Boulderin aus Iran:"Ich sehe einfach anders aus"

Boulderin aus Iran: Immer höher hinauf: Die Iranerin Elnaz Rekabi hat es im Bouldern schon weit gebracht, gerade wenn man bedenkt, woher sie kommt.

Immer höher hinauf: Die Iranerin Elnaz Rekabi hat es im Bouldern schon weit gebracht, gerade wenn man bedenkt, woher sie kommt.

(Foto: C. Waldegger)
  • Elnaz Rekabi kommt aus Iran und klettert auf internationalem Niveau.
  • Dabei haben es Frauen aus ihrem Land im Sport immer noch schwer.
  • Sie muss sich um ihre Visa selbst kümmern, auch einen Sponsor hat sie nicht.

Von Anna Dreher, Stuttgart

Sie hat nach links und nach rechts geschaut und dann lange nach oben. Elnaz Rekabi hat es noch zwei Mal versucht, aber dieses Problem konnte sie einfach nicht lösen. Die unüberwindbare Wand vor ihr war längst zur unüberwindbaren Wand in ihrem Kopf geworden. Rekabi klopfte sich das weiße Magnesiumpulver von den Händen, setzte sich auf den Boden und starrte die Wand an. Ihr Blick löste sich erst, als die laute Sirene ertönte.

Die Zeit war abgelaufen und Rekabi ausgeschieden im Halbfinale eines international renommierten Kletterwettbewerbs in Stuttgart. Sie wusste nicht so richtig, wie sie sich fühlen sollte. Die 26-Jährige war im Grunde glücklich, aber gleichzeitig auch ziemlich enttäuscht. Verlieren ist selten schön. Dabei hatte Rekabi vor allem gewonnen.

Iranische Meisterin seit 2002

Elnaz Rekabi ist Boulderin, sie ist gut in dieser Sportart, dem Klettern ohne Seil in Absprunghöhe. Deswegen hat es sie geärgert, nicht ins Finale gekommen zu sein: "Ich hatte nicht das Gefühl, dass ich ich selbst sein konnte. Der Druck war viel größer, und ich sehe einfach anders aus." Sie ist Iranerin. Und deswegen hat sie sich gefreut, überhaupt antreten zu können - im September in Stuttgart und vorher schon im August beim Weltcup in München.

"Zum Reisen braucht man Geld und ein Visum. Beides ist in Iran schwer zu bekommen", sagt sie: "Das ist frustrierend, und manchmal denke ich darüber nach aufzuhören. Aber ich liebe Klettern viel zu sehr, es hat mir Selbstbewusstsein gegeben. Das ist nicht einfach nur ein Sport für mich."

Rekabi trainiert fünf Tage in der Woche während ihres Studiums, an den anderen beiden Tagen trainiert sie andere. 2001 hat sie mit dem Klettern angefangen, sie hatte nie einen anderen Trainer als sich selbst und die Videos, die sie sich immer wieder angeschaut hat. Dennoch gewinnt Rekabi seit 2002 jedes Jahr die nationale Meisterschaft. In Iran klettert keine Frau besser als sie. Rekabi ist Profi und ist es doch nicht: Sponsoring gibt es in Iran nicht, Rekabi finanziert sich selbst und wird von ihrer Familie unterstützt. Auch das ist alles andere als gewöhnlich. Sie musste sich nicht gegen ihre Eltern durchsetzen, um Sportlerin sein zu können.

Nur wenige Iranerinnen werden von ihrem Umfeld dazu ermutigt, Sport zu treiben, weil das nicht zu den vorherrschenden Geschlechterrollen, den religiösen und den kulturellen Werten passt. Profi-Sportler in Iran zu sein, sei nicht leicht. Vor allem nicht für eine Frau. "Ich habe schon oft gehört, dass Frauen keinen Sport machen sollen", sagt Rekabi: "Aber die meisten, die das zu mir sagen, merken irgendwann, dass sie danebenliegen."

Iran öffnet sich langsam

Wenn die 26-Jährige aus Zandschan im Nordwesten Irans klettert, trägt sie lange Kleidung und ein Hidschood, eine Mischung aus Schleier (Hidschab) und Kopfbedeckung (Hood). Das entspricht den iranischen Vorgaben, Bouldern ist deswegen im Vergleich zu anderen Sportarten wie Turnen oder Leichtathletik auch für Frauen weniger problematisch. In diesem Jahr haben an den iranischen Meisterschaften insgesamt 400 Boulder teilgenommen, 30 davon waren Frauen. "Wenn man das auf ganz Iran mit fast 80 Millionen Einwohnern bezogen betrachtet, sind das nicht viele, und mit professionellem Trainingsaufwand sind es noch viel weniger. Aber die Zahl wächst", sagt Rekabi.

Iran öffnet sich langsam, die Situation ist deutlich besser als in anderen islamisch geprägten Ländern, in denen Frauen öffentlich grundsätzlich keinen Sport treiben dürfen. Die Grenzen existieren dennoch. "Zu unseren Wettkämpfen kommen fast nie Zuschauer. Wir schauen uns meistens gegenseitig zu", sagt Rekabi: "Dabei ist Bouldern eigentlich nicht mehr problematisch, weil wir uns islamisch kleiden."

Frauen und Männer dürfen nicht zusammen trainieren, zudem verhindert die Geschlechtertrennung, dass Männer den Sportlerinnen bei ihrer Tätigkeit zuschauen können. Umgekehrt ist es seit diesem Jahr - zumindest in manchen Sportarten - möglich. Das Verbot, das seit der Islamischen Revolution 1979 galt, wurde gelockert.

Für eine gewisse Zeit ins Ausland?

Die iranischen Gesetze besagen jedoch nach wie vor, dass Frauen ohne Zustimmung ihres Vaters oder Mannes das Land nicht verlassen dürfen. Mitte September konnte die Kapitänin der iranischen Fußball-Nationalmannschaft nicht zu den Asienmeisterschaften im Futsal reisen, weil ihr Ehemann den Pass einbehielt. Solche Fälle, sagt Rekabi, seien inzwischen aber selten.

Sport spielt eine besondere politische Rolle in muslimischen Ländern. Für einige Frauen ist er oft die einzige Möglichkeit raus zu kommen aus einem rigiden Alltag, selbstständig zu sein in einer von Männern dominierten Gesellschaft. "Ich habe schon darüber nachgedacht, für eine gewisse Zeit in ein anderes Land zu ziehen, einfach um besser klettern zu können", sagt Rekabi. Ausrüstung und Kletterwände in Iran seien alt, ohne internationalen Vergleich und Austausch könne sie das Niveau nicht halten. "Aber auch dafür", sagt sie, "bräuchte ich erst einmal ein Visum."

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