bild zu machen, das alles sagt über den Kampf Henry Maske gegen Virgil Hill. Photo Call wird dieses Spektakel im Neusprech der Emotions-Maschinisten aus den Presseabteilungen genannt; es dient dazu, einem Boxkampf ein Gesicht zu geben und im besten Fall gleich noch eine Geschichte dazu.

Die Fotografen mühten sich, fünf Minuten, das ist nichts, aber auf Pressekonferenzen muss immer alles schnell gehen, also brüllten sie und schrien, die Boxer mögen doch bitte daher schauen oder dorthin lächeln und vor allem immer schön Hände schütteln. Am Ende kabelten die Nachrichtenagenturen Bilder von einer mit Logos tapezierten Fotowand, vor der ein sorgsam lächelnder Schlipsträger die Hand eines lässig grinsenden Mannes ganz in Schwarz quetscht. Es war eine Geste wie zwischen zwei zerstrittenen Brüdern, die des schönen Scheins wegen zusammen aufs Familienfoto müssen - es war wie oft bei Fotos von Photo Calls: Sie waren Schrott. Doch diesmal, vor dem Boxkampf Maske gegen Hill, sind tatsächlich Fotos von Wert entstanden, weil sie alles sagen, was man von diesem Kampf wissen muss: Er ist ein künstliches Ereignis.

Wenn Henry Maske am Samstagabend (22.15 Uhr, RTL) gegen Virgil Hill antritt, kämpfen die beiden 43-Jährigen in einer Gewichtsklasse, die es im Boxen nicht gibt, irgendwo zwischen Halbschwer- (bis 79,38 kg) und Cruisergewicht (bis 86,18 kg). Sie kämpfen um keinen Titel, weil der Boxverband World Boxing Association (WBA), der Hill als Weltmeister im Cruisergewicht führt, den Kampf nicht als Titelkampf sanktioniert hat: Maske hat elf Jahre nicht gekämpft, steht in keiner Rangliste - wenn die WBA ihn als Herausforderer eines Weltmeisters akzeptiert hätte, hätte der Verband danach auch Pippi Langstrumpf die Chance auf einen WM-Kampf geben müssen. Maske und Hill kämpfen um nichts. Maske wird zu diesem Kampf um das Nichts einen Boxmantel mit weißen Pferden tragen, den der Schauspieler Armin Mueller-Stahl entworfen hat, ein Freundschaftsdienst, das Bild kann in einer kleinen signierten Auflage auch gekauft werden. Maske wird wieder ein eigenes Lied haben, eigens geschrieben, eigens komponiert, eigens live dargeboten, Impossible Dream heißt es, unmöglicher Traum. Maskes Gegner Hill hat sich daraufhin auch noch schnell ein Lied schreiben und komponieren lassen, von Rodney ,,Darkchild'' Jerkins und Joy Enriquez, weiß der Kuckuck, wer das ist, aber so steht es in der Pressemitteilung. Das Lied heißt Conquerer, Eroberer.

Zusammengefasst könnte man also sagen: In der neu erfundenen Gewichtsklasse des Halbcruiser-Gewichts kämpfen Gentleman Henry Maske und seine weißen Pferde in einem unmöglichen Traum gegen den Eroberer Virgil Hill um das große Nichts. Das ist das Ereignis. Normalerweise gibt es sowas nur auf dem Rummel, neben der Frau ohne Unterleib.

Das große Nichts

Viele Box-Experten haben deswegen mit Spott und Häme auf den Kampf Maske gegen Hill reagiert. Eine ,,Zirkusnummer'' sei das, sagte der Box-Trainer Fritz Sdunek, von einem ,,Seniorenmatch'' sprach der ehemalige Box-Kommentator Werner Schneyder. Der Boxer Dariusz Michalczewski befürchtet eine ,,Lachnummer'', Graciano Rocchigiani eine ,,Publikumsverarschung'' und Sven Ottke sagte, das Comeback sei nicht gut für den Sport, Boxen verkomme immer mehr zur ,,Geldmaschinerie''. Maske soll eine Börse von 1,5 bis drei Millionen Euro erhalten, Hill 1,2 Millionen. Nachdem Gerüchte auftauchten, Maske und Hill hätten sich auf eine Niederlage Hills verständigt, um eine weitere lukrative Revanche möglich zu machen, beeilte sich Hill, die Vorwürfe auszuräumen. ,,Das ist Schwachsinn'', sagte er, ,,wer so etwas sagt, kennt mich nicht. Ich würde meinen Ruf beschädigen und meine Möglichkeit verringern, weiter zu verdienen.''

In der Tat gilt Hill als Boxer, der mit dem großen Geschäft Boxen gut umzugehen versteht. Beim ersten Kampf gegen Maske bekam er rund zwei Millionen Dollar, das war damals die höchste Gage, die er je bezogen hatte. Wenn er jetzt, mit 43, in einem Kampf um das Nichts 1,2 Millionen Euro verdient, steht er schon als Sieger fest: Seine Börse stimmt, sein WM-Titel steht nicht auf dem Spiel, seine Chancen sind gut, weil er anders als Maske die vergangenen elf Jahre ein aktiver Boxer geblieben ist - Hill kann nur gewinnen. Er weiß das, und entsprechend gelassen tritt er auf. ,,Ich kann nur durch Sabotage verlieren'', sagt Hill selbstbewusst.

Henry Maske dagegen, der es gewohnt ist, als strahlender Held zum Ring zu kommen, wird diesmal einem skeptischen Publikum begegnen, das nicht genau weiß, warum Maske sich das eigentlich antut. Wegen des Geldes? Wegen der weißen Pferde? Warum? Henry Maske kann eigentlich nur verlieren. Den Kampf, seinen guten Ruf, vielleicht beides.

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