Boulderin Juliane Wurm:Bloß nicht abfallen

Mit 15 Jahren wurde sie die jüngste Deutsche Meisterin im Klettern, nun hofft Juliane Wurm in ihrer Spezialdisziplin auf den ersten Weltcupsieg. Zum Saisonfinale in München trifft Deutschlands beste Boulderin auf die Weltelite - und will ungesichert an der Kletterwand zu ihrem größten Erfolg springen.

Saskia Aleythe

Bouldern ist eine der Sportarten, die Eltern ihren Kindern wohl am liebsten verbieten würden: Klettern ohne Sicherung, in Rücklage hangeln sich die Sportler von einem Griff zum nächsten und manchmal springen sie dann auch, was ungeübte Beobachter an den Gravitationsgesetzen zweifeln lässt. Und gefallen, ja gefallen wird oft.

Juliane Wurm

Hofft auf den ersten Sieg im Weltcup: Boulderin Juliane Wurm.

(Foto: imago sportfotodienst)

Bei Juliane Wurm, Deutschlands bester Boulderin, ist ausgerechnet der Vater an allem schuld: Er schenkte ihr zum zehnten Geburtstag ein Ausflug in die Kletterhalle. Am Wochenende tritt die 21-Jährige in München zum sechsten und letzten Weltcup dieses Jahres an. Sie sagt: "Hier meinen ersten Weltcup zu gewinnen, wäre endcool."

Ein wenig Gentleman, ein bisschen Seeed und Peter Fox: Für die Einstimmung auf den Wettkampf darf bei Wurm der Mp3-Player nicht fehlen. Am Samstagnachmittag geht es vor allem darum, im Münchner Olympiapark gut in die Qualifikation zu starten. "Wenn der erste Boulder gut läuft, hat man schon mal ein Hochgefühl", sagt sie.

Insgesamt fünf dieser bis zu vier Meter hohen Kletterwände werden pro Durchgang absolviert, wer sie mit den wenigsten Versuchen meistert, bekommt die höchste Punktzahl. In welchen Routen die Griffe angeschraubt wurden, bleibt bis zum Wettkampf ein Geheimnis. Wer abrutscht, fällt auf Matten - und darf nochmal, für jeden Boulder bleiben fünf Minuten Zeit.

Schleppender Anfang

Die Chancen, es von den rund 50 Teilnehmerinnen bis ins Finale zu schaffen, stehen für Wurm nicht schlecht. Im letzten Wettbewerb in den USA schaffte sie es auf Platz drei. Insgesamt könnte es für Wurm in München mit einem versöhnlichen Saisonabschluss klappen. "Der Anfang verlief schleppend, da hatte ich mir mehr vorgenommen", sagt die Dortmunderin. Im chinesischen Chongqing startete sie mit einem 16. Platz in die Saison - zu wenig für jemanden, der den vorherigen Gesamtweltcup auf Platz sechs beendete. "Ich hatte wohl zu viele andere Sachen im Kopf, Studium und Umziehen, da war Klettern nicht mehr ganz die oberste Priorität."

Von einem Trainingsrückstand konnte allerdings keine Rede sein. "In der Saisonvorbereitung trainiere ich so fünf Mal die Woche, drei bis vier Stunden", erklärt sie. Ein bisschen Gerätetraining gibt es dann, viel Gekletter in der Halle und sogar Videostudium: "Es geht nicht nur um Muskelkraft, viel hängt auch von der Technik und der Dynamik ab." USA, China, Slowenien und Österreich: Lang ist der Serie der Weltcups mit sechs Wettkämpfen nicht, die Stationen aber sind abwechslungsreich. "Die sind alle eigentlich ziemlich cool, in China ist es unorganisierter als in Europa oder den USA", sagt Wurm, "aber es ist toll, mal in so ein Land zu reisen." Zuschauer strömen überall massenweise in die Hallen, zwischen 3000 und 5000 sind es bei den Weltcups meistens. Das Finale in München wird sogar im Internet übertragen.

Man kommt also rum als Boulderer und im Gegensatz zu vielen anderen Profis in Randsportarten muss Wurm dabei keine finanziellen Einbußen hinnehmen - ganz im Gegenteil. "Ich kann davon leben und von den Sponsorengeldern meine Miete bezahlen", sagt sie. Sportartikelhersteller, Lebensmittelfirmen und sogar Mobilfunkanbieter unterstützen sie. Um die Sportausrüstung muss sich Wurm also keine Gedanken machen. Und die Reisen? Die bezahlt der Deutsche Alpenverband. "Allein von den Preisgeldern könnte ich aber nicht leben."

Dabei hat es 2006 schon zu einem Motorroller gereicht: 1000 Euro Preisgeld gab es damals, für eine bis heute historische Leistung. Mit 15 Jahren wurde Wurm die jüngste Deutsche Meisterin im Bouldern und Schwierigkeitsklettern. Seit drei Jahren konzentriert sie sich jedoch ausschließlich aufs Bouldern. "Das fetzt einfach mehr", sagt sie.

Am Sonntag kämpfen die besten sechs Boulderinnen im Finale um den letzten Weltcupsieg, die Österreicherin Anna Stöhr liegt im Gesamtweltcup vorne und gilt auch in München als Favoritin. Wurm liegt auf Rang sieben, mit den Podestplätzen in der Gesamtwertung hat sie nichts mehr zu tun. Eigentlich gute Voraussetzungen, um entspannt in den Wettkampf zu gehen. Mit Seeed, Peter Fox und Gentleman. Gute Erinnerungen hat Wurm auf jeden Fall: Im vergangenen Jahr wurde sie in München Zweite.

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