Box-WM: Klitschko gegen Chagaev:Diese vier Gürtel

Die Klitschko-Brüder möchten die Titel der großen Verbände auf sich vereinen. Doch wegen unklarer Rechtslage geht es beim Kampf des Jahres nicht um Chagaevs WM-Titel.

Jürgen Schmieder

Es ist schon erstaunlich, dass Boxen tatsächlich Boxen heißt. Dabei wäre doch Am Boxendsten viel angebrachter, schließlich lebt der Sport von Superlativen. In jedem Jahr gibt es einen Kampf, der zum "Fight des Jahrhunderts" stilisiert und mit fast jeder Auseinandersetzung ein Rekord gebrochen wird. So natürlich auch beim Kampf von Wladimir Klitschko gegen Ruslan Chagaev am Samstag - und weil in die Arena auf Schalke nur 57.000 Menschen passen und der Weltrekord bei 136.000 Zuschauer liegt (beim Kampf zwischen Julio Cesar Chavez gegen Greg Haugen am 20. Februar 1993), wird eben das Dach geschlossen, so dass es der "Hallen-Zuschauer-Weltrekord" wird.

Wladimir Klitschko

Jedem Boxer seine Gürtel: Wladimir Klitschko (links) und Ruslan Schagaew.

(Foto: Foto: rtr)

Freilich gibt es im Boxen nicht nur einen Weltmeister, sondern aufgrund der Verbandsstruktur gleich mehrere in einer Gewichtsklasse und manchmal ist is gar so, dass ein Verband gleich zwei zu Weltmeister erklärt - weshalb es das große Ziel vieler Boxer ist, eben nicht nur Weltmeister zu werden, sondern den Superlativ "Weltmeister aller Klassen" zu führen. Lennox Lewis war so ein Weltmeister aller Klassen, Mike Tyson ebenfalls, Mohammad Ali sowieso.

Diesen Traum haben auch die boxenden Brüder Wladimir und Witali Klitschko: "Der Gürtel der WBA fehlt uns noch", sagt Wladimir."Unser Ziel ist es, alle vier Titel in der Familie zu haben", sagt Witali. Damit offenbart sich jedoch schon das Dilemma, in dem Witali und sein älterer Bruder stecken. Sie würden diesen inoffiziellen Titel gerne gemeinsam führen, als Weltmeister-Brüder aller Klassen sozusagen. Wladimir Klitschko besitzt die Gürtel der International Boxing Federation (IBF) und der World Boxing Organization (WBO), sein Bruder Witali den Titel des World Boxing Council (WBC). Wer den Titel der World Boxing Association (WBA) hält, das ist derzeit nicht eindeutig zu bestimmen.

Das Problem dabei ist, dass keiner so genau weiß, wer denn nun überhaupt der Weltmeister der WBA ist. Wladimirs Gegner Chagaev gilt bislang nur als "Weltmeister im Wartestand" (champion in recess), Walujew jedoch als Weltmeister ohne Einschränkungen. Zu der Titelaufsplittung kam es, weil Chagaev nach seinem Sieg über Walujew vor zwei Jahren zweimal nicht zum Rückkampf antreten konnte. In 26 Monaten hat Chagaev nicht eine Pflichtverteidigung bestritten, vorgeschrieben ist mindestens eine pro Jahr. Der dritte Anlauf gegen Walujew vor wenigen Tagen wurde von finnischen Ärzten gestoppt, weil Chagaev Träger des Hepatitis-B-Antigens ist. Das Verwirrspiel dauert seither an.

Nun hat der in Panama ansässige Weltverband WBA erklärt, dass es auf Grund dieser Ungereimtheiten am Samstagabend in Schalke nicht um den WBA-Titel gekämpft wird. Die WBA wolle die "endgültige Klärung der Kampfabsage in Helsinki und aller damit verbundenen Angelegenheiten erst nach dem 21. Juni abschließen", teilte Verbandsdirektor Robert E. Mack auf der Internetseite der WBA mit.

"Ich bin der stärkste Mann im Schwergewicht", sagt Wladimir Klitschko und ist überzeugt, dass nur er der nächste Walujew-Rivale sein kann. Indes verkündete sein Bruder Witali nach seinem Sieg gegen Juan Carlos Gomez im März: "Ich will den russischen Riesen." Zum familieninternen Zank darüber, wer denn nun gegen Walujew boxen darf, soll es jedoch nicht kommen. "Wir sind nicht eifersüchtig oder neidisch", sagt Witali.

Und doch steht das Schwergewichts-Boxen vor dem Problem, in naher Zukunft keinen Weltmeister aller Klassen küren zu können - weil die Klitschko-Brüder nicht gegeneinander antreten wollen. Der letzte Weltmeister aller Klassen im Schwergewicht, Lennox Lewis, findet das absurd. "Ich verstehe, dass die Mutter das nicht möchte. Hier aber geht's nicht um Tennis. Für beide bleibt es ein unvollendetes Business, wenn sie nicht gegeneinander antreten. Du kannst nur ein ganz Großer sein, wenn du alle Großen deiner Ära besiegt hast", sagte Lewis in einem Interview mit der Welt am Sonntag.

Was den Klitschko-Brüdern allerdings nicht in den Sinn kommt, ist die Tatsache, dass Wladimir verlieren könnte an diesem Samstag auf Schalke. Chagaev ist als Profi unbesiegt (25 Siege, eine Niederlage), auch seine Amateur-Bilanz von 82 Siegen in 85 Kämpfen ist beeindruckend. Dabei besiegte Chagaev, für einen Schwergewichtler mit 1,85 Metern nicht besonders groß, als Amateur den Kubaner Felix Savon (1,94 Meter) und in einem WM-Kampf den Ukrainer Olexij (1,96 Meter). "Größe kann im Boxen auch ein Handicap sein", sagt Chagaev.

Der Usbeke bewegt sich schnell und geschmeidig im Ring, er verfügt über eine ansprechende Technik, saubere Schlagkombinationen und einen wuchtigen linken Haken. Er ist kein Boxer, der seine Gegner mit einem kräftigen Schwinger besiegt, vielmehr ist die Anzahl und die Genauigkeit seiner Schläge, die seine Kontrahenten zermürbt. Auf diese Weise besiegte er im April 2007 den 28 Zentimeter größeren Nikolai Walujew. Allein deshalb wird Chagaev von nicht wenigen Experten als gefährlichster Widersacher der Klitschko-Brüder gesehen und nicht als Ersatzmann für den verletzten David Haye. Laut Computer-Weltrangliste kämpft am Samstag die Nummer eins gegen die Nummer drei.

Das Selbstvertrauen im Chagaev-Lager ist entsprechend, immerhin kann der Usbeke die Gürtel von Wladimir Klitschko in Gelsenkirchen gewinnen. Manager Klaus-Peter Kohl sagte. "Wir konzentrieren uns jetzt auf den Kampf gegen Wladimir Klitschko. Alles andere sehen wir danach."

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